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Das Team des VfB Stuttgart lernt nach und nach, mit der Belastung umzugehen, der Grat bleibt aber schmal. Bis Weihnachten stehen noch vier Spiele auf dem Programm.

Fürth - Zwei bescheidene Auftritte gegen die Schlusslichter der Liga – man könnte meinen, der VfB Stuttgart befindet sich auf dem spielerischen Rückzug. Aber: Zwei Siege in Folge sprechen für eine Weiterentwicklung der Mannschaft. Wo also liegt die Wahrheit? Irgendwo zwischen Erfolg und Erschöpfung.

Bis zum Silvesterabend sind es noch ein paar Tage hin, doch Mike Büskens fühlte sich bereits am vergangenen Samstagnachmittag an einen Klassiker zum Jahreswechsel erinnert: an „Dinner for one“. An „the same procedure“. An immer die alte Leier – weil seine Mannschaft, die Spielvereinigung Greuther Fürth, auch gegen den VfB Stuttgart mal wieder viel investierte, aber nichts herauszog an Zählbarem. „Vielleicht“, sinnierte also Trainer Büskens, „sollte ich mich mal wegschütten wie der Butler.“

Der Butler in „Dinner for one“ ist am Ende des Sketches ordentlich bedudelt, Mike Büskens wird die Lage eher nüchtern aufarbeiten. Dass sie ernst ist für den Aufsteiger, daran besteht kein Zweifel, und warum sie so ernst ist, das klärte Mike Büskens im Gespräch mit Bruno Labbadia.

Schon länger bewusst, wie riskant es ist, in einzelnen Situationen nachzulassen

Der Stuttgarter Trainer stand nach der Partie seines VfB in Fürth lange mit seinem Kollegen zusammen, sie redeten, nickten immer wieder mit dem Kopf, und wenig später gewährte Labbadia Einblicke. „Mike hat gesagt: Die Liga ist gnadenlos.“

Für den Aufsteiger, der bislang lediglich acht Punkte gesammelt hat, ist das die wichtigste und zugleich bitterste Erkenntnis der laufenden Saison. Bruno Labbadia und seinen Profis ist schon länger bewusst, wie riskant es ist, in einzelnen Situationen nachzulassen. Auch der VfB hat negative Erfahrungen gemacht – und versucht dennoch immer wieder, auch mit weniger Aufwand zum Erfolg zu kommen. So wie am Samstag.

Dem mühevollen 2:1-Sieg gegen den FC Augsburg folgte ein 1:0-Erfolg bei der SpVgg Greuther Fürth, den der VfB erreicht hatte, obwohl er nach der Roten Karte gegen Serdar Tasci über eine halbe Stunde lang in Unterzahl spielen musste. Obwohl die Erschöpfung nach einer Hinserie mit bislang 24 Spielen derzeit sichtbar Kopf und Beine ein wenig lähmt. Und obwohl der Gegner gerade in Sachen Laufbereitschaft und Kampfgeist den Roten alles entgegenwarf, was er hatte. Entsprechend zufrieden war hinterher Bruno Labbadia, der sich zunächst über das Nachsetzen von Shinji Okazaki nach Vedad Ibisevics verschossenem Elfmeter freute („Er stand in der Luft wie ein kleiner Hubschrauber“), und dann von einem „extrem wichtigen Sieg“ sprach. „Je mehr solche Spiele wir haben, umso besser funktioniert es“, sagte der Coach und schob gleich nach, was er damit meinte: „Wir wollten ein Stück weit abgezockt spielen.“

„Es gibt eben Phasen, da ist man vom Kopf her müde“

Das klingt gut und einfach – ist aber eine hohe Kunst, die der FC Bayern einst perfektionierte, sich der VfB aber nur langsam aneignet. Es geht darum, gerade einmal so viel Aufwand zu treiben, wie für ein positives Ergebnis nötig ist. Personal zu schonen, ohne aus dem Rhythmus zu kommen. „Ruhiger zu spielen, ohne nachzulassen“ (Labbadia). Beim 2:4 gegen Hannover 96 ging es schief – der VfB ließ nach gutem Start zu sehr locker. Beim 0:3 in Freiburg fiel Labbadias Team ebenfalls unter die Toleranzgrenze, was sich Sportdirektor Fredi Bobic folgendermaßen erklärt: „Es gibt eben Phasen, da ist man vom Kopf her müde.“ Nun aber ging es zweimal gut, weshalb der VfB mit nun 22 Punkten in der Tabelle nach oben kletterte – und diese Zwischenbilanz ebenfalls als Beweis der Weiterentwicklung sieht.

„Wir haben ebenso viele Punkte wie in der vergangenen Saison nach 15 Spieltagen“, sagte Labbadia, der sein Team in Fürth ganz bewusst defensiver agieren ließ und die veränderten Rahmenbedingungen im Vergleich zum Vorjahr betonte: „Wir haben einen kleineren Kader, mehr Spiele und hatten einen schlechten Start.“ Einen Schritt weiter wähnt der Coach daher sein Team, weil es „ein dreckiges Spiel jetzt auch mal gewonnen“ hat. Für Torhüter Sven Ulreich war es ein Zeichen, „dass wir mit den englischen Wochen immer besser zurechtkommen“. Was positiv ist, da die nächste schon folgt – und zwar unter verschärften Bedingungen.

Am Donnerstag (19 Uhr) empfängt der VfB im letzten und entscheidenden Gruppenspiel der Europa League Molde FK, schon am Samstag (15.30 Uhr) wird das Heimspiel gegen Schalke 04 angepfiffen. Bis Dienstagnachmittag dürfen die Profis deshalb ein wenig entspannen, was ein ganz neues Gefühl sein dürfte – also alles andere als die immer alte Leier.