Auch in Dortmund ging es in der Defensive des VfB Stuttgart drunter und drüber Foto: dpa

Neuer Trainer, neue Ausrichtung – doch am Ende das alte Leid: Zum dritten Mal hintereinander hat der VfB Stuttgart vier Gegentore kassiert. Gegen Borussia Dortmund mündeten die Defensivschwächen in einer 1:4-Niederlage – und der Frage: Gibt es überhaupt einen Trainer, der die Probleme lösen kann?

Dortmund - Die Erkenntnis des Abends war keine Neuigkeit – allerdings eine Bestätigung. „Es ist kein Wunschkonzert“, sagte Jürgen Kramny, als er im sich leerenden Stadion zu Dortmund stand und erstmals über eine Bundesligapartie Auskunft geben sollte, die er als verantwortlicher Trainer des VfB Stuttgart miterlebt hatte. Es windete, es regnete – und wenn man so will, dann passten diese Bedingungen zum Ergebnis aus Sicht des Interimstrainers: 1:4.

Nun wirkte Kramny, der bis zum Rauswurf von Alexander Zorniger am Dienstag die zweite Mannschaft des VfB betreut hatte, nicht wirklich wie ein begossener Pudel nach seiner Bundesligapremiere. Klar war aber auch: Mit seinen Vorstellungen hatte das von seiner Truppe Dargebotene recht wenig gemein. „Ich habe versucht, der Mannschaft Stabilität zu geben“, beschrieb der 44-Jährige die Arbeit der vergangenen Tage. Die vier Gegentreffer belegen, dass der Bedarf an ebenjener Arbeit noch lange nicht gedeckt ist. Wenn es denn überhaupt möglich ist, diese grundsätzliche Schwäche dieser Mannschaft kurzfristig zu beheben.

0:4, 0:4, 1:4 – zwölf Gegentore hat sich der VfB in den vergangenen drei Spielen eingefangen. Am Sonntagabend in Dortmund trotz einer runderneuerten Ausrichtung der Spielweise. Das Team stand deutlich tiefer als zuletzt, doch Mittelfeldspieler Daniel Didavi schimpfte hinterher: „Wenn jeder Pass in die Tiefe gefährlich wird . . .“ Er beendete den Satz nicht, meinte aber noch: „Jetzt haben wir 35 Gegentore – das ist frustrierend.“

Jürgen Kramny wollte dem VfB „Kompaktheit“ vermitteln

Dabei war „Kompaktheit“ Kramnys oberstes Ziel gewesen – doch nach nicht einmal drei Minuten hebelten die Schwarz-Gelben die Roten ohne große Mühe aus.

Sieben Ballkontakte vom eigenen Strafraum bis zum VfB-Tor, schon stand es 1:0 für die Gastgeber, nachdem Gonzalo Castro der Ball nach einer Abwehraktion von Keeper Przemyslaw Tyton auf den Kopf und von dort ins Tor gesprungen war. Beim 2:0 hatte Pierre-Emerick Aubameyang so viel Platz, wie er ihn nicht haben darf, wenn man den Stürmer am Toreschießen hindern will – und so waren die VfB-Pläne nach 19 Minuten erst mal dahin. Was folgte, war die positive Seite des Nachmittags aus Stuttgarter Sicht.

Im Gegensatz zur Partie gegen den FC Augsburg (0:4) fiel das Team nicht in sich zusammen. „Wir haben eine Reaktion gezeigt“, sagte Kramny, dessen Truppe auf Konter lauerte. „Die Mannschaft stand nach den frühen Gegentoren auf dem Prüfstand“, ergänzte Sportvorstand Robin Dutt und stellte fest: „Sie hat sich gewehrt.“ Mehr als der Anschlusstreffer durch Daniel Didavi in der 40. Minute war aber nicht drin.

In Halbzeit zwei (BVB-Coach Thomas Tuchel: „Die war besonders stark“) fand nämlich die Borussia endgültig ihre Souveränität wieder, ließ keinen einzigen Torschuss des VfB mehr zu und kam trotz tief stehenden Stuttgartern zu mehreren Großchancen – und zwei weiteren Treffern. Den einen besorgte VfB-Verteidiger Georg Niedermeier unglücklich per Eigentor, kurz vor dem Abpfiff war Timo Baumgartl kein ernst zu nehmender Gegenpart zu Aubameyang. „Der BVB ist nicht gerade der Paradegegner für ein Comeback eines Vereins“, befand hinterher Robin Dutt. Ist es denn Werder Bremen?

Das Heimspiel gegen Bremen: Ein Endspiel?

Am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) kommt es in der Mercedes-Benz-Arena zum Duell der Kellerkinder. „Ich will das Spiel nicht kleinreden“, sagte Dutt, „aber die Saison wird da nicht entschieden.“ Stürmer Timo Werner dagegen meinte: „Das wird ein Endspiel.“ Wohl auch für Jürgen Kramny.

Robin Dutt wehrte sich in der Trainerfrage zwar gegen jeglichen Zeitdruck, muss aber bald entscheiden, wohin die Reise geht. Wartet er auf eine mögliche Zusage von Wunschkandidat Lucien Favre? Sieht er sich nach der Partie gegen Werder gezwungen, schnellstmöglich einen Trainer zu installieren? Oder traut er Jürgen Kramny doch mehr zu? Und: Wer kann dieser Mannschaft überhaupt Halt geben? So oder so muss der aktuelle Coach mit der Unsicherheit leben. „Was aus Interimslösungen wird, muss die Zeit zeigen“, sagte Kramny – und hat immerhin einen prominenten Fürsprecher: BVB-Trainer Thomas Tuchel, der den Kollegen aus gemeinsamen Mainzer Zeiten kennt.

„Ab jetzt“, sagte der Sieger vom Sonntag, „kann er es gerne packen.“ In Stuttgart hätte niemand was dagegen.