Martin Harnik am Boden. Foto: Pressefoto Baumann

Dem VfB macht die mangelnde Konstanz im Spiel zu schaffen, weshalb er im Niemandsland der Tabelle feststeckt.

Die Punkteausbeute ist schwach, der Einzug ins internatonale Geschäft ist für den VfB Stuttgart nach dem Abschluss des Fußballjahres in weite Ferne gerückt. Die Misere hat ihre Gründe, die Mängelliste ist lang – doch es gibt auch Anlass zur Hoffnung.

Wolfsburg - Fredi Bobic leistete Schwerstarbeit kurz nach dem Schlusspfiff. Als der Sportvorstand des VfB auf das Spielfeld schritt, war keiner der 22 Profis mehr vor ihm sicher. Bobic beglückwünschte erst die Wolfsburger Sieger – ehe er sich nach der 1:3-Niederlage seinen Spielern widmete. Es gab ein paar innige Umarmungen, jede Menge warme Worte und zum Schluss noch einen aufmunternden Klaps für jeden Einzelnen. Die Jungs des VfB hatten ja auch vieles richtig gemacht bei ihrem letzten Pflichtspielauftritt in diesem Jahr, da konnte man so kurz nach dem Abpfiff als Sportvorstand auch mal Milde walten lassen.

Später aber, als es in der Analyse nicht mehr nur um die unglückliche Niederlage in Wolfsburg ging, sondern Bilanz gezogen wurde nach dem ersten Halbjahr der Saison, war es mit der Freundlichkeit des Fredi Bobic vorbei. „Die Punkteausbeute ist für uns zu wenig, das ist nicht unser Anspruch“, knurrte er, „da gibt es nichts schönzureden, das geht einem auf den Keks.“

19 Punkte aus 16 Spielen – der VfB steckt im Niemandsland der Tabelle fest und ist meilenweit vom Einzug ins internationale Geschäft entfernt. Was bedenklich stimmt, ist aber nicht nur die Punktezahl. Es ist vor allem die mangelnde Konstanz, die die Mannschaft von Thomas Schneider in der Vorrunde an den Tag legte. Auf und nieder, immer wieder, so lassen sich die Auftritte zusammenfassen. Und manchmal, wie bei der letzten Partie des Jahres in Wolfsburg, schaffte es die Mannschaft sogar in einem Spiel, ihr gutes und ihr schlechtes Gesicht zu zeigen. „Wir haben zu große Schwankungen drin“, sagte Kapitän Christian Gentner deshalb – die Mängelliste des VfB ist lang.

Die Patzer in der Abwehr: Ob der VfB nun einen guten Tag erwischte oder nicht, eines zog sich wie ein roter Faden durch die Vorrunde: die Aussetzer in der Defensive. „Wir kriegen die Tore viel zu einfach“, sagte Gentner. In Wolfsburg etwa war der VfB nach einer tollen zweiten Halbzeit drauf und dran, den Ausgleich zu erzielen. Dann trat Gotoku Sakai auf den Plan. Der Rechtsverteidiger legte den Ball in den Lauf von Ivan Perisic, der das entscheidende 3:1 erzielte. Zwei Wochen zuvor, im Spiel beim FC Schalke (0:3), leitete Abwehrmann Daniel Schwaab mit einem Fehler das Tor zum 0:1 und damit die Niederlage ein. Die individuellen Patzer in der kommenden Winter-Vorbereitung abzustellen sei „eine große Aufgabe“, meinte Gentner. Widersprechen wollte ihm da niemand, zumal sich vor allem bei Rechtsverteidiger Sakai nach dessen schwacher Vorrunde die Frage stellt, ob seine Defensivqualitäten überhaupt noch für das Niveau in der Bundesliga ausreichen.

Die mangelnde Kaltschnäuzigkeit: Stürmer Vedad Ibisevic war mächtig geladen nach dem 1:3 in Wolfsburg. Zum einen ärgerten ihn die Patzer in der Defensive – und zum anderen gingen ihm die vielen vergebenen Torchancen auf den Wecker. Der Bosnier presste die Lippen zusammen und sprach von einer „naiven Spielweise“ des VfB.

Was Ibisevic meinte: Anstatt in den entscheidenden Phasen kühlen Kopf zu bewahren, liefen die meisten seiner Mitspieler im negativen Sinne oft heiß und trafen die falschen Entscheidungen. Vor dem eigenen Tor. Und vor dem gegnerischen. Sinnbildlich dafür stand die Szene mit Ibisevic’ Sturmpartner Timo Werner (17), der in Wolfsburg den Ausgleich zum 2:2 verpasste, als er allein aufs Tor zulief und zu spät schoss. Trainer Thomas Schneider wollte in diesem Zusammenhang von Naivität und fehlender Kaltschnäuzigkeit aber nichts wissen. Er nahm Jungspund Werner und auch Abwehrmann Sakai nach dessen Patzer in Schutz. „Das hat nur mit fehlender Erfahrung zu tun“, sagte der Coach.

Die Ausbeute gegen die Großen: Der VfB ist Tabellenzehnter. Und hat in der Vorrunde alle Spiele gegen jene Teams verloren, die vor ihm platziert sind. „Wir müssen in der Rückrunde unbedingt häufiger gegen diese Mannschaften punkten“, sagte Christian Gentner. Ob das allerdings gelingen wird, ist zumindest fraglich. Denn gegen die Großen entscheiden meist Kleinigkeiten das Spiel. Ein guter Auftritt reicht nicht für den Erfolg – es kommt darauf an, in den entscheidenden Momenten hellwach und konzentriert zu sein. Ansonsten setzt es wie in Wolfsburg trotz eines starken Auftritts eine Niederlage. „Es gibt fast keine Mannschaft, die über 90 Minuten konstant gut spielt“, sagte Thomas Schneider dazu. Die Topteams aber, und das ist der Unterschied zum VfB, sind da, wenn es darauf ankommt. Sie nutzen Fehler eiskalt aus und lassen hinten nichts zu. Davon ist der VfB weit entfernt.

An diesem Donnerstag verabschieden sich die Profis nach einigen Leistungstests und regenerativen Trainingseinheiten in den Weihnachtsurlaub – am 3. Januar fällt dann beim Trainingsauftakt der Startschuss für eine Rückrunde, die um einiges erfolgreicher werden soll als die Hinrunde. Trotz der zahlreichen Mängel sagt Christian Gentner, „dass es bei uns in die richtige Richtung geht“. Wer den spielerisch und kämpferisch starken Auftritt in der zweiten Hälfte beim VfL Wolfsburg gesehen hat, mag dem Kapitän da recht geben.

Wie schon eine Woche zuvor gegen Hannover 96 (4:2) spielte der VfB im 4-4-2-System und bewies damit seine taktische Flexibilität. Mit den beiden Spitzen Werner und Ibisevic ist der VfB präsenter und gefährlicher in der gegnerischen Hälfte. Zuvor hatte Schneider sein Team noch in der 4-2-3-1-Formation ins Rennen geschickt.

Zudem ist es schon jetzt eine Freude, den Jungprofis Timo Werner und Antonio Rüdiger beim Kicken zuzuschauen. Die beiden machen längst nicht alles richtig, was in ihrem Alter nur normal ist. Aber sie sind mutig, sprühen vor Tatendrang und entwickeln sich zu Eckpfeilern im Team. Andere Jungprofis wie Rani Khedira drängen ebenfalls in die Mannschaft. Und wer Schneider kennt, der weiß, dass er den Weg mit seinen Jungs aus der eigenen Jugend weitergehen wird. So kann der VfB im neuen Jahr vorwärtskommen – wenn er es schafft, die Mängel nach und nach abzustellen.