Nicht nur der Verein, auch der Manager steht unter Druck. Foto: dpa

Fredi Bobic hat sich über die Jahre als starker Mann des VfB Stuttgart positioniert. Jetzt steht er wegen seiner umstrittenen Transferpolitik schwer unter Druck. Für den abstiegsbedrohten VfB steht im Saisonfinale viel auf dem Spiel – aber auch für den Manager.

Fredi Bobic hat sich über die Jahre als starker Mann des VfB Stuttgart positioniert. Jetzt steht er wegen seiner umstrittenen Transferpolitik schwer unter Druck. Für den abstiegsbedrohten VfB steht im Saisonfinale viel auf dem Spiel – aber auch für den Manager.

Stuttgart - Mehr Heimspiel geht nicht. In der Alten Kelter in Strümpfelbach, am Fuße der Weinberge und ganz in der Nähe seines Heimatortes Schnait, hat es sich Bernd Wahler (55) bequem gemacht. Die Einladung zu der Gesprächsrunde ist schon vor einiger Zeit ergangen, er blickt in vertraute Gesichter: Seine Frau Petra sitzt in der ersten Reihe, sein Bruder Fritz – und seine 83 Jahre alte Mutter. Die Themenschwerpunkte stehen, passend zur heimeligen Atmosphäre in dem Fachwerkgebäude, auch seit langem fest. Um das Remstal soll sich das Gespräch drehen, um den Begriff Heimat, der für den einstigen Manager und Weltenbummler Wahler eine neue Bedeutung erhalten hat – und nebenbei auch ein bisschen um den VfB.

Es geht dann aber, weil sich die Zeiten zuletzt gewendet haben und sich die sportliche Not akut zugespitzt hat, fast ausschließlich um den VfB, um dessen Krise, um die drohende Zweitklassigkeit – und um Fredi Bobic, den der überwiegende Teil der Anhänger für die sportliche Misere verantwortlich macht. „Bobic raus“, heißt es in den allermeisten Leserbriefen an unsere Zeitung. „Bobic raus“, brüllten auch die Fans in der Cannstatter Kurve beim letzten Heimspiel gegen Braunschweig – dem neunten sieglosen Spiel in Folge, nachdem es auch gegen das Schlusslicht nur zu einem 2:2 gereicht hatte.

„Ich kann die Kritik, die ich zurzeit jeden Tag höre, nachvollziehen, weil Fredi Bobic für den gesamten sportlichen Bereich verantwortlich ist“, sagt Bernd Wahler – und relativiert: „Ich will aber auch klipp und klar sagen: Er stellt sich dieser Kritik. Er will nur das Beste für den VfB. Und was oft vergessen wird – unter welchen finanziellen Vorgaben er in den vergangenen Jahren gehandelt hat.“

Fredi Bobic, 42, steht bei den Fans mächtig unter Beschuss. Das hat vielerlei Gründe, allen voran seine Personalpolitik, die der Mannschaft über die Jahre eine Menge sportliches Potenzial entzogen hat. Das ist Fakt und ein Stück weit dadurch erklärbar, dass er für die Sünden, die der VfB in seiner Hoch-Zeit in der Champions League gemacht hat, büßen und einen rigorosen Sparkurs umsetzen musste – seit seinem Amtsantritt im Juli 2010 hat Bobic mehr als 20 Millionen Euro auf dem Transfermarkt und noch mal so viel bei den Spielergehältern einsparen müssen. Trotzdem hätte er vergleichsweise teure Flops wie Mauro Camoranesi vermeiden müssen, fast keiner seiner Neuzugänge ist beim VfB dauerhaft besser geworden.

Und er hätte, so das gängige Urteil seiner Kritiker, im vergangenen Sommer nicht die Ersatzbank von Hannover 96 leer kaufen dürfen – Spieler wie Konstantin Rausch, Mohammed Abdellaoue und Karim Haggui also, die beim VfB kaum eine Rolle spielen. „Auch vor dieser Saison musste Fredi Bobic mit einer bestimmten Summe auskommen. Damit wollte er den Kader auch verbreitern“, sagt Bernd Wahler.

Bobic, keine Frage, polarisiert. „An diesem Kader lasse ich mich messen“, hatte er bei der letzten Mitgliederversammlung verkündet. Warum tritt er dann jetzt nicht zurück, schallt es zurück – Platz 15 lügt schließlich nicht. Dass Bobic nach Jens Keller, Bruno Labbadia und Thomas Schneider in Huub Stevens schon den vierten Coach in nur dreieinhalb Jahren installiert hat, ist dem Image des Vereins abträglich. Seinem eigenen Ansehen diente auch nicht, dass er Krassimir Balakov als Trainerkandidaten ins Spiel gebracht hat, seinen langjährigen Weggefährten aus dem magischen Dreieck. Bobic, der Furchtlose, sagt dazu nur: „Ich habe kein Problem damit, mich hinzustellen und zu sagen: Ich übernehme Verantwortung. Dann spürt man auch Gegenwind. Ich werde mich weiter in den Wind stellen und noch weiter in die Wellen reinjagen.“

Dafür sorgt schon der Verein. Bobic ist das Gesicht des VfB, als solches muss er immer und überall an die Front. Während er (meist) die Prügel einsteckt, warten andere im Hintergrund ab, bis sich das Gewitter verzogen hat. Bobic hat aktiv daran mitgewirkt, Reizfiguren wie Ex-Präsident Gerd Mäuser und Ex-Aufsichtsratschef Dieter Hundt aus ihren Ämtern zu drängen. So ist er über die Jahre zum starken Mann des VfB aufgestiegen. Jetzt sehen viele in ihm nur noch einen halb starken Mann, geschwächt und zusätzlich angreifbar durch sein zuweilen schroffes Auftreten, das gleich arrogant wirkt. „Ein Schutzschild“ sei das, betont Wahler. Gleichwohl nimmt er Bobic streng in die Pflicht. „Fredi ist kritikfähig genug, um aus Fehlern zu lernen“, sagt der Präsident. Zumindest einer betrifft seine bisherige Transferpolitik: „Zunächst einmal muss man das Geld, das man hat, gut einsetzen“, sagt Wahler und richtet den Blick nach vorn. Ab sofort gelte: „Wir dürfen keine Ergänzungsspieler mehr holen. Denn das Problem in unserem Kader ist doch, dass die stabilen Säulen fehlen – Mentoren, an denen sich die jungen Spieler aufrichten können.“ Künftig wolle der VfB wieder eine eigene Spielphilosophie pflegen. „Die sieht man zurzeit nicht, weil wir die Spieler dafür nicht haben“, sagt der Präsident und mahnt: „Wir müssen besser werden im Kader und in der Umsetzung.“ Das sind klare Aufträge und kaum verhohlene Kritik an Bobic. Der VfB hat unter Huub Stevens zehn Endspiele. Auch der Manager muss nun mit strategischem Geschick und Weitblick punkten – in eigener Sache.

Wahler sagt auch: „Wir müssen wieder Stars holen, echte Säulen für das Team.“ Dabei nennt er den Namen Sami Khedira und dessen mögliche Rückkehr. Wie das gelingen soll bei anhaltend dünner Kassenlage? Daran arbeite er, beteuert Wahler. Der Präsident will zum einen Bobic nicht länger allein im Regen stehen lassen: „Wir bemühen uns, mehr Sportkompetenz in unseren Aufsichtsrat zu holen.“ Zum anderen soll bald wieder mehr Geld fließen, weil in dem Gremium zahlungskräftigere Sponsoren als bisher vertreten sein sollen. Fehlt der passende Trainer, der das umsetzt. „Ich habe einen im Kopf“, sagt Wahler, „vielleicht sogar zwei.“

Ob ihm dabei ein Modell mit einem Trainer und einem Manager auf getrennten Positionen oder ein Trainer-Manager in Personalunion vorschwebt, lässt Wahler an diesem Abend freilich offen. Und damit auch die Zukunft von Fredi Bobic beim VfB.