Seemann hält Kandidatur für Amt des Präsidenten nicht aufrecht. Weyhing geht ins Rennen.

Stuttgart - Er preschte als erster vor und übte herbe Kritik am aktuellen Führungspersonal des VfB Stuttgart. Jetzt zieht er seine Präsidentschafts-Kandidatur zurück - wegen Aussichtlosigkeit des Unterfangens.

Es war vergangene Woche während eines Fan-Treffens in Cannstatt. In einem Nebenzimmer beim Stuttgarter Sportclub unterhielt sich die Anhängerschaft des VfB Stuttgart darüber, wie die nagelneue Cannstatter Kurve künftig mit Leben erfüllt werden soll. Gegen Ende der Diskussionen bat nach Informationen unserer Zeitung ein netter Herr um Gehör, der dem einen oder anderen ziemlich bekannt vorkam. Es war der Stuttgarter Bankmanager Björn Seemann (39), der vor den wichtigsten Vertretern der Fanszene bekannt gab, dass er seine Kandidatur für das Amt des VfB-Präsidenten nicht aufrecht erhalten werde. Zuvor hatte er noch einmal seine Beweggründe dargelegt und die Grundzüge seines Konzeptes skizziert. Dann bat er um Verständnis. Seine geplante Kandidatur sei gegen seinen Willen an die Öffentlichkeit gekommen.

Deftige Kritik am aktuellen Führungspersonal

Wenige Tage später, anfang März, hatte Seemann notgedrungen eine Pressekonferenz einberufen, seine Sicht der Dinge dargelegt und dabei Forderungen aufgestellt, die in Teilen der Medien als unrealistisch kritisiert wurden. Weil er sich ungerecht behandelt fühle, wolle er nun seinen Rückzug nicht öffentlich vor den Fans mitteilen. Die Chose sei unglücklich gelaufen, er sehe kein realistische Möglichkeit mehr, das Präsidentenamt zu übernehmen.

Seemann, Chef der Stuttgarter Niederlassung des Bankhauses Julius Bär, hatte Mitte Februar als Erster den Finger gestreckt und seine Kandidatur mit deftiger Kritik am aktuellen Führungspersonal des Fußball-Bundesligisten angemeldet. Seine Bewerbung landete auch auf dem Tisch von VfB-Aufsichtsratschef Dieter Hundt, doch das Kontrollgremium entschied sich nach dessen Aussagen einstimmig für einen Kandidaten aus den eigenen Reihen: Gerd E. Mäuser, ehemaliger Porsche-Manager, Aufsichtsrat bei den Roten seit acht Jahren, soll die Nachfolge des scheidenden VfB-Präsidenten Erwin Staudt antreten. Die Satzung des VfB Stuttgart schreibt vor: Der Aufsichtsrat benennt den Kandidaten, der den Mitgliedern zur Wahl vorgeschlagen wird. Das hatte zuletzt für heiße Diskussionen gesorgt.

Das Vorgehen wird von vielen VfB-Mitgliedern als undemokratisch kritisiert. Auch vom langjährigen Chef der VfB-Geschäftsstelle, Thomas Weyhing. Er hat mittlerweile umfangreiche Vorschläge zur Satzungsänderung ausgearbeitet und will für den Fall kandidieren, dass weder Mäuser noch Roleder von den Mitgliedern gekürt werden. "Der VfB ist in seiner Führung zu sehr auf einige wenige Personen fokussiert", sagte Weyhing gegenüber unserer Zeitung, "das will ich ändern."

"High noon beim VfB"

Gewählt werden soll der neue VfB-Chef am Sonntag, 17. Juli, bei der Mitgliederversammlung in der Stuttgarter Schleyerhalle. Beginn der Veranstaltung: 12 Uhr mittags. "High noon beim VfB", wie die Fans spotten. "Wir dürfen einmal im Jahr 50 Euro Mitgliedsbeitrag abdrücken und sollen ansonsten die Klappe halten", sagt ein Fan, der namentlich nicht genannt werden will, "und eigentlich ist es uns auch egal, wer Präsident wird. Aber Dieter Hundt und seine Kumpanen müssen endlich lernen, dass sie uns ernst nehmen müssen. Wir erwarten am 17. Juli Signale und konkrete Taten."

Björn Seemann wird dafür nicht mehr sorgen können. Bleiben neben Gerd E. Mäuser noch Thomas Wehying und der ehemalige VfB-Torhüter Helmut Roleder, Kandidat der "Aktion VfB 2011". Beide werden zwar vom Aufsichtsrat nicht vorgeschlagen, hoffen aber über die beantragten Satzungsänderungen ins Amt zu kommen. Ihr müssten unter Punkt zehn der Tagesordnung 75 Prozent der anwesenden VfB-Mitglieder zustimmen. Spannende Geschichte.