Zwei Trainer, ein Gedanke: für Markus Weinzierl (links) vom VfB Stuttgart und Heiko Herrlich von Bayer Leverkusen geht es um den nächsten Sieg. Foto: Bongarts

Wenn der VfB Stuttgart an diesem Freitag in der Fußball-Bundesliga bei Bayer Leverkusen antritt, dann ist es ein Aufeinandertreffen zweier Krisenclubs. Das hat mehrere Gründe.

Stuttgart - Selbstvertrauen muss man sich erarbeiten. Dieser Satz gehört zu den Grundüberzeugungen von Markus Weinzierl. Von nix kommt nix. Und so betrachtet, sieht der Trainer des VfB Stuttgart sein Team wieder gestärkt. Es hat zuletzt gewonnen, es hat anschließend gut trainiert und es ist am Donnerstagnachmittag mit frischen Mut in den Zug Richtung Rheinland gestiegen.

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„Ich hoffe, dass wir uns mit dem Sieg in Nürnberg neues Selbstvertrauen für das schwere Spiel in Leverkusen geholt haben“, sagt Weinzierl vor der Begegnung an diesem Freitag (20.30 Uhr/Liveticker) mit dem Bayer-Team. Es ist das Duell zweier Mannschaften, die bislang hinter den Erwartungen geblieben sind. Hier der Tabellensiebte der Vorsaison aus Stuttgart, der den Blick nach weiter oben richten wollte. Dort der ambitionierte Werksclub, der mit seiner Offensivkraft wieder in die Champions League stürmen wollte.

Doch beide Bundesligisten müssen nun mit der Enttäuschung umgehen, dass die Ziele sich geändert haben: Der VfB hat als Tabellenletzter den Abstiegskampf ausgerufen, und für die Leverkusener ist die Saison schon jetzt kaum noch zu retten. Zumindest rein statistisch. Sie stehen auf dem 13. Tabellenplatz, und noch nie ist es einer Mannschaft seit Einführung der Drei-Punkte-Regelung (1995/96) gelungen, sich mit elf Zählern nach dem elften Spieltag noch auf einen der vorderen vier Ränge im Endklassement zu katapultieren.

Heiko Herrlich steht ständig in der Kritik

Die sportliche Misere unterm Bayer-Kreuz wird dabei an Heiko Herrlich festgemacht. Bereits nach dem ersten Spieltag geriet der Trainer in die Kritik. Und sie ist nicht verstummt, obwohl der Sportchef Rudi Völler immer wieder betont hat, dass Herrlich nicht infrage steht. Auch aus Mangel aus Alternativen, wie es heißt. Ralph Hasenhüttl wurde kontaktiert, aber der Österreicher winkte ab. Obwohl das Spielermaterial in Leverkusen wie für Hasenhüttls Fußball zusammengestellt schien.

Jetzt nimmt Völler verstärkt die Mannschaft in die Pflicht: „Gegen die Stuttgarter können die Spieler beweisen, dass sie richtige Kerle sind.“ Es ist der Versuch, sich der Dynamik des Misserfolgs zu widersetzen. Denn Völler will mit Bayer nicht in den Ruch geraten, ein Club zu sein, der durchschnittlich mehr als einen Trainer pro Saison benötigt – wie der VfB, der sich von Tayfun Korkut getrennt hat.

Also heißt es, Augen zu und weiter mit Herrlich. Trotz aller Zweifel, die das Tun des Trainers in taktischer Hinsicht begleiten. Herrlich gilt nicht als derjenige, der ein Team mit neuen Ideen inspiriert. Das Problem geht nunmehr jedoch weiter, da es der 46-Jährige auch nicht schafft, der Bayer-Elf die passende Balance zwischen Defensive und Offensive zu vermitteln. Das Ergebnis: krachende Niederlagen wie zuletzt gegen 1899 Hoffenheim (1:4) und bei RB Leipzig (0:3) wechseln sich mit spektakulären Siegen wie zuvor in der Liga bei Werder Bremen (6:2) und im Anschluss im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach (5:0).

Markus Weinzierl zeigt Respekt

Wie aus der Wundertüte wirkt der Fußball der Rheinländer. Keiner weiß, was drinsteckt und gelegentlich begreifen sie ihr Spiel zwischen den Extremen selbst nicht. Wie geht es da erst dem Gegner? Zwischen der Hoffnung, die Leverkusener verwunden zu können, und der Sorge, von der Sturmgewalt erwischt zu werden, pendeln die Gedanken beim VfB. „Mit Havertz, Brandt, Bellarabi, Volland, Alario und Bailey haben sie im Angriff richtig Qualität. Das sind Ausnahmespieler“, sagt Weinzierl.

Technik und Tempo können sie auf atemberaubende Weise verbinden. Allerdings sind darunter Schlüsselspieler, an denen sich das Auf und Ab zeigt. Wie zum Beispiel Karim Bellarabi, der schnell, trickreich und torgefährlich sein kann, aber im nächsten Moment lustlos. Was Herrlichs Umgang mit den Typen im Team erschwert, da zum Kader ebenso Mentalitätsspieler wie die Bender-Zwillinge gehören.

Sowohl Sven als auch Lars haben ihren Unmut über die Einstellung einiger Kollegen schon früh kundgetan. Der eine hat während der Pause in Düsseldorf das Wort vor dem Trainer ergriffen, um eine Leistungssteigerung einzufordern. Der andere hat einen Mitspieler nach der Niederlage gegen Dortmund öffentlich bloßgestellt.

Zusammenhalt sieht anders aus. „Wir sind uns alle einig darüber, dass wir mehr Leidenschaft auf den Platz bringen müssen“, sagt Herrlich nun vor dem Spiel gegen den VfB, in dessen Mannschaft sich solche Risse wie in Leverkusen noch nicht offenbart haben. Trotz der heiklen Situation, die sich nach dem ersten Erfolg unter Weinzierl zwar atmosphärisch entspannt hat, jedoch nicht tabellarisch. Die Stuttgarter sind ja nach wie vor Schlusslicht, wenn auch mit mehr Selbstvertrauen.