Simon Terodde will den VfB am Sonntag in Hannover zum Aufstieg schießen. Foto: Baumann

Wenn der VfB bei Hannover 96 spielt, blicken beide Teams auf eine Erfolgsserie zurück. Daher werden im direkten Duell wohl die Details entscheiden. Denn das Team von Trainer Hannes Wolf muss sich am Sonntag (15.30 Uhr/Sky) in Niedersachsen der zweiten Mannschaft der Stunde stellen.

Stuttgart - Es ist viel vom ersten Matchball die Rede, wenn der VfB Stuttgart als Tabellenführer der Zweiten Fußball-Bundesliga am Sonntag (15.30 Uhr) im vorletzten Saisonspiel beim Dritten Hannover 96 antritt. Die Vorzeichen des Duells sind klar: Gewinnt der VfB, ist die Bundesliga-Rückkehr perfekt. Doch die Gastgeber benötigen den Dreier ebenso dringend, denn auch sie wollen sich nicht mit der Verlängerung namens Relegation (womöglich gegen den großen Nordrivalen Hamburger SV) begnügen.

„Beide Mannschaften werden sich in diesem Spiel gegenseitig alles abverlangen“, mutmaßt der VfB-Trainer Hannes Wolf vor dem Duell in der mit 48 000 Fans längst ausverkauften Fußballarena von Hannover. Mit 34 Punkten stellt der VfB das beste Team der Rückrunde, doch dahinter kommen schon die 96er, die ihrerseits 31 Punkte sammelten und in den vergangenen neun Spielen achtmal zu null spielten. Zudem ist ihr Torjäger, der ehemalige Stuttgarter Martin Harnik, sehr gut drauf. 17 Tore hat Harnik erzielt – und wird damit lediglich von seinem Konterpart, dem Stuttgarter Kanonier Simon Terodde (23 Torerfolge), übertroffen.

„Wir gehen mit Respekt vor dem Gegner ins Spiel, aber auch mit dem Vertrauen in uns selbst, dass wir diese Aufgabe lösen können“, sagt Hannes Wolf, dessen zuletzt so spielstarken Regisseur Alexandru Maxim Oberschenkelprobleme plagen. Dafür kann der 36-jährige Coach darauf vertrauen, einer nervenstarken Mannschaft vorzustehen. Denn allein im April zog der konditionsstarke VfB den Kopf viermal aus der Schlinge – und gab seinen Spielen in der Schlussphase noch einen positiven Dreh.

„Wir kommen mit einer Portion Selbstvertrauen an Bord nach Hannover“, sagt der Edeljoker Daniel Ginczek – immerhin hat der VfB zuletzt fünf Siege gelandet. Doch Martin Harnik hält dagegen: „Ich finde, wir haben beim 2:1-Hinspielsieg schon ganz gut gezeigt, dass wir gegen den VfB die Initiative übernehmen können.“ Große Töne werden vor dem Showdown der beiden Erstliga-Absteiger auf keiner Seite gespuckt. „Wir haben den Hunger, unseren Weg zu Ende zu gehen“, sagt VfB-Coach Wolf, der aber gleichzeitig vom „schwersten Auswärtsspiel der Saison“ spricht. Denn tatsächlich liegen beide Teams von der Leistung her eng beisammen, wie der Vergleich zeigt.

Die Torjäger

Wenn man den Augenzeugen in Heidenheim glauben darf, dann hat sich dort zuletzt Außergewöhnliches ereignet. Martin Harnik (29) hat sein bestes Spiel im Trikot von Hannover 96 gezeigt. Das lag jedoch nicht nur an seinem Laufpensum, denn unter 30 Sprints pro Partie macht es der Stürmer selten. Und auch nicht an seinen zwei Toren beim 2:0-Sieg, denn es war bereits der dritte Doppelpack des Österreichers für die Niedersachsen. Vielmehr ist Harnik rechts hinten aufgetaucht, in Verteidigermanier. Das werten sie rund um den Maschsee als Beleg dafür, dass der Ex-Stuttgarter die neue Führungskraft ist und die Mannschaft mit seiner Dynamik nach oben ziehen will.

Es kann also gut sein, dass im großen Duell der beiden besten Zweitliga-Torjäger Harnik höchstpersönlich in den eigenen Strafraum eilt, um Simon Terodde am nächsten Torschuss zu hindern. Vielleicht ist es aber auch umgekehrt, da der VfB-Mittelstürmer sein Revier ja auch schon lange ausgeweitet hat. Er ist nicht nur der Spieler, der am Ende einer Passkette lauert, um diese zu veredeln. Das ist Terodde zwar auch, aber jenseits der Torjägerliste, die er mit 23 Treffern vor Harnik mit 17 Toren anführt, ist der 29-jährige Angreifer für die Stuttgarter viel mehr. Ein Mentalitätsmonster, das nicht mehr zu stoppen ist – auch nicht von Harnik.

Die Atmosphäre

Als Stimmungsbude der Liga hat sich die HDI-Arena in Hannover noch keinen Namen gemacht. War es in der Vergangenheit der Boykott der Ultras (wegen Vereinsboss Martin Kind), der bei Heimspielen der Rothosen oftmals eine unterkühlte Atmosphäre verbreitete, ist auch in dieser Saison der Funke der Begeisterung nur selten auf die Ränge übergesprungen. Im vergangenen Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf gab es trotz des 1:0-Sieges in der Halbzeit Pfiffe.

Die Stuttgarter Fans bieten dagegen das Kontrastprogramm. Der mit Abstand größte Support aller Zweitligisten (zu Hause wie auswärts) kitzelt auch bei den Spielern noch die entscheidenden paar Prozent heraus, wenn die Beine müde werden. „Das trägt uns schon durch die ganze Saison“, sagt Stürmer Daniel Gin-czek stellvertretend für seine Teamkollegen. Etwa 8000 in Weiß gekleidete VfB-Fans wollen ihren Herzensclub im hohen Norden zum Aufstieg brüllen. 40 000 Anhänger der Gastgeber halten dagegen. Die Atmosphäre in Hannover mag zwar nicht an jene in Stuttgart heranreichen, die beste Heimbilanz steht dennoch aufseiten der Niedersachsen, während der VfB immerhin die beste Auswärtself der zweiten Liga stellt. Vieles spricht also für ein Unentschieden. Der VfB wäre sicher nicht unglücklich.

Formkurve, Trainer und zweite Reihe

Die Formkurve

Der Trend zeigt nach oben – sowohl für den VfB Stuttgart als auch für Hannover 96. Denn die Gäste kommen mit dem Selbstvertrauen von fünf Siegen in Serie in die HDI-Arena – und dort wartet ein Gegner, der seinerseits auf eine beachtliche Zu-null-Bilanz verweisen kann. Seit sieben Spielen betreut André Breitenreiter die Hannoveraner, in sechs davon musste seine Elf kein Gegentor hinnehmen.

17 von 21 möglichen Punkte ergibt das. Wobei „Stabilität“ das große Wort ist, seit Daniel Stendel abgelöst wurde. Reinen Tempofußball forderte der Ex-Trainer. Nun ist das anders. Breitenreiter achtet sehr auf das Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive. „Wenn wir hinten stabil bleiben und vorne immer wieder zu unseren Chancen kommen, dann bin ich sehr guter Dinge, dass wir hier gegen Stuttgart gewinnen“, sagt Stürmer Martin Harnik.

Doch auch beim VfB sind sie bester Dinge, denn die Mannschaft bietet das Beste, was die Liga im Portfolio hat: spielerisch, weil sie im 4-2-3-1-System ebenfalls an Stabilität gewonnen hat. Toremäßig, weil „wir die meisten Tore erzielt haben und dabei in den letzten vier Spielen jeweils dreimal getroffen haben“, wie Daniel Ginczek betont. Und punktetechnisch, weil der VfB auch die Rückrundentabelle mit 34 Zählern vor Hannover (31) anführt.

Die Trainer

Aufstiegserprobt gegen aufstiegshungrig – damit ließe sich das Duell auf der Trainerbank überschreiben. André Breitenreiter (43) weiß, wie man aufsteigt: Den SC Paderborn führte er 2014 sensationell in die Bundesliga. Über Schalke 04 landete der Niedersachse bei „seinem Verein“, wo er wieder mit Horst Heldt zusammenarbeitet. Ein Duo, von dem man nie so genau weiß, ob es innig oder doch eher in gegenseitiger Abneigung verbunden ist. Auf alle Fälle geht „Breite“ die Arbeit bei seinem Club, mit dem er 1992 den Pokalsieg feierte, mit viel Herzblut an. „Mein Sohn schläft in 96-Bettwäsche. Auch für mich wäre der Aufstieg etwas Besonderes“, sagt Breitenreiter.

Das wäre es genauso für sein Gegenüber Hannes Wolf. Allerdings aus einem anderen Grund. Für den jungen und erfolgshungrigen VfB-Trainer wäre es der erste Aufstieg mit einer Profimannschaft und entsprechend sein erster großer Erfolg. Auch wenn dem Dortmunder die große Bindung zu seinem Arbeitgeber noch fehlt – fachlich ist der 36-Jährige seinem erfahreneren Kollegen mindestens ebenbürtig. Die Herangehensweise der Trainer an das große Duell könnte unterschiedlicher nicht sein: Während Wolf im Saisonfinale Experimenten abschwört, setzte Breitenreiter mit einem Laktattest noch einmal Reize.

Die zweite Reihe

Die schwäbischen Bankreserven sind gewaltig. Daniel Ginczek sitzt dort zum Beispiel: 1,90 Meter groß, knapp 90 Kilogramm schwer und mit enormem Ehrgeiz ausgestattet. Schon seine Erscheinung kann unter Verteidigern Angst und Schrecken verbreiten. Zumal sie wissen, dass Ginczek auch noch Fußball spielen kann. Drei Treffer und vier Torvorlagen in der Rückrunde sind die Arbeitsnachweise des lange verletzten Edeljokers, der eigentlich Stammkraft sein müsste.

Doch damit nicht genug. Zuletzt beim 3:0 gegen Erzgebirge Aue saßen an Offensivspielern Julian Green, Takuma Asano und Tobias Werner beim Anpfiff draußen. Spielkunst, Schnelligkeit und Erfahrung – drei Faktoren, die nach Einwechslungen eine entscheidende Rolle spielen können. Und der Trainer Hannes Wolf weiß dieses Potenzial zu nutzen, indem er geschickt wechselt und auch Spieler von der Tribüne wieder ins Team holt. Wie Alexandru Maxim oder Florian Klein. Mit Erfolg. Bereits elf Jokertore hat der VfB erzielt.

Den Hannoveranern bleibt da nur der Verweis auf ihr Sturmduo Martin Harnik und Niclas Füllkrug. Torgefährlich, klar. Die beiden Angreifer verstehen sich auch gut und liegen während der Auswärtsaufenthalte auf einem Zimmer. Doch zusammen getroffen haben sie für die 96-Elf noch nie.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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