Der VfB zeigt im DFB-Pokal nicht nur Spielfreude, sondern er trotzt der Mainzer Härte. Dieser Stuttgarter Mix soll auch in der Spitzenpartie der Bundesliga zum Erfolg führen.
In einer Radioreportage hätte sich die Stimme am Mikrofon im Stakkato wohl überschlagen – vor Freude und Tempo. „Führich mit Schwung aus der eigenen Hälfte. Doppelpass mit Undav. Er behauptet sich weiter. Gegen vier Mainzer stürmen die zwei Stuttgarter an. Wieder Undav. Er sieht den heranrauschenden Stiller. Oooh, der Nationalspieler lässt clever passieren – und Karazor trifft aus zehn Metern mit links.“
So ähnlich wird es über den Äther gelaufen sein, als der VfB Stuttgart den 2:0-Endstand im DFB-Pokalspiel beim FSV Mainz 05 erzielte. Der Treffer war ein Ausdruck der Überlegenheit und der Spielfreude. 17 Torschüsse hatten die Gäste in der Mewa-Arena verbucht und nach der frühen Führung durch Luca Jaquez (6.) doch relativ spät den Achtelfinaleinzug perfekt gemacht (73.).
Ein besonderes Strategiespiel der Trainer
An der souveränen Art und Weise, wie der VfB auch den zweiten Teil der Mainzer Doppelschicht aus Bundesliga und Pokal innerhalb weniger Tage gewann, gab es jedoch nichts zu rütteln. „Das ist schon eine besondere Konstellation gewesen und deshalb ein Strategiespiel der Trainer“, sagt der Sportvorstand Fabian Wohlgemuth. Und Sebastian Hoeneß lag mit seinen Maßnahmen erneut richtig. Der Coach tauschte wieder zehn Spieler gegenüber der vorherigen Begegnung aus, um frische Kräfte auf dem Platz zu haben. Ebenso wichtig war jedoch ein Punkt, der sich in der noch jungen Saison bei aller Angriffslust in den Stuttgarter Reihen immer klarer herauskristallisiert: die Bereitschaft, mit allen Mann zu verteidigen.
„Wir haben wieder zu null gespielt und aus dem Spiel heraus schon länger kein Gegentor mehr erhalten“, sagt Hoeneß. Beim 2:1 gegen den 1. FC Köln vor knapp fünf Wochen war das zum letzten Mal der Fall. Danach mussten zwei Strafstöße her, um die VfB-Defensive zu überwinden. Diese wieder gewonnene Stabilität sieht der Chefcoach als Voraussetzung für die kontrollierte Offensive. „Die Mannschaft muss verstehen, dass die Bereitschaft zu verteidigen die Basis unseres Spiels und ein Garant für den Erfolg ist“, sagt Hoeneß. Im Moment demonstriert der VfB diese nötige Haltung, die er in den ersten beiden Auswärtspartien der Liga (Union Berlin/1:2, SC Freiburg/1:3) noch hat vermissen lassen.
Seither gab es auf nationaler Ebene auch keine Niederlage mehr, sondern sechs Siege. „Wie wir uns uns in die Bälle schmeißen und gegenseitig unterstützen, steht für mich sinnbildlich“, sagt Atakan Karazor über das leidenschaftliche Vorgehen in engen Spielphasen. Allerdings weiß der Kapitän, wo es klemmt: „In der Europa League. Aber da wollen wir im nächsten Spiel voll angreifen.“
Doch bevor es nächsten Donnerstag im eigenen Stadion gegen Feyenoord Rotterdam geht, steht am Samstag die Spitzenpartie bei RB Leipzig an. Ein Gradmesser, der Aufschluss darüber bringt, ob der VfB als Einheit weiter reift. „Die Erfahrungen aus Istanbul haben uns jetzt schon in kurzer Zeit geholfen, um in Mainz zu bestehen“, erklärt Wohlgemuth einen schnellen Lerneffekt, „wir sind erwachsener aufgetreten, haben die hitzigen Situationen schnell abgehakt und sind trotz der harten Gangart des Gegners in unseren Abläufen geblieben.“
Der Lerneffekt aus Istanbul
Es scheint eine neue Widerstandskraft zu sein, die sich beim VfB entwickelt und die beim 0:1 vergangene Woche im extrem lauten und feindseligen Şükrü-Saracoğlu-Stadion gegen Fenerbahce nur teilweise auf dem Rasen zu sehen war. Letztlich schaffte es die erfahrene Elf von Fener-Coach Domenico Tedesco, den Stuttgarter Spielfluss zu unterbinden sowie die VfB-Profis in sportliche Zweikämpfe und persönliche Duelle zu verwickeln. Dem Team von Bo Henriksen gelang das Vorhaben, die schwäbischen Kombinationen zu brechen, zweimal nicht, obwohl es der FSV-Trainer mit allen gängigen Anti-VfB-Mitteln versuchte: In Stuttgart standen die Mainzer tief und lauerten auf Konter, im Heimspiel traten sie sehr aggressiv auf und versuchten es mit langen Pässen.
Die Stuttgarter hatten jeweils den besseren Plan – und aufgrund des breiten Kaders die höhere fußballerische Qualität, um diesen umzusetzen. Dennoch: „Wir haben jetzt die Fähigkeiten gezeigt, die wir in der Vergangenheit nicht immer auf den Platz bekommen haben. Das wurde uns ja mehrfach angekreidet“, sagt Karazor. Geschlossenheit und Entschlossenheit. Der VfB hält erst dagegen, nimmt dadurch die Intensität der Begegnung an und spielt anschließend seine Klasse aus. Mit dieser Reihenfolge der Elemente soll sich die Erfolgsserie fortsetzen.
„Auf uns wartet jetzt ein Kracherspiel“, sagt Karazor. Der ausgeruhte Tabellenzweite empfängt den strapazierten Tabellendritten. Da wird Hoeneß erneut grübeln, wie viele personelle Wechsel er vornimmt, um in Leipzig den besten Mix aus Klasse und Körperlichkeit auf das Feld zu bringen – damit sich am Ende die Stimme eines Radioreporters womöglich wieder überschlägt.