Christian Gentner, Daniel Didavi, Filip Kostic, Daniel Schwaab (v. li.): Wer übernimmt die Führung? Foto: Getty

Im Spiel bei Werder Bremen ist für den VfB am kommenden Montag (20.15 Uhr/Sky) ein Sieg Pflicht, um den Abstieg aus der Bundesliga abzuwenden. Nur: Wer geht voran, wer reißt die Mannschaft mit?

Stuttgart - Die Suche nach Führungsspielern fällt beim VfB generell schwer, diesmal besonders. Der Kreis der Kandidaten ist erschreckend klein - aus diversen Gründen.

Der Kapitän: Christian Gentner liebt leise Töne

Es muss schon einiges zusammenkommen, bevor es Christian Gentner (30) mal so richtig krachen lässt. Nach dem 0:1 beim FC Augsburg war es soweit. Da faltete der Kapitän die Mannschaft und einzelne Spieler, ohne sie namentlich anzusprechen, zusammen. Laut, deutlich und für alle vernehmbar. „Das kommt bei mir sehr gut an“, sagte Sportvorstand Robin Dutt. Wer wollte, konnte ein „endlich“ heraushören. Denn die Rolle, die Gentner als Kapitän zusteht, füllt er selten so aus, dass er tiefe Spuren oder gar einen tiefen Eindruck hinterlässt. Gentner mag es leise. Neben, aber auch auf dem Platz. Zuweilen fällt er in seinem Terrain im Mittelfeld kaum auf, was nicht gegen seine Qualität spricht – er dient dem VfB eben auf seine Art. Allerdings ist Gentner inzwischen das Gesicht der VfB-Dauerkrise. Egal, unter welchem Trainer und mit welchem Kader: Es wird nicht besser – was dem Vertrauen in seine Führungsqualitäten nicht gerade zuträglich ist.

Der Abgänger: Daniel Didavi sucht seine Form und seine Rolle

Er hat lange an seiner Entscheidung getragen, und er hat schwer an ihr getragen, sehr schwer. Jetzt ist es raus: Daniel Didavi (26) wechselt in diesem Sommer zum Ligarivalen VfL Wolfsburg – nach insgesamt 17 Jahren beim VfB. „Es ist gut, dass jetzt alle Bescheid wissen“, sagte er bei der Verkündung seines Transfers, „das Thema hat mich zuletzt belastet. Jetzt will ich allen zeigen, dass ich wieder der alte Didavi bin.“ Sagen wir so: Es ist seither mehrheitlich beim guten Vorsatz geblieben. Didavi sucht weiter nach seiner Form und seiner Rolle, und womöglich war es kein Zufall, dass der Abwärtstrend des VfB in der Phase einsetzte, als sein kreativer Kopf selbst in einer schweren Schaffenskrise steckte. Daniel Didavi vorzuhalten, er sei in Gedanken womöglich schon bei den Wölfen, wäre billig und würde ihm nicht gerecht. Halten wir uns also an die Zahlen. Seit er im Februar zwei Sperren absitzen musste, hat der VfB in acht Bundesligaspielen gerade mal fünf Punkte geholt und Daniel Didavi selbst nur zwei Tore erzielt – verglichen mit neun Treffern und neun Torvorlagen aus 19 Partien zuvor. Zugegeben, mit dieser Quote hat der gebürtige Nürtinger den VfB Stuttgart und seine Fans verwöhnt. Im gleichen Maße hinkt er nun aber den Erwartungen hinterher.

Die Verletzten: Daniel Ginczek, Serey Dié, Kevin Großkreutz

Wir haben keinen Daniel Ginczek“, sagt Trainer Jürgen Kramny, „deshalb müssen wir das Problem aus der Mannschaft heraus lösen.“ Dummerweise hat der VfB zurzeit auch keinen Serey Dié und keinen Kevin Großkreutz. Alle drei bringen von ihrem Typus her die Qualitäten eines Führungsspielers mit, doch alle drei sind verletzt – bis zum Saisonende oder darüber hinaus. Da alle drei in verschiedenen Mannschaftsteilen spielen (Ginczek im Sturm, Dié im defensiven Mittelfeld, Großkreutz in der Abwehr), fällt ihr Fehlen als Stabilisatoren und Antreiber flächendeckend ins Gewicht. „Auf der Tribüne ist es kaum auszuhalten“, sagt Daniel Ginczek, „da kannst du nicht eingreifen. Ich würde der Mannschaft gerne aktiv helfen.“ Der Torjäger hat seinen Mitspielern angeboten, sich jederzeit Tipps von ihm zu holen, doch das bringt die Mannschaft kaum weiter. Ginczeks Wucht und Durchsetzungsvermögen eignet sich sein Vertreter Timo Werner so nicht an. Genauso wenig überträgt das Mentalitätsmonster Dié seine Gene auf Lukas Rupp. Und Großkreutz ist eben Großkreutz – nicht zuletzt deshalb, weil er seinem Gegenspieler auch mal auf wenig zimperliche Art den Schneid abkauft.

Die Erfahrenen: Martin Harnik, Georg Niedermeier, Florian Klein

Sie bringen die Erfahrung aus 791 Bundes- und Erstligaspielen plus zahlreichen Länder- und Europapokalspielen mit. Georg Niedermeier (30), Daniel Schwaab (27), Martin Harnik (28) und Florian Klein (29) dürfte so schnell nichts umwerfen. Tut es aber doch immer wieder. Niedermeier etwa geht stramm voran, defensiv leistet er sich als Chef einer Abwehr mit 63 Gegentoren aber den einen oder anderen Patzer zu viel. Weil Federico Barba gegen Dortmund neue Impulse setzen sollte, musste ausgerechnet der Münchner auf die Bank – unersetzbar geht anders. Auch Schwaab ist kein Muster an Zuverlässigkeit, Harnik war zuletzt häufig verletzt oder krank. Die Verträge des Trios enden im Juni. Nicht ohne Grund zögert der VfB zumindest bei Niedermeier und Schwaab, sie mit attraktiven Angeboten zur Verlängerung zu bewegen. An Klein können sich die Mitspieler noch weniger aufrichten, im Gegenteil: Gegen Dortmund verlor der Verteidiger in der gegnerischen Hälfte den Ball, ließ seinen Gegenspieler laufen und das Tor zum 0:3 vorbereiten. „Ich muss nicht jede Entscheidung des Trainers verstehen“, knurrte er neulich, als ihn Jürgen Kramny auf die Bank setzte. Dabei ist es doch so einfach.