Martin Harnik (Mitte) hat mit Österreich endlich wieder Grund zum Jubeln. Foto: dpa

Lust und Frust lagen bei Martin Harnik schon immer nah beisammen. Insofern dürfte dem glücklosen VfB- und erfolgreichen Austria-Stürmer die aktuelle Situation nicht neu vorkommen.

Wien/Stuttgart - Zwei Meter sind zwei Meter sind zwei Meter. Nicht so für Martin Hanik. Fußballerisch bewegt sich der 28-Jährige ja seit jeher in zwei Welten. Mal Weltklasse, mal Kreisklasse. Nun also die ominösen zwei Meter. Beim 1:4 gegen Eintracht Frankfurt brachte es der Angreifer fertig, den mustergültig aufgelegten Ball aus Nahdistanz senkrecht über die Latte zu semmeln. Eine Chance, die bei wiederholtem Ansehen für jeden Stürmer die Gefahr von Albträumen nach sich zieht. Und nun: Schweden gegen Österreich, die fast identische Situation. Eine scharfe Hereingabe von links, Harnik muss am langen Pfosten nur noch den Fuß hinhalten – auf einmal ein Kinderspiel.

Es war Harniks zweiter Treffer zum 4:0 für Österreich in der EM-Qualifikation in Schweden (Endstand 4:1), was gleichbedeutend war mit der direkten Qualifikation für das Turnier in Frankreich – der ersten für Österreich seit der Heim-EM 2008. Entsprechend euphorisiert traten Austrias Nationalhelden die Heimreise an. Erfolgscoach Marcel Koller, aus der Bundesliga nicht gerade als Feierbiest in Erinnerung, setzte sich bei der Pressekonferenz eine Baskenmütze auf und biss in ein Baguette.

Auf dem Heimflug nach Wien ließ Verbandsboss Leo Windtner die Champagnerkorken knallen. Berauscht von der Sternstunde brüllte er ins Bordmikrofon: „Vive la France“! Derweil Koller und die Seinen eine Polonaise veranstalteten und Sieger-Schals in die Höhe reckten: „Frankreich, wir kommen!“Nach der Landung in Wien nahmen mehrere hundert Fans in Rot-Weiß-Rot die Mannschaft in Empfang, in den Clubs sangen die Fans den Klassiker „Immer wieder Österreich“, ein übermütiger Anhänger tönte: „Deutschland würden wir in der derzeitigen Form besiegen.“ Felix Austria!

„Martin hat der Doppelpack sehr gut getan“

Zwei, die von der Party eher wenig mitbekamen, waren Martin Harnik und Florian Klein. Die beiden VfB-Angestellten landeten direkt in Stuttgart – und damit in der Realität. Fußball-Bundesliga, null Punkte, vorletzter Platz. Stimmungsmäßig derzeit das Anti-Österreich. Klein hofft aber, den Schwung und die Euphorie in die nächsten Spiele, beginnend am Samstag (15.30 Uhr/Sky)bei Hertha BSC, mitzunehmen.„Ich denke schon, dass uns die EM-Qualifikation hilft“, sagte er nach seiner Ankunft. Er sprach damit vor allem für seinen Landsmann. „Martin hat der Doppelpack sehr gut getan, Ich bin guter Dinge, dass er auch bald wieder im VfB-Trikot treffen wird.“ Klein wird nach seiner Gelb-Rot-Sperre in Berlin wohl für Daniel Schwaab auf die rechte Außenverteidigerposition zurück kehren.

Harnik selbst will erst einmal Taten statt Worte sprechen lassen. Nach dem auch für ihn so katastrophalen Frankfurt-Spiel verließ er wortlos das Stadion. Seither ist er auf Tauchstation. In Berlin hofft er auf eine neue Chance. Darauf setzen kann er aber nicht. Mit Robbie Kruse hat VfB-Trainer Alexander Zorniger eine Alternative mehr in der Offensive. Und Sportvorstand Robin Dutt hat bereits anklingen lassen, dass es bei der Hertha zu Änderungen kommen könnte – womöglich auch personell.

Ende September will sich Dutt mit Harnik darüber unterhalten, wie es nach Ablauf der Saison weitergeht. Beide Seite zögern noch. Harnik, weil er weiß, dass er seinen vielleicht letzten großen Vertrag unterzeichnen kann und der VfB, weil er sich nach fünf Jahren Harnik zwischen Weltklasse und Kreisklasse noch nicht im Klaren ist, ob er mit dem beliebten Angreifer verlängern oder ihn ziehen lassen soll. „Konstanz ist das, wodurch sich große Fußballer von eher durchschnittlichen wie mir unterscheiden“, sagte der 28-Jährige kürzlich im Interview mit unserer Zeitung. Keine Frage: Wäre Harnik so torgefährlich wie selbstkritisch, er würde künftig jeden Ball aus zwei Metern versenken.