Martin Harnik. Foto: dpa

Wenn das so weitergeht, ersetzen Heimspiele des VfB den Besuch beim Kardiologen.

Stuttgart - Wenn das so weitergeht, ersetzen Heimspiele des VfB Stuttgart den Besuch beim Kardiologen. Wer Duelle wie gegen Mainz schadlos übersteht, braucht sich um sein Herz-Kreislauf-System nicht zu sorgen.

Das Tor von Martin Harnik fiel dann, als die Hoffnung darauf schon am Sterben war. Es geschah in der 79. Minute, und es machte ganz den Anschein, als solle der Treffer das Sinnbild für die gesamte Partie abgeben. Es war Leidenschaft im Spiel, Kampfkraft – und eine große Portion Glück. Es war eines dieser Tore, die aus dem Nichts fallen, aber alles entscheiden. Und es war eines dieser Duelle, die überzeugend Antwort geben auf die Frage nach der Unberechenbarkeit eines faszinierenden Spiels. Mainz drängte wütend auf den Ausgleich, und die Minuten bis zum Schlusspfiff dehnten sich zu einer Ewigkeit. Torhüter Sven Ulreich parierte noch einmal glänzend, Patrick Funk drosch den Ball von der Linie und ballte die Hand zur Faust. Erst dann war der nervenzerfetzende Endspurt für Fans und Spieler überstanden.

Am Ende sah Bruno Labbadia so abgekämpft aus, als hätte er selbst auf dem Platz gestanden. „Es war ein Dreckssieg in einem hart umkämpften Spiel“, sagte der VfB-Trainer und bemühte sich, jeden Anflug von Zufriedenheit in seinem Gesicht zu vermeiden: „Wir dürfen uns jetzt aber nicht blenden lassen.“ Denn die Botschaft nach dem glücklichen 1:0 (0:0) gegen den Tabellenzweiten aus Mainz war unmissverständlich: Der VfB Stuttgart hat zwar gewonnen, aber noch nichts erreicht.

Es war das erste von 17 Endspielen im Kampf ums Überleben. 38 Punkte, so rechnet Bruno Labbadia, müssten reichen für den Klassenverbleib. Der VfB hat jetzt 15, es fehlen noch 23. „Für uns ist es ein sehr langer, steiniger Weg aus dem Tabellenkeller“, sagt Manager Fredi Bobic. Aber wer die Spieler sah, wie sie vor der Partie mit angespannten Mienen vom Bus in die Umkleidekabine schlurften, wer vor dem Anpfiff im Spielertunnel ihre Körpersprache studierte, wer beobachtete, wie sich während des Spiels proportional zum Druck des Gegners die Schwere in ihren Beinen aufbaute, der ahnte, dass es zum Rückrundenauftakt um mehr ging als um die drei Punkte gegen Mainz. Es war ein Sieg gegen die Angst vor dem Versagen, gegen Zögern und Zaudern – und gegen die Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit.

Seite 2: Bedingungslose Unterstützung

Die gute Botschaft ist: Vielleicht zum ersten Mal in dieser Saison stand eine Mannschaft auf dem Platz, die sich bedingungslos gegenseitig unterstützte und mit allem wehrte, was sie in die Waagschale zu werfen hatte. Nicht ganz so erfreulich ist: Spielerisch hat der VfB Stuttgart noch immer erschreckend wenig zu bieten. Und es spricht wenig dafür, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte. Im Kampf gegen den Abstieg geht Sicherheit vor Risiko. Ordnung und Disziplin vor Kreativität und Esprit. Und mancher Ball, der in guten Zeiten steil gespielt würde, rollt quer oder gar zurück. Das ist im Zweifelsfall nicht schön, aber zweckmäßig. „Wichtig war, dass wir auch in heiklen Phasen des Spiels nicht Ruhe und Übersicht verloren haben“, sagt Fredi Bobic, „nur so gewinnen wir Stück für Stück wieder an Sicherheit.“ Der Weg aus dem Tabellenkeller gleicht in diesen Wochen der Flucht aus einem tiefen, dunklen Erdloch mit brüchigen Rändern. Jede panische Bewegung kann zum Rückschlag führen.

In solchen Situationen ist nicht jeder Spieler zum Souverän geboren. Christian Gentner, Zdravko Kuzmanovic oder Cacau suchen noch immer ihre Rolle oder hadern mit sich selbst. Torhüter Sven Ulreich legt bei fast jeder Spieleröffnung eine Gedenkminute ein, und Cristian Molinaro brauchte fast eine Halbzeit lang, um seine Unsicherheit zu besiegen. Da tat es gut, dass Arthur Boka, Patrick Funk, Timo Gebhart, Pawel Progrebnjak und Martin Harnik mit dem Funken unbekümmerter Entschlossenheit zu Werke gingen, der das Feuer im Spiel nicht erlöschen ließ. „Wenn wir so kämpfen wie gegen Mainz, dann brauchen wir auch Dortmund nicht zu fürchten“, sagt Timo Gebhart. Mehr davon!