VfB-Kaptiän Christian Gentner mit die Führungsspieler in die Pflicht – und auch sich selbst. Foto: Baumann

Christian Gentner nimmt im Interview vor dem Auswärtsspiel des VfB Stuttgart bei 1899 Hoffenheim sich selbst und die anderen gestandenen Profis in die Pflicht. Und er hat eine genaue Vorstellung davon, wie sich die Spielweise des Teams verändern muss.

Stuttgart - Der VfB Stuttgart steckt mal wieder in einer schwierigen Situation – und Christian Gentner mittendrin. Der 33-jährige Mittelfeldspieler ist vor der Partie bei 1899 Hoffenheim an diesem Samstag (18.30 Uhr) aber zuversichtlich, dass der Fußball-Bundesligist schon bald aus dem Tabellenkeller kommt.

 

Herr Gentner, wissen Sie, wie viele Trainer Sie beim VfB als Profi schon erlebt haben?

Spontan nicht.

Mit Markus Weinzierl und einigen Interimstrainern sind es insgesamt 16, allein 14 seit 2010. Was sagen diese Zahlen aus?

Sie stehen vor allem für eine Zeit, die nicht durchgängig erfolgreich war. Denn Trainerwechsel sind ja zumeist mit sportlichen Tiefs verbunden. Wir hatten zwar auch einige Hochs, aber letztlich hat es nicht geklappt, auf dieser Position die gewünschte Konstanz zu haben.

Stumpft man als Spieler nach so vielen Trainerwechseln ab, so dass der gewünschte Effekt eigentlich schnell verpufft?

Absolut nicht. Gerade als Kapitän spürt man immer auch eine besondere Verantwortung. Das sind keine einfachen Situationen.

Nach einem Trainerwechsel muss es schnell weiter gehen

Wie betrachten Sie eine Krise?

95 Prozent der Trainerwechsel kommen dadurch zustande, dass der erhoffte Erfolg nicht eingetreten ist – und dafür ist in erster Linie die Mannschaft verantwortlich. Und ich bin Bestandteil der Mannschaft und stehe damit auch in der Verantwortung.

Geht das so weit, dass Sie sich Gedanken darüber machen, ob Sie den einen oder anderen Trainerwechsel hätten verhindern können?

Ja und nein. Zum einen hinterfrage ich mich ständig und versuche daraus meine Lehren zu ziehen. Zum anderen muss es nach einem Trainerwechsel schnell weitergehen. Ich muss also offen sein, um neue Impulse aufnehmen zu können. Da geht es auch darum, das Ganze zu sehen und das neue Trainerteam, so gut ich kann, zu unterstützen.

Wie groß ist denn ihr Einfluss als VfB-Kapitän in der Frage, ob ein Trainer gehen muss?

Es ist noch nie ein Sportvorstand zu mir gekommen und hat gefragt, wie es mit dem jeweiligen Trainer weitergehen soll. Das ist ganz klar die Entscheidung der Sportlichen Leitung, auch wenn man als Kapitän ein wichtiger Ansprechpartner ist.

Lesen Sie hier: Alles Wissenswerte rund ums Spiel des VfB in Hoffenheim

Was ist mit Tayfun Korkut schiefgelaufen?

Definitiv die Ergebnisse. Vor allem gegen Kontrahenten, die wir gerne hinter uns sehen würden, haben wir nicht geliefert. Zudem waren die spielerischen Entwicklungsschritte nicht so wie erhofft.

Ging es sogar mehr um die fehlende Entwicklung als um die schwachen Ergebnisse?

Das glaube ich nicht, da die Ergebnisse eine solche Entwicklung natürlich maßgeblich beeinflussen. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen: Diese Truppe hat sich in den Spielen, die sie verloren hat, aufgegeben. In der Mannschaft steckt viel Leben. Uns sind aber ganz klar zu viele Fehler unterlaufen.

Woher kommt dieser Bruch, nachdem der VfB in der Vorsaison eine stabile und starke Rückrunde gespielt hat?

Wir dürfen uns an diesem Punkt nicht von dem guten Abschluss mit Tabellenplatz sieben täuschen lassen: Wir haben in dieser Phase spielerisch ebenfalls nicht geglänzt. Deshalb empfinde ich die Diskrepanz zwischen der erfolgreichen Rückrunde in der Vorsaison und der jetzigen Vorrunde nicht als so eklatant. Der größte Unterschied ist, dass wir eine größere Stabilität und vor allem eine höhere Effektivität hatten.

Zu vorsichtig nach den ersten Rückschlägen

Sehen Sie auch einen Unterschied in der Frage, mit welcher Mentalität die Mannschaft aktuell auftritt?

Nein. Keiner kann uns den Willen absprechen, in den Spielen alles zu geben. Wir haben uns in manchen Partien aber aus dem Rhythmus bringen lassen.

Wo sehen Sie das Kernproblem?

Ein Problem ist sicher, dass wir nach den ersten Misserfolgen zu vorsichtig in die Spiele gegangen sind, obwohl das gar nicht unser Plan war. Meiner Meinung nach sind wir jedoch ein Team, dem es guttut, von Anfang an aktiv zu sein. Wir hatten häufig dann Schwierigkeiten, wenn wir uns zurückgezogen haben und aus einer kompakten Defensive heraus agieren wollten. In diesen Fällen werden wir schnell passiv und verlieren an Sicherheit.

Lesen Sie hier: So gern trifft Mario Gomez gegen 1899 Hoffenheim

Wie ist es jetzt um das Selbstvertrauen der Mannschaft bestellt?

Nicht so schlecht, wie es erscheinen mag, da wir eine ganze Reihe von Spielern haben, die schon kritische Situationen gemeistert haben. Die gestandenen Profis wie Mario Gomez, Holger Badstuber, Ron-Robert Zieler, Andreas Beck, Dennis Aogo und natürlich ich müssen zeigen, dass wir diesem Gegenwind, der jetzt herrscht, standhalten. Wir müssen die anderen Spieler mitreißen.

Die genannten Spieler gehören alle der Ü-29-Fraktion an. Es gibt aber auch die U-23-Fraktion im Kader. Passt die Mischung?

Ja, ich erlebe sowohl auf dem Platz als auch in der Kabine eine Gruppe, die nicht gegeneinander arbeitet. Selbst direkte Konkurrenten unterstützen sich gegenseitig – und das ist in einer Profimannschaft eher außergewöhnlich.

Markus Weinzierl hat eine intakte Gruppe übernommen?

Ja, vom Umgang miteinander ist sie intakt. Und ich bin sicher, dass uns dieser Zusammenhalt noch helfen wird.

Im Training soll es laut und aggressiv zugehen

Funktioniert die Mannschaft sportlich?

Grundsätzlich ja, obwohl die Ergebnisse natürlich etwas anderes aussagen. Ich glaube aber, dass wir nur Details verbessern müssen, um wieder in ein anderes Fahrwasser zu kommen. Markus Weinzierl ist das mit seinem Trainerteam sehr intensiv angegangen.

Ist im Training genug Feuer drin?

Ich weiß schon, dass in kritischen Phasen rasch der Verdacht aufkommt, dass man nur larifari trainieren würde. Im Vergleich zur letzten Rückrunde sehe ich aber auch in dieser Hinsicht keinen entscheidenden Unterschied. Ich bin grundsätzlich der Überzeugung, dass es im Training laut und aggressiv zugehen darf. Denn wir brauchen diese Schärfe in unserem Spiel – von allen.

Haben tatsächlich alle Spieler den Ernst der Lage erkannt?

Ich gehe davon aus, dass jeder Spieler verstanden hat, dass es hier nicht um Träumereien geht, sondern um Abstiegskampf. Bis Weihnachten haben wir noch ein schweres Programm vor uns, und wir müssen schauen, dass wir bei der Musik bleiben. Sollte der Eindruck entstehen, dass nicht alle voll mitziehen, werde ich das gemeinsam mit anderen Führungsspielern ansprechen.

Lesen Sie hier: Das ist der neue Star der Hoffenheimer

Welche Eigenschaften werden nun am Samstag gegen die TSG Hoffenheim und darüber hinaus noch gefordert sein?

Wir müssen in erster Linie unsere Fehler reduzieren. Wir müssen dem Gegner wieder das Gefühl geben, dass er nur sehr schwer vor unser Tor kommt. Nur so bekommen wir die nötige Stabilität rein.

Ist es aber nicht so, das sich zwei Baustellen aufgetan haben: hinten und vorne?

Richtig, aber daraus dürfen wir nicht den Schluss ziehen, dass wir uns hinten einigeln. Wir müssen früh attackieren.

Erste Gespräche über eine Vertragsverlängerung

Um diesen Fußball zu spielen, braucht es eine gute Fitness. Gegen Borussia Dortmund konnte man zuletzt jedoch den Eindruck gewinnen, dass es dem VfB an Tempo und Intensität in seinem Spiel fehlt.

Das sehe ich anders. Wir haben in unserem Kader sowohl schnelle Spieler als auch Spieler, die andere Qualitäten einbringen können. Mit diesem Personal müssen wir die besten Lösungen finden. Die Dortmunder sind derzeit nicht unsere Kragenweite.

Dennoch: Gibt es ein Konditionsproblem?

Ich kann da in erster Linie für mich sprechen. Obwohl ich verletzungsbedingt keine komplette Vorbereitung hatte, fühle ich mich mittlerweile gut und fit. Das untermauern auch meine Konditionswerte.

Also wird alles wieder gut, weil Sie die Mannschaft aus dem Tief führen?

Ich bin optimistisch, dass wir die Wende zum Guten hinbekommen. Aber ein Selbstläufer wird es nicht. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, indem ich mit möglichst guten Leistungen mit den anderen Führungsspielern vorangehe. Auf welcher Position, ist zweitrangig.

Werden Sie diesen Anspruch auch noch über die Saison hinaus beim VfB erfüllen?

Ich möchte auf jeden Fall weiter Fußball spielen. Mit dem VfB habe ich auch schon erste Gespräche geführt.