Timo Werner: Seit 2002 spielt der heute 18-Jährige beim VfB Stuttgart Foto: Baumann

VfB-Jungstar Timo Werner spricht im großen StN-Exklusiv-Interview über den Kampf gegen den Abstieg, sein Abitur und seine Popularität bei den Fans.

VfB-Jungstar Timo Werner spricht im großen StN-Exklusiv-Interview über den Kampf gegen den Abstieg, sein Abitur und seine Popularität bei den Fans.

Abitur, Führerschein, erster Profivertrag – es passiert derzeit einiges in Ihrem Leben. Dazu noch der Kampf gegen den Abstieg mit dem VfB. Was ist das Aufregendste, Herr Werner?
Das Abitur hatte natürlich Vorrang. Aber ich habe versucht, mich außerhalb des Klassenzimmers so gut es ging auf den Fußball zu konzentrieren, gerade auch in unserer schwierigen Situation.
Hätten Sie sich für Ihren Durchbruch als Fußballprofi eine etwas ruhigere Spielzeit mit dem VfB gewünscht?
Ich habe in meiner ersten Saison bislang schon vieles erlebt, was man im Fußball erleben kann – auf und neben dem Platz. Ich stand oft in der Startelf, saß aber auch schon 90 Minuten auf der Bank. Am Anfang war die Europa League, dann kamen die Trainerwechsel, jetzt der Kampf gegen den Abstieg. Ich finde aber, dass so eine harte Schule gut für mich ist. Wahrscheinlich profitiere ich davon in meiner weiteren Laufbahn, weil ich dann auf so etwas vorbereitet bin.
Geht dabei bei einem jungen Spieler nicht auch ein bisschen die Unbekümmertheit verloren?
Nein, gar nicht. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich auf dem Platz stehen darf. Und dann versuche ich, so gut wie möglich zu spielen. Ich will dem Team helfen, und das auch in den kommenden Jahren.
In der ersten Liga?
Natürlich. Ich habe keine Zweifel, dass wir den Klassenverbleib schaffen. Wir sind als Mannschaft absolut geschlossen und werden das nicht zulassen. Ein Abstieg ist ja für jeden einzelnen Spieler – egal, ob er nächstes Jahr noch hier ist oder nicht –, ein Brandmal, das es zu vermeiden gilt. Das will niemand auf seinem Karrierebogen stehen haben.
Ihr neuer Vertrag gilt aber auch für die zweite Liga. Erfüllen Sie ihn auch, falls das Unvorstellbare doch passiert?
Ich werde hier bleiben, egal ob in der ersten oder zweiten Liga. Die Bundesliga ist natürlich eine größere Herausforderung, bei der ich noch mehr lernen kann. Aber in der zweiten Liga würde ich ja sogar noch häufiger spielen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich beklage mich jetzt nicht über meine Einsatzzeiten. Ich hab bislang 26 Bundesligaspiele gemacht, 15 davon von Anfang an. Und das in meiner ersten Saison, das ist krass.
Ex-Trainer Thomas Schneider hat allerdings deutlich mehr auf junge Spieler wie Sie gesetzt als der neue Coach Huub Stevens. Zuletzt waren eher Ihre Jokerqualitäten gefragt.
Das ist vollkommen okay. Gerade in meiner ersten Saison kann ich doch keine Ansprüche stellen. Ich weiß, um was es geht. Der Klassenverbleib ist viel wichtiger als jede Meisterschaft. Ein Abstieg wäre ein riesiger Einschnitt für den Verein. Da ist es mir egal, ob ich zehn Spiele auf der Bank sitze – so lange ich nächstes Jahr wieder erste Liga spielen darf.
Fühlen Sie sich anders, seit Sie Profi sind?
Spiele werden nicht auf dem Papier entschieden, sondern auf dem Platz. Wenn einer gut ist, ist es egal, ob auf dem Vertrag Profi oder Amateur steht. Natürlich ist es etwas Schönes, wenn man auf dem Papier ein Profi ist. Aber geändert hat sich nicht viel.
Das Guthaben auf Ihrem Konto vielleicht?
(schmunzelt) Ja, da merkt man einen kleinen Unterschied. Das freut mich, klar. Aber ich bin in einem Alter, in dem man nicht wegen des Geldes spielt, sondern weil man Fußball spielen will.
Haben Sie sich zum bestandenen Führerschein schon ein Auto gegönnt, oder fahren Sie immer noch mit Bus und Bahn?
Ich habe mir ein Mercedes-Coupé gekauft. Aber mit kleinem Motor, damit ich keinen Unfall baue. In die Stadt fahre ich trotzdem eher mit der Bahn. Ich habe festgestellt, dass Parken in Stuttgart sehr teuer ist. In die Schule nehme ich aber das Auto, das geht schneller.
So lange müssen Sie ja nicht mehr hin.
Ich mache drei Kreuze, wenn ich das Abi in der Tasche habe. Dieser Abschluss ist mir sehr wichtig – auch weil meine Eltern viel dazu beigetragen haben, dass ich ihn immer im Auge behalte. Sie haben viel Wert darauf gelegt, dass ich eher mal auf drei, vier Spiele verzichte, damit ich es auch schaffe.
Was würden Sie jetzt machen, wenn Sie nicht mit so viel Fußballtalent gesegnet wären?
Darüber habe ich mir ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht. Aber ich bin sehr froh, dass mir die ganzen Vorstellungsgespräche erspart bleiben. Ich sehe bei meinen Klassenkameraden, was für eine Riesenarbeit das ist. Viele wissen ja auch noch nicht, was sie machen sollen. Von daher ist es eine Riesenerleichterung, dass ich schon ein bisschen weiß, in welche Richtung es geht. Dass ich zumindest für vier Jahre Fußball spielen darf. Gut, auf ein Auslandsjahr wie es einige meiner Freunde planen, muss ich dafür eben verzichten (lacht).
Das kann ja noch kommen.
Wer weiß. Aber sehr viel später.
Die VfB-Fans wären glücklich, wenn Sie dem Verein noch lange erhalten bleiben. Sie sind in kürzester Zeit zum Publikumsliebling avanciert. Wie erleben Sie Ihre neue Popularität?
Ich werde schon öfters erkannt, manche sagen: „Du bist unser Junge.“ Oder: „Danke, dass du bei uns bleibst.“ Ich glaube, die Fans merken, dass ich einer von ihnen bin. Ich komme aus Stuttgart, so wie die ganze Kurve. Ich bin jetzt zehn Jahre beim VfB und freue mich, wenn ich dem Verein etwas Gutes tun kann. Ich glaube, das würdigen die Fans auch. Ich bin stolz darauf, dass sie mich so akzeptieren.
Ihr Offensivkollege Vedad Ibisevic hat bei den Fans dagegen derzeit keinen leichten Stand, er wurde zuletzt sogar ausgepfiffen. Können Sie die Kritik verstehen?
Nein, Vedo hat schon so viel Gutes getan für den Verein. Aber er kann mit der Kritik umgehen. Und ich bin mir sicher: Vedo wird bald wieder Tore schießen.
Wie wichtig ist er für Sie?
Vedo ist schon so lange Profi. Er hat eine immense Erfahrung, von der ich mir eine Scheibe abschneiden kann. Er zeigt mir Sachen, die ich verbessern kann. Ich schaue mir viel ab, auch von anderen Führungsspielern. Auch außerhalb des Platzes, wie sie sich vorbereiten, sich verhalten.
Gegen Gladbach muss am Samstag ein Erfolgserlebnis her. Was erwarten Sie von der Partie?
Wir haben uns gegen so starke Mannschaften eigentlich immer gut präsentiert. Auch im Heimspiel gegen Gladbach waren wir lange auf Augenhöhe, dann hat die individuelle Klasse der Borussen das Spiel entschieden. Wenn wir am Samstag gut spielen, gut nach hinten arbeiten, vielleicht den einen oder anderen Konter fahren, dann können wir das Spiel gewinnen. Aber wir müssen alles geben – wie immer.
Der VfB hat das viel zitierte schwerste Restprogramm aller sechs Abstiegskandidaten. Wenn Sie sich gegen die stärkeren Clubs leichter tut, dann ist das doch ein Vorteil, oder?
Das kann man so jetzt nicht sagen. So gut wir gegen Bayern oder Dortmund gespielt haben – wir haben beide Spiele verloren. Für uns muss es jetzt egal sein, gegen wen es geht. Wir brauchen die Punkte, um nicht abzusteigen. Und wir können gegen jeden Gegner, der jetzt noch kommt, gewinnen.
Auch gegen den FC Bayern am letzten Spieltag?
Davon sollten wir jetzt mal nicht ausgehen. Wir sollten sicherheitshalber schon vor dem letzten Spieltag alles klar gemacht haben.