VfB-Präsident Bernd Wahler im Stadion. Er hat klare Vorstellung, wo es mit dem Verein hingehen soll. Foto: dpa

StN-Interview - VfB-Präsident Bernd Wahler will den Verein endlich weiterentwickeln, warnt aber vor Ungeduld. Dass es zuletzt viel Kritik gab kann er nachvollziehen.

VfB-Präsident Bernd Wahler will den Verein endlich weiterentwickeln, warnt aber vor Ungeduld. Dass es zuletzt viel Kritik gab kann er nachvollziehen.

Stuttgart. - Herr Wahler, vor einem Jahr wurde bei der Mitgliederversammlung Ihre Wahl zum Präsidenten gefeiert. Am Saisonende richtete sich dann der Zorn der Fans gegen Sie und Sportvorstand Fredi Bobic. Ist dieser Konflikt befriedet?
Es ist doch klar, dass man eine solche Saison nicht einfach abhaken konnte. Das Abschneiden war nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten, also haben die verantwortlichen Personen Prügel bezogen. Das ist okay. Und ich stelle mich darauf ein, dass auch am Montag noch Kritik kommt. Gegen sachliche und konstruktive Kritik ist nichts einzuwenden.
Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie einen Vertrauensbonus genossen. Der ist geschmolzen. Sie müssen jetzt Erfolge vorweisen.
Dessen bin ich mir bewusst. Ich bin jetzt zehn Monate im Amt, habe mir nun lange genug alles angeschaut und jetzt eine klare Vorstellung, wie wir den Verein entwickeln wollen. Ich will nicht nur der sein, der Dinge ankündigt, ich will etwas beweisen – gemeinsam mit dem Vorstand, den Mitarbeitern und dem Aufsichtsrat.
Wie viel Wahler steckt mittlerweile im VfB?
Das ist schwer zu sagen. Nach außen sichtbar sind es bislang keine 50 Prozent. Mit unseren Vorhaben zu Markenschärfung und Ausgliederung sowie anderen Plänen kann ich mich hundertprozentig identifizieren. Es gibt noch viele Dinge, in denen wir besser werden müssen.
Die sportliche Bilanz war zuletzt mager – und geht einher mit dem Namen Fredi Bobic. Wie bewerten Sie seine Arbeit?
Der Kader wurde vor der vergangenen Saison für drei Wettbewerbe aufgestellt. Das war richtig. Diese Dreifach-Belastung kam dann aber nicht, und plötzlich haben sich alle aufgeregt, dass Spieler, die wir geholt haben, nur auf der Bank sitzen. Das ist für mich zwar ein Stück weit nachvollziehbar, deshalb sage ich aber nicht: Fredi Bobic macht einen schlechten Job. Ich lasse mich da nicht von der öffentlichen Meinung treiben und sehe beide Seiten.
Welche positiven?
Wir haben zum Beispiel den Vertrag mit Timo Werner verlängert, obwohl der Junge begehrt ist. Wir haben Carlos Gruezo gescoutet und verpflichtet, der Nationalspieler geworden ist und bei der WM dabei war. Und es gibt einige junge Spieler, die wir nachgezogen haben.
Trotzdem: Fredi Bobic ist die Reizfigur im Club.
Klar gibt es Kritik, wenn man 15. wird. Nicht nur von außen, auch aus dem Aufsichtsrat, der den Vorstand ja bestellt. Da geht es auch mal richtig zur Sache, da muss man diskutieren und Leute in die Verantwortung nehmen. Das haben wir gemacht und Konsequenzen gezogen.
Welche?
Wir haben beispielsweise die Verantwortlichkeit beim Thema Jugend und Scouting ganz bewusst wieder getrennt. Da sind wir jetzt – auch durch die Rückkehr von Rainer Adrion – besser aufgestellt. Dazu kam die Verpflichtung von Armin Veh.
Das Volk wartet auch auf die Kracher, die für das Bundesligateam noch kommen sollen.
(Lacht) Ich wurde mal gefragt, ob noch Kracher als Neuzugänge kommen. Darauf habe ich geantwortet: Ein, zwei wären nicht schlecht. Wichtig für uns ist aber vor allem, dass ein neuer Spieler wirklich zu uns passt.
Florian Klein, Daniel Ginczek, Adam Hlousek – das war’s aber noch nicht, oder?
Selbstverständlich haben wir nach wie vor die Augen offen. Aber noch mal: Es muss passen. Nur jemanden zu holen, weil ich gesagt habe, wir holen noch einen Kracher – das wäre ein Fehler.
Aber Sie wollen doch sportlich vorankommen.
Wir wollen qualitativ zulegen, aber es kommt auch auf die Mischung an. Und Armin Veh hat klar gesagt, dass er die Spieler erst mal besser kennenlernen möchte. Nun, da Fredi Bobic aus dem Urlaub zurück ist, sind wir in der Phase, das alles zu bewerten und dann entsprechend zu handeln.
Der VfB scheint auf dem Transfermarkt ins Hintertreffen geraten zu sein. Der Schweizer Valentin Stocker zum Beispiel hat sich gegen den VfB und für Hertha BSC entschieden.
So etwas passiert im Fußball.
Ist es nicht eher ein Trend?
Nein, wir haben nach wie vor die Chance, Spieler in dieser Kategorie zu verpflichten. Wir sind als Verein nicht weniger attraktiv als vor einem Jahr. Im Gegenteil: Durch den neuen Trainer und die Dinge, die wir angeschoben haben, sind wir nach wie vor interessant.
Interessiert es denn einen Spieler, ob Sie als Verein die Marke VfB stärken wollen?
Nicht jeden. Was die Spieler aber auf jeden Fall interessiert, sind Fragen wie: Wo will der Verein hin? Was ist die Perspektive? In welcher finanziellen Lage sind die? Was bietet der Standort?
Künftig womöglich eine VfB AG. Bei der Mitgliederversammlung informieren Sie die Mitglieder zum Thema Ausgliederung der Profikicker . . .
. . . ja, denn wir haben bewusst eine Vorgehensweise gewählt, die auf Transparenz baut. Wir haben keinen Präsidenten, der 100 Millionen übrig hat und die irgendwo unterbringen möchte, sondern ein total transparentes Konstrukt – und das wollen wir kommunizieren. Das so zu machen ist für uns übrigens auch alternativlos.
Ebenso wie der Schritt zur Ausgliederung in eine Aktiengesellschaft?
Auch den halte ich für alternativlos.
Warum?
Weil sich das Fußballgeschäft einfach weiterentwickelt hat und wir in den kommenden Monaten und Jahren einen Wettbewerbsnachteil ausgleichen müssen. Glücklicherweise haben wir trotz einer schwachen Saison die Sponsorenerlöse um zehn Prozent erhöhen und bereits jetzt ebenso viele Dauerkarten wie vor einem Jahr verkaufen können. Das war aber auch brutal viel Arbeit. Nun gilt es, das mitzunehmen und strategische Partner zu finden, die unseren Weg mitgehen wollen.
Wie optimistisch sind Sie, dass dies gerade jetzt gelingt?
Sehr. Denn die Gespräche, die wir geführt haben, geben mir allen Grund dazu.
Das hieße auch: Sie haben jetzt die Strategien auf dem Tisch, die bei der Wirtschaft mehr ziehen als bisher.
Das kann man so sagen. Ich habe einen Plan, andere sind Teil dieses Plans, da passiert was. Ich will aber auch, dass die Leute das spüren und erleben, ich will etwas beweisen. Dass wir etwas entwickeln wollen, sollte man uns aber auch zugestehen, denn einen Schnellschuss kann es nicht geben, sonst sind wir schnell wieder in der Mühle der vergangenen Jahre.
Können Sie bestätigen, dass Daimler mit 20 Millionen Euro als Investor beim VfB einsteigen wird?
Das kann ich heute nicht.
Der Aufsichtsrat soll am Montag neu besetzt werden . . .
. . . und diese neue Besetzung stellt für mich eine Motivation dar. Da sind echte Kaliber auf der Liste, die uns entsprechend herausfordern werden. Ich bin überzeugt: Sie werden uns helfen, besser zu werden.
Wie erklären Sie diesen Kalibern und anderen denn die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die seit Jahren herrscht?
Wenn es um die Sponsoren und Partner geht, sagt man natürlich: Ihr kauft euch in ein Zukunftsmodell VfB Stuttgart ein. Zum Glück ist es uns gelungen, kluge Köpfe mit unserem Gesamtkonzept zu überzeugen. Natürlich wissen wir aber auch: Am Ende des Tages entscheidet der Erfolg auf dem Platz. Da brauchen wir wieder Kontinuität und müssen nach der vergangenen Saison auch mal Demut zeigen. Wir werden nicht gleich die Welt einreißen, sondern wollen über zwei, drei Jahre hinweg kontinuierlich etwas aufbauen – und genau dafür haben wir jetzt die Voraussetzungen. Unser Kader zum Beispiel bietet Entwicklungsmöglichkeiten, die Substanz ist da.
Das heißt aber auch: Die nächste Saison wird ein Übergangsjahr.
Oh, dieses Wort . . . Wir sind in einer Entwicklungsphase, die jetzt ihren Anfang nimmt und nicht nach einer Saison abgeschlossen sein wird.
Welche Fehler machen Sie in der nächsten Saison nicht mehr?
Wir müssen in allen Bereichen einfach konsequenter vorgehen, müssen selbstkritischer werden und auch schneller in den Entscheidungen.