Timo Baumgartl fällt zum Saisonstart aus – was die Probleme in der Stuttgarter Innenverteidigung verschärft.
Stuttgart - Zunächst redet Jos Luhukay (53) mal ausführlich über ein Thema, das ihm allem Anschein nach sehr am Herzen liegt. Seine Botschaft lautet im weitesten Sinn, dass Fußball einfach ein Mannschaftssport ist und dass nie ein Spieler alleine gewinnt oder verliert, sondern immer das Kollektiv verantwortlich ist. Dabei lautet die Frage an den Trainer des VfB Stuttgart eigentlich, ob er schon wisse, wer beim Zweitligaauftaktam Montag gegen den FC St. Pauli in der Innenverteidigung neben dem wohl gesetzten Timo Baumgartl (20) auflaufen wird. Darauf antwortet Luhukay schließlich auch noch, aber ganz anders als erwartet. Baumgartl falle mit einer Schambeinentzündung definitiv aus – und der Zeitpunkt seiner Rückkehr sei nicht abzusehen, „ob in ein paar Tagen oder in ein paar Wochen“, sagt Luhukay. Dadurch werden seine Sorgen jetzt noch größer. Aber der Reihe nach.
Die Methode mit der zentralen Führungsachse
Schon mit drei Clubs hat Luhukay den Sprung in die Bundesliga geschafft – 2007/08 mit Borussia Mönchengladbach, 2010/11 mit dem FC Augsburg und 2012/13 mit Hertha BSC. Jedes Mal hat er auf dem Weg nach oben das gleiche Prinzip angewandt. Luhukay bildete in der Mannschaft eine zentrale Führungsachse, bestehend aus dem Torhüter, einem Innenverteidiger, einem zentralen Mittelfeldspieler und einem Stürmer.
Christofer Heimeroth, Roel Brouwers, Sascha Rösler, Oliver Neuville – so war es in Gladbach. Beim FC Augsburg besetzten dann Simon Jentzsch, Gibril Sankoh, Daniel Brinkmann und Nando Rafael diese vier Schlüsselpositionen – und in Berlin fiel die Wahl auf Thomas Kraft, John Brooks, Fabian Lustenberger und Adrian Ramos. Inzwischen ist Luhukay beim VfB gelandet. Auch da will er eigentlich auf seine bewährte Methode mit der Viererkette setzen. Sie lautet momentan: Mitch Langerak, ?, Christian Gentner, Simon Terodde.
Das Fragezeichen ist nicht gut und bezieht sich auf den Innenverteidiger – eine Stelle, die Luhukay einst interessanterweise sowohl in Gladbach (Brouwers) als auch in Augsburg (Sankoh) und bei Hertha BSC (Brooks) immer an Neuzugänge vergeben hat. Sie sorgten für defensive Stabilität. So kassierten Augsburg (27) und Berlin (28) in ihrer Aufstiegssaison jeweils die wenigsten Gegentore aller Zweitligaclubs – und Gladbach (38) die zweitwenigsten.
Neu beim VfB ist nun Marciel Kaminski (24), der von Lech Posen verpflichtet wurde. Dass der Mann aus Polen jedoch in die Fußstapfen von Brouwers, Sankoh und Brooks tritt, ist unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, passiert das zumindest nicht sofort, weil Kaminski sogar um einen Platz in der Stuttgarter Mannschaft kämpfen muss.
Der VfB hat keinen Abwehrchef
Seine Konkurrenten heißen Timo Baumgartl, der auf Grund seines jungen Alters auch im fitten Zustand noch kaum eine Chefrolle besetzen kann, Stephen Sama (23), der wie damals Brooks in Berlin aus der zweiten Mannschaft in den Profikader aufgerückt ist, und Toni Sunjic (27), dem es wie Kaminski an der Geschwindigkeit fehlt und den der VfB gerne verkauft hätte. Mehr Optionen hat Luhukay nicht – und angesichts dessen ist es auch kein Wunder, dass er die ursprüngliche Frage nach dem Partner von Baumgartl offen lässt.
Bei diesem Kapitel wird Luhukay nicht konkret, sondern bleibt unverbindlich. Klar ist aber, dass auf dem Transfermarkt nach einer Verstärkung gesucht wird. „Wir müssen so schnell wie möglich versuchen, ein starkes Gerüst aufzubauen“, sagt Luhukay – ein Anspruch, den er in Gladbach, Augsburg und Berlin mit seiner Führungsachse umgesetzt hat. Beim VfB herrscht dagegen ein Vakuum in der Abwehrmitte, was besonders bedenklich ist, weil die Mannschaft schon in der vergangenen Bundesligasaison die mit Abstand meisten Gegentreffer (75) aller 18 Clubs kassiert hat. Diese individuellen Schwächen haben dann maßgeblich zum Abstieg der Stuttgarter beigetragen – dem von Luhukay zu Beginn seiner Ausführungen in den Fokus gestellten Kollektivgedanken zum Trotz.