Zweikampfstark: VfB-Abwehrtalent Talent Timo Baumgartl (li.) Foto: Baumann

Im Kampf gegen den Abstieg braucht es erfahrene Kräfte – oder nicht? Der VfB probt den Existenzkampf in der Fußball-Bundesliga mit zahlreichen Talenten. Timo Baumgartl soll’s recht sein. „Ich glaube, dass auch junge Spieler mit solch einem Druck umgehen können“, sagt der 18-Jährige.

Stuttgart - Von Maichingen nach Bad Cannstatt – es gibt für Autofahrer weniger beschwerliche Wege. Doch was kümmert’s Timo Baumgartl? Der sagt über seinen täglichen Weg von seinem Wohnort zum VfB Stuttgart: „Das ist kein Problem, ich kenne mittlerweile genügend Schleichwege.“ Und von der schnellen Sorte ist er ja sowieso.

Im Jahr 2011 kam der Abwehrspieler vom SSV Reutlingen zum VfB Stuttgart, schon zwei Jahre später wurde er deutscher Meister der B-Junioren. Er spielte in der A-Jugend, obwohl er noch eine Altersstufe darunter spielberechtigt war. Später kickte er beim VfB II – als A-Jugendlicher. Und in dieser Saison sollte sich der Innenverteidiger eigentlich in der dritten Liga etablieren. Vor zwei Wochen aber feierte er in Bremen seine Bundesliga-Premiere – und trainiert seitdem nur noch mit dem VfB-Profiteam. „Ich hatte nie einen Zeitplan, der das alles vorsah“, sagt Timo Baumgartl, „aber ich nehme es natürlich gerne mit.“ Wenn der VfB an diesem Sonntag (17.30 Uhr/Sky) den FC Augsburg empfängt, steht der gebürtige Böblinger wohl nicht nur erneut im Kader von Armin Veh, sondern womöglich sogar in der Startformation. „Ich traue ihm das zu“, sagt der Cheftrainer der Roten – der damit aber auch ein riskantes Spiel treiben würde.

Im Kampf gegen den Abstieg, das gilt im Profifußball seit Jahrzehnten, braucht es erfahrene Recken, die Druck aushalten und dazwischenhauen können. Doch was macht Veh? Schickte zuletzt in Bremen eine Mannschaft auf den Platz, die mit einem Durchschnittsalter von 24,8 Jahren die viertjüngste des Spieltags in der ganzen Bundesliga war. Mit den Einwechslungen von Timo Werner und Timo Baumgartl, beide 18 Jahre jung, setzte sich das VfB-Team dann sogar an die Spitze der Jungspund-Rangliste: 23,5 Jahre jung war das Team da im Schnitt, die so wichtige Abwehrzentrale bildeten ein 18- und ein 21-Jähriger. „Wenn einer besser ist, dann spielt er bei mir auch“, sagt Veh dazu nur. Bestes Beispiel ist eben Baumgartl.

Als in Bremen Daniel Schwaab (26) verletzt vom Platz musste, hätte der Coach den erfahrenen Karim Haggui (30) bringen können – doch Veh sagt über den Tunesier: „Er ist zwar ein Top-Profi, aber bei mir hat er es schwer, weil ich andere vor ihm sehe.“ Also brachte er Baumgartl. Der erinnert sich noch immer an die Gänsehaut, die er schon vor dem Anpfiff in Bremen hatte, und ist heiß darauf, solche Momente immer wieder zu erleben. „Ich stelle keine Ansprüche“, sagt er zwar, betont aber auch: „Langfristig ist es mein Ziel, es nach ganz oben zu schaffen.“ Das ist ein hehres Ansinnen – Veh aber muss sich fragen: Können all diese Nachwuchskicker den Club aus der Krise führen?

Die Antwort ergibt sich zum Teil aus den Zwängen des Kaders. Viele erfahrene Spieler von gehobener Klasse stehen dem Trainer nicht zur Verfügung – was gut und schlecht zugleich ist für die Talente. Zum einen „bekommen sie Spielpraxis und lernen schnell“, sagt Veh. Andererseits fehlen Typen, an denen sich die Jungen orientieren können und die ihnen in dieser so kniffligen Lage Halt geben. Wenn das denn nötig sein sollte.

„Ich glaube, dass auch junge Spieler mit so einem Druck umgehen können“, sagt Timo Baumgartl selbstbewusst. Dazu kommt die Unbekümmertheit, die jungen Spielern im Idealfall hilft, die Brisanz der Lage ein wenig auszublenden. „Schon in der dritten Liga wurde der Druck von mir ferngehalten“, erinnert sich Baumgartl an die vergangene Saison, als er beim VfB II in einer ähnlich misslichen Lage debütierte. „Bei den Profis ist das nun auch so.“ Ex-Nationalspieler Andreas Hinkel erinnert sich, dass es bei ihm ähnlich war, als er im Jahr 2001 mitten im Kampf gegen den Abstieg zu den Profis aufrückte. „Natürlich habe ich den Druck gespürt“, sagt der heutige Co-Trainer der VfB-B-Junioren, „aber ich war auch noch sehr unbekümmert und wollte einfach zeigen, was ich kann.“ Dieser Effekt könnte dem VfB nun erneut zugutekommen. „Es geht nicht ums Alter“, sagt Timo Baumgartl, „sondern um die Leistung.“

Die muss stimmen, wenn an diesem Sonntag Jungs wie Timo Werner (18), Oriol Romeu (23), Filip Kostic (22), Gotoku Sakai (23) oder Alexandru Maxim (24) gegen Augsburg um Punkte kämpfen. Und wenn womöglich Rüdiger (21) und Baumgartl (18) wieder ein Duo im Abwehrzentrum bilden. „Ich hätte da keine Bedenken“, sagt Armin Veh. Timo Baumgartl wohl auch nicht.