Der Stuttgarter Gaskessel ist in der Nacht zum Samstag zur riesigen leuchtenden Litfaßsäule geworden. Foto: Jürgen Brand

In einer nächtlichen und weithin leuchtenden Werbeaktion wird der VfB Stuttgart als neuer Tabellenführer der Fußball-Bundesliga gegrüßt.

Ab und zu ist Stuttgart für Überraschungen gut. Am späten Freitagabend wurde der Gaskessel in Stuttgart-Ost zum wohl begehrtesten Fotomotiv der Stadt. Und zur vermutlich größten Litfaßsäule Deutschlands, wenn nicht der Welt. Gerade hatte der VfB Stuttgart sein Heimspiel gegen Darmstadt mit 3:1 gewonnen, tausende Fans strömten über die Gaisburger Brücke Richtung Stadtbahn oder nach Hause – da strahlte ihnen der um diese Zeit sonst eher nachtgraue Gaskessel entgegen. „Wir gratulieren zur Tabellenführung“ war dort riesig zu lesen, unter dem Wulle-Werbelogo.

 

„Das muss ich jetzt auch fotografieren“, war auf der Brücke immer wieder zu hören, Handys wurden gezückt. „Wow, wie cool ist das denn“, entfuhr es so manchem – und so freute man sich noch mehr über den Sieg. Ähnlich dürfte es so manchen Autofahrern und ihren Mitfahrern gegangen sein, ganz sicher natürlich, an Fahren war im Dauerstau auf der Gaisburger Brücke, der Talstraße und der Bundesstraße sowieso nicht zu denken. Trotzdem dürfte spannend sein, was die Straßenverkehrsbehörden zu der Aktion sagen. Bei Werbemaßnahmen an Straßen, die womöglich die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen könnten, sind sie meistens eher restriktiv.

Gaskessel seit August 2021 stillgelegt

Der Gaskessel, ein unübersehbares Wahrzeichen des Stuttgarter Ostens, wenn nicht auch ein bisschen der Stadt, ist seit August 2021 stillgelegt. Seitdem flackern ab und zu Diskussionen darüber auf, ob und wie eine Nachnutzung aussehen könnte. Ideen gibt es viele: Stromproduktion durch Photovoltaik rundum, Innovations- und Unterhaltungszentrum mit vielfältigen Angeboten. Andernorts werden Gaskessel für Multivisionsschauen innen genutzt. Aber: Der Gaskessel ist auch ein Industriedenkmal und als solches entsprechend vor Umgestaltungen geschützt.

Der Gasometer gehört dem Energieversorgungskonzern EnBW, der bisher noch keine Ideen für eine Nachnutzung des Kessels hat - und der über die nächtliche Aktion auch nicht informiert worden war.

Hinter der Aktion steckt die die Agentur Jung von Matt/Neckar, die gerne mit solchen sogenannten “Guerilla-Projekten” auf sich und vor allem auf die Produkte ihrer Auftraggeber, in dem Fall die Stuttgarter Familienbrauerei Dinkelacker, aufmerksam macht. Die Idee dafür hatte der Geschäftsleiter Kreation der Agentur, Sven Kratzsch.

Spontane Aktion zum VfB-Heimspiel

Es sei eine relativ spontane Aktion gewesen, sagt er am Telefon. Der Volksfest-Auftakt und das Heimspiel des VfB hätten sich dafür angeboten, die immer weiter fortgeschrittene Beamer-Technik mache es möglich, aus relativ großer Entfernung - der Beamer stand auf der anderen Seite des Neckars - eine so große Fläche zu bespielen. Insgesamt diente der Gaskessel in der Nacht rund eine Stunde lang als Projektionsfläche. Start war kurz nach Abpfiff des Spiels, also gegen 22.30 Uhr. Eine Stunde später war auch der Kessel wieder dunkel.

Die Nutzung als überdimensionale und weithin sichtbare nächtliche Liftfaßsäule wird mit Sicherheit nicht jedem Gefallen - und Auftakt zu neuen Diskussionsrunden sein. Man darf gespannt sein, was sich daraus entwickelt. Ein Hingucker war es auf jeden Fall - und viele VfB-Fans fanden es richtig gut.