Am Samstag hatte Fabian Rieder in Mönchengladbach großen Anteil am ersten Bundesliga-Saisonsieg des VfB Stuttgart. Nun geht es in der Königsklasse zu Real Madrid – wobei der Schweizer einen großen Vorteil hat.
Weil das Team des VfB Stuttgart auch in dieser Saison von Kamerateams für regelmäßige Reihen einer Doku-Serie begleitet wird, muss man nicht auf die einst so bedeutsamen Jahresrückblicke warten. Man kann also sicher sein: Diese Szene wird noch das ein oder andere Mal zu sehen sein. Weil selbst derjenige, der an ihr als Hauptdarsteller beteiligt war, sagte: „So eine Aktion habe ich noch nie erlebt.“
In der Partie des VfB Stuttgart stand es am vergangenen Samstag 1:1 – und in dieser Szene in der 57. Minute schien der Ball schon verloren. Aus zweierlei Gründen. Zum einen hatte der Gladbacher Luca Netz einen ordentlichen Vorsprung auf den VfB-Angreifer Fabian Rieder. Dem Schweizer stand auf der rechten Außenbahn zudem noch der Schiedsrichterassistent im Weg. Was also tun?
Rieder umkurvte einfach den Linienrichter, holte danach den Gegenspieler ein – und luchste Luca Netz kurz vor der Auslinie den Ball ab. Was folgte, war ein herrliches Zusammenspiel zwischen Vorbereiter (Rieder) und Vollstrecker (Ermedin Demirovic). Der Stürmer zeigte an, dass er den Ball auf den kurzen Pfosten haben möchte. Rieder nahm das Signal wahr, bediente den Kollegen maßgeschneidert, der mit der Fußspitze den Ball ins Gladbacher Tor lenkte. Vier Minuten später trat Rieder zudem den Eckball, den Demirovic zum 3:1 ins Tor köpfte.
„In der zweiten Hälfte haben wir uns den Sieg verdient“, analysierte Fabian Rieder hinterher – und zog auch für sich selbst eine positive Bilanz: „Auch für mich persönlich war die zweite Hälfte top. Dafür, dass es mein erster Startelfeinsatz in der Bundesliga war.“
Mit den Young Boys und mit Stade Rennes international
Tatsächlich ist der Schweizer Nationalspieler noch dabei anzukommen in seiner neuen Heimat. Für ein Jahr hat ihn der VfB von Stade Rennes ausgeliehen. Ein Tor gegen Mainz 05 und zwei Vorlagen hat der Mann mit den starken Standards nun aber bereits beigesteuert. Er versuche, seine Stärken einzubringen, sagte er am Samstag in Mönchengladbach und berichtete, wie er früher im heimischen Garten schon das Schlagen langer Pässe mit seinem Vater trainiert habe. Auch daher rühre seine Qualität bei den ruhenden Bällen. Ab Dienstagabend ist noch etwas anderes von Fabian Rieder gefragt: seine internationale Erfahrung.
Zwar zählt der Linksfuß mit seinen 22 Jahren noch eher zu den jungen Spielern. Als einer der wenigen im Kader des VfB Stuttgart kann er aber schon auf einige internationale Auftritte im Vereinsfußball zurückblicken. „Ich bin nun vier Jahre Profi“, sagte er, „in drei davon habe ich englische Wochen gespielt. Das ist nichts Neues für mich.“
Mit den Young Boys aus seiner Geburtsstadt Bern hat Rieder je einmal in der Europa League und in der Champions League gespielt, besiegte dabei gar Manchester United im September 2021 mit 2:1. Beim 1:1 im Old Trafford erzielte er sogar den Treffer für YB. Mit Stade Rennes war er in der vergangenen Saison in der Europa League vertreten. Zusammen ergibt das folgende Bilanz: sechs Partien in der Königsklasse, zwölf in der Europa League, dazu je fünf in den Qualifikationen zu den beiden Wettbewerben. Das Estadio Santiago Bernabéu kennt aber auch der Schweizer noch nicht.
Gegen Real Madrid spielt der VfB an diesem Dienstag (21 Uhr) sein erstes Champions-League-Spiel seit 2010 – und Rieder hat einen wichtigen Tipp: „Das Wichtigste ist, dieses Spiel zu genießen.“ Was nicht heißen soll, dass er keine sportlichen Ambitionen hegt. Im Gegenteil.
„Wir müssen uns nicht verstecken und können mit breiter Brust antreten“, sagte er und betonte: „Ich bin zuversichtlich.“ Der erste Saisonsieg in der Bundesliga gibt dem VfB-Team vor dem Duell mit den Königlichen durchaus Mut und Selbstbewusstsein. Zudem die Gewissheit, auch mit Widrigkeiten umgehen zu können. Das 2:1 mit Rieders Linienrichter-Slalom soll sinnbildlich dafür stehen.
„Die Situation zeigt auch unsere Mentalität“, sagte Fabian Rieder und führte aus: „Nie aufgeben, immer alles geben, auch, wenn es bis dahin noch nicht wirklich gut gelaufen ist.“ So brachte er den VfB in Gladbach auf die Siegerstraße – und beeindruckte damit auch Mitspieler und Profiteur Ermedin Demirovic. Der wunderte sich über die Schnelligkeit seines Kollegen und verglich ihn sogleich mit dem ehemaligen Real-Star Gareth Bale.
Er habe „nicht ganz die Schnelligkeit“ des Walisers, schränkte Fabian Rieder schnell ein. Und ohnehin wolle er sich ja nicht mit anderen Spielern vergleichen. Eines wird er ab Dienstag aber wohl mit Gareth Bale gemeinsam haben: im Bernabeu gespielt zu haben. „Ein Kindheitstraum“ erfülle sich da, meinte der Schweizer über die Partie bei Real. Die ganz sicher auch in den Jahresrückblicken auftauchen wird.