Nach dem 2:6-Debakel in Bremen herrscht beim VfB Stuttgart Untergangsstimmung. Doch noch klammert sich der Fußball-Bundesligist an die Resthoffnung, gegen Mainz gewinnen zu können.
Bremen - Um 23.12 Uhr fuhr der Bus los in die Bremer Nacht. Endlich. Denn die Fußballer des VfB Stuttgart hatten sich nichts sehnlicher gewünscht, als diesen verdammten Ort zu verlassen. So schnell wie nur möglich. 2:6 hatten sie kurz zuvor gegen Werder Bremen das Kellerduell verloren und dabei nicht nur all ihre Defensivschwächen offenbart, sondern ebenso ihren wahren Charakter gezeigt.
Es würde zwar zu weit führen, den VfB als eine Anhäufung von Charakterlosen zu bezeichnen. Das ist der VfB zweifelsfrei nicht, aber er ist eben auch keine Mannschaft mehr. Zumindest waren die Stuttgarter als eine solche im Weserstadion nicht mehr wahrnehmbar. Von Anfang an demonstrierten sie keine wilde Entschlossenheit und zerfielen letztlich in ihre Einzelteile.
Die zweite Liga ist so nah wie selten
Das war der große Unterschied in Bremen: hier eine Elf, die bereit war, alles zu geben, um ihre spielerischen Mängel zu übertünchen. Dort eine Elf, die bereit war, mal zu schauen, wie es denn so läuft im Abstiegskampf, und mal das Füßchen dezent hineinstreckt. Und da die sogenannten Mentalitätsmonster nicht in den Trikots mit dem Brustring steckten, hängt jetzt der ganze Club am Abgrund. Die zweite Liga ist so nah wie selten seit dem Abstieg 1975, und der Montagabend als berühmt-berüchtigtes Symbol der Zweitklassigkeit hat sich für viele VfB-Fans und -Sympathisanten auch schon so angefühlt.
So wurde der Mannschaftsbus nicht nur von der Polizei zum Flughafen eskortiert, sondern er schlängelte sich zunächst durch ein Spalier der Enttäuschten. Viele Anhänger waren es nicht, die am Marathontor standen, aber sie riefen ihren Lieblingen ein paar unflätige Worte hinterher und sprachen aus, was alle denken: Was jetzt?
Die Blicke sind leer
Die Antwort fällt schwer, denn die Sätze der Schwaben klingen hohl, und die Blicke sind nach der Demütigung von der Weser leer. Auch bei Robin Dutt, einem ansonsten wortgewandten Mann. Doch der Manager kennt erst einmal keinen Weg aus der Sackgasse. Außer: „Wir können nicht auf die Spieler einhauen. Wir müssen sie aufrichten. Es sind die einzigen, die wir haben.“ Dutt redet auch davon, „das Unmögliche möglich zu machen“ und „dass die Spieler jetzt über sich hinauswachsen müssen“.
Der Trainer Jürgen Kramny weiß auch nur eines: „Die Niederlage aufarbeiten, wieder aufstehen – und Mainz schlagen.“ An ihm macht Dutt die Krise jedoch nicht fest. „Er lebt die Mentalität und das Herzblut vor, die wir brauchen“, sagt der Manager. Doch Kramnys einfache Mittel und Maßnahmen, die der Mannschaft nach der Trennung von Alexander Zorniger gutgetan haben, greifen nicht mehr. Der 44-jährige Ludwigsburger bekommt die Ohnmacht eines Trainers am Spielfeldrand zu spüren, und für die Spieler hat sich die Eigendynamik des Erfolgs zum Rückrundenstart in die Eigendynamik des Misserfolgs zum Saisonendspurt verwandelt.
Die Folge: fünf Niederlagen in den vergangenen sechs Spielen. Und schlimmer noch: Der Glaube, überhaupt noch eines der verbleibenden zwei Bundesligaspiele gewinnen zu können, ist rund um den Wasen geschrumpft. Es herrscht Untergangsstimmung. Auch wenn die Faktenlage hergibt, dass der Tabellenvorletzte bei Siegen gegen den FSV Mainz 05 und beim VfL Wolfsburg zumindest den Relegationsplatz erreicht. „Wir brauchen jetzt aber gar nicht so groß rechnen, wir müssen die Mannschaft wieder auf Vordermann bringen“, sagt Dutt.
Der Mallorca-Effekt ist verpufft
Ohne große Sonderaktionen wie ein Kurztrainingslager soll das diesmal gehen. Weil der erhoffte Effekt einer teamstärkenden Maßnahme auf Mallorca im Norden der Republik völlig verpufft ist. „Wir haben es jedoch aus Überzeugung gemacht“, sagt Kramny, „aber wer gewinnt, hat alles richtig gemacht, und wer verliert, eben nicht.“
Eines hat der VfB im Rückblick auf jeden Fall falsch gemacht. Er hat sich zu früh auf der sicheren Seite gewähnt. Im März war das, als einige Spieler und Vereinsmitarbeiter nach einer Siegesserie bereits wieder mit einer Europapokalteilnahme liebäugelten. Und nun könnte diese Illusion in der zweiten Liga enden, wenn es den Stuttgartern nicht mehr gelingt, die nötige Spannung aufzubauen und zu emotionalisieren: die Spieler, aber auch das Publikum.
„Wir brauchen den totalen Schulterschluss zwischen Mannschaft und Fans“, sagt Dutt. Ähnlich wie es Werder jetzt demonstriert hat – und der VfB vor einem Jahr. Da war es der drittletzte Spieltag, als die Stuttgarter gegen Mainz gewannen und die Abwärtsspirale durchbrachen. So viel Zeit bleibt ihnen nun aber nicht mehr.