VfB-Trainer Bruno Labbadia hat ein wachsames Auge auf Cristian Molinaro, Ibrahima Traoré und Serdar Tasci (v. li.): „Mein Glaube an die Mannschaft ist sehr groß“. Foto: Pressefoto Baumann

VfB-Trainer arbeitet am Offensivspiel und schaut auch auf Sozialverhalten der Spieler.

Stuttgart - So lang wie diesmal war die Sommerpause noch nie. Vier Wochen dauert die Vorbereitung jetzt schon, und nach dem Ende des Trainingslagers in Donaueschingen sind es noch mal drei Wochen, bis der VfL Wolfsburg in die Mercedes-Benz-Arena kommt. Aber keiner der Trainingskiebitze hat das Gefühl, die VfB-Profis gingen sich inzwischen auf die Nerven, im Gegenteil: So intensiv die Einheiten sind, so wenig kommt der Spaß zu kurz. „Das Trainerteam sorgt für viel Abwechslung, die bekommen das prima hin“, hat Neuzugang Tim Hoogland rasch bemerkt. Labbadia gibt das Lob an die Mannschaft zurück: „Wir liegen voll im Plan, alle ziehen prima mit, und auch spielerisch sind wir schon relativ weit.“

Das beruhigt Labbadia insoweit, als er im Sommer „auch Spieler ziehen lassen musste, die wir nicht unbedingt abgeben wollten“. Dafür kamen Rechtsverteidiger Tim Hoogland, der nach zweijähriger Verletzungspause ebenso um den Anschluss kämpft wie der Offensivspieler Tunay Torun, dem ein Kreuzbandriss zu Zeiten beim Hamburger SV und der letztjährige Bundesligaabstieg mit Hertha BSC zu schaffen machte. Die anderen Lücken stopften vier eigene Talente.

Andererseits sind die Ansprüche nicht geringer geworden. Labbadia soll und will den offensiven, aggressiven und schnellen Fußball verfeinern, mit dem der VfB schon in der vergangenen Rückrunde die Fans zuweilen begeisterte. „Mit unserer Spielweise ist es komplizierter zum Erfolg zu kommen“, sagt er. Defensiv ausgerichtete Mannschaften spielen sich schon mal mit zwei, drei Pässen in den gegnerischen Strafraum und kommen durch Einzelaktionen zu Torerfolgen. „Bei uns ist die ganze Mannschaft gefordert, wir müssen Tempo machen und gleichzeitig Geduld haben, um keine unnötigen Ballverluste zu riskieren. Das klappt nur, wenn alle mitmachen.“ Und es erfordert viel Zeit zum Einstudieren, weshalb ihm die lange Vorbereitung gar nicht so unrecht ist: „Wir dürfen keinen Tag verlieren.“

Labbadia hätte als Trainer lieber ein paar neue Hockaräter im Team gehabt

Und wenn es doch einen Vorteil hat, dass sich der VfB dieses Jahr keine namhaften Neuzugänge leisten konnte, dann diesen: „Die Mannschaft ist im Kern unverändert geblieben. Das erleichtert die Arbeit, weil viele Automatismen schon sitzen. Sich alles neu zu erarbeiten ist ein großer Aufwand.“ Dennoch hätte er als Trainer lieber ein paar neue Hochkaräter im Team gehabt: „Andere Clubs schlagen personell zu ohne Ende. Für uns bleibt es deshalb ein Drahtseilakt.“

Weil in der kommenden Saison der Teufel also mehr als sonst im Detail stecken könnte, lässt Labbadia in der Vorbereitung nichts, aber gar nichts aus den Augen. Mit Akribie und dem Blick für die Details führt er die Mannschaft auf und neben dem Platz. Für die Spieler bedeutet das: Holzauge, sei wachsam! Big Brother is watching you.

Big Brother Bruno!

So mancher Spieler wähnt sich unbeobachtet, wenn Labbadia in der Nähe ist – ist es aber nicht. Der Mann sieht alles. „Wir schauen genau hin, wie sich die Spieler auf dem Platz, aber auch außerhalb verhalten. Wie sie mit den Fans umgehen, mit dem Hotelpersonal und untereinander. Da kann man sehr viel erkennen, da sieht man, wie die Spieler ticken. Und daraus kann man teilweise ableiten, wie sie sich auf dem Platz verhalten“, sagt er. Das Sozialverhalten seiner Truppe schätzt er so ein: „Wir haben uns bisher top verkauft.“

Jedes Training und jedes Testspiel wird auf Video aufgezeichnet

Auch auf dem Platz entgeht Labbadia kaum eine Regung der Spieler. Jedes Training und jedes Testspiel wird auf Video aufgezeichnet. Daraus erstellt Co-Trainer Eddy Sözer eine sechs, sieben Minuten lange Sequenz, die der Mannschaft vorgeführt wird. Schwerpunkte sind die Kompaktheit, das ballorientierte Verhalten und Offensivaktionen. „Wir Trainer können viel erzählen und üben lassen“, sagt Bruno Labbadia, „aber ein Video macht alles erst anschaulich.“

Wichtig sind Labbadia auch die jeweils 45-minütigen Stabilisationseinheiten zur Stärkung der Muskulatur im Rumpfbereich. „Damit bauen die Spieler Spannung für den Tag auf, sie verbessern ihr Gangbild und geben dem Körper mehr Stabilität“, sagt Labbadia. Außerdem sei erwiesen, dass 70 Prozent diverser Verletzungen zu vermeiden wären, wenn der Rumpfbereich besser geschult wäre. Für Labbadia steht deshalb fest: „Wir werden die Spieler während der Saison dazu anhalten, die Stabi-Einheiten individuell zu absolvieren.“

Das sind nur drei Beispiele für Labbadias akribische Arbeitsweise. Er wird sie weiterführen, wenn am kommenden Montag die Intensiv-Trainingswoche auf dem Cannstatter Wasen beginnt. Die Spieler sind dann ganztägig auf dem VfB-Gelände, nehmen Tageszimmer im benachbarten Hotel und übernachten zu Hause. „Viele Clubs beziehen zwei oder drei Trainingslager“, sagt Labbadia, „aber davon halte ich nichts. Es ist auch wichtig, dass die Spieler in ihrer vertrauten Umgebung und bei ihren Familien sind.“ Konzentriert arbeiten werden sie dennoch – garantiert. Dann geht es darum, sich Spielorganisation, Tempo und Wettkampfhärte für 90 statt bisher 45 Minuten zu erarbeiten. „Unsere Spieler sollen 90 Minuten lang Volldampf machen können“, sagt Labbadia und hofft, dass sich zugunsten einer überschaubaren Rotation 15, 16 Stammspieler herausbilden: „Bevor einer nur 90 Prozent abruft, gebe ich ihm eine Pause und bringe einen anderen. Das setzt aber das Verständnis der Spieler voraus, die auf der Bank sitzen. Sie müssen Ruhe geben.“

Dass zum Saisonstart auf Anhieb alles klappt, ist nicht garantiert. Aber wenn es funktioniert, „werden wir jedem Gegner wehtun“. Davon ist Labbadia überzeugt: „Mein Glaube an die Mannschaft ist sehr groß.“