Marc Kienle (li., neben Thomas Hitzlsperger): Künftig sitzt der ehemalige Profi nicht mehr auf der Tribüne, sondern wieder auf der Trainerbank. Foto: Baumann

Marc Kienle (45) freut sich auf seine neue Aufgabe als Trainer des Fußball-Regionalligisten VfB Stuttgart II. Im Interview äußert er sich über die WM, seine verpasste Chance beim DFB und die Ziele mit seiner neuen Mannschaft.

Stuttgart - Marc Kienle spielte in der Jugend für die Stuttgarter Kickers, später unter anderem für den VfB Stuttgart, den MSV Duisburg und den Karlsruher SC. Nach Ende seiner aktiven Karriere schlug der frühere Profi die Trainerlaufbahn ein. Nun will er seine Erfahrung dem Regionalligateam des VfB weitergeben. An diesem Mittwoch ist Trainingsauftakt, am 28./29. Juli beginnt die Saison.

Herr Kienle, wie intensiv verfolgen Sie die Fußball-WM?
Ich schaffe es zeitlich natürlich nicht, jedes Spiel anzuschauen, aber alles was möglich ist, versuche ich natürlich mitzunehmen.
Haben Sie schon Trends ausgemacht?
Die Spiele gestalten sich für die Favoriten nicht leicht. Viele haben ihre Schwierigkeiten.
Woran liegt es?
Alle Mannschaft sind inzwischen körperlich auf einem Topniveau. Das macht es für die Favoriten nicht einfacher. Zumal sie oftmals mit einer höheren Anspannung ins Spiel gehen. Außenseiter haben nun mal weniger zu verlieren.
War das auch das Problem der deutschen Mannschaft?
Die Psyche spielte wahrscheinlich auch eine Rolle. Die Mannschaft stand unter Druck, erst recht nach der schwachen ersten Halbzeit. Die wollte man gegen Mexiko unbedingt korrigieren, was leider nur zum Teil gelang.
Gegen Schweden wird der Druck an diesem Samstag noch um ein Vielfaches Größer.
Das stimmt. Dennoch glaube ich, dass wir das Spiel gewinnen. Wir haben genügend erfahrene Spieler im Team. Ein frühes Tor würde natürlich viel Sicherheit geben.
Sie selbst hatten 2014 das Angebot des DFB, Co-Trainer von Joachim Löw zu werden. Ihr damaliger Verein SV Wehen Wiesbaden verweigerte Ihnen die Freigabe, weil der geschäftstüchtige Präsident eine Ablösesumme forderte. Wie oft trauern Sie dieser verpassten Chance noch nach?
Ich werde noch häufig darauf angesprochen. Aber ich blicke lieber nach vorne und konzentriere mich auf meine Aufgabe beim VfB Stuttgart.
Im April 2015 haben Sie Wehen dann verlassen, obwohl Sie im Oktober 2014 Ihren Vertrag verlängert hatten.
So laufen die Dinge manchmal im Fußball. Aber wie gesagt: Meine aktuelle Aufgabe empfinde ich als sehr reizvoll.
Sie begannen im Juni 2016 beim VfB als Manager Sportkoordination. Jetzt hat Thomas Hitzlsperger das Amt übernommen und Sie sind Trainer des VfB II. Wie empfinden Sie diesen Rollentausch?
Mir hat die Management-Aufgabe viel Spaß gemacht, jetzt ich freue ich mich sehr, wieder auf dem Platz zu stehen. Das bereitet mir viel Freude.
Nun sind in Personalunion auch Sportlicher Leiter des VfB II?
Ja, der bisherige Sportliche Leiter des VfB II, Walter Thomae, fungiert als mein Assistent.
Der bisherige Co-Trainer Oliver Barth hat das Angebot des VfB als U-16-Trainer offenbar abgelehnt, ihn zieht es als Assistent von Damir Buric zum Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth.
Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Freiburger Zeiten, offenbar ist der Wechsel aber noch nicht vollzogen.
Wie froh sind Sie, dass die zweite Mannschaft des VfB vor der kommenden Saison nicht abgemeldet wurde?
Die zweite Mannschaft kann für junge Spieler ein wichtiger Zwischenschritt sein, Es gibt zwar immer wieder Beispiele wie Timo Baumgartl oder Berkay Özcan , die sofort den Sprung in die Bundesliga schaffen. Aber der eine oder andere junge Spieler braucht einfach Zeit, sich zu entwickeln.
Zum Beispiel?
Rani Khedira hat es über den VfB II in die Bundesliga zu RB Leipzig und zum FC Augsburg geschafft. Oder Phillipp Mwene, der vom VfB II über den 1. FC Kaiserslautern nun bei Mainz 05 spielt. Wir sind von der Zwischenstufe zweite Mannschaft überzeugt. Spiele gegen Teams wie Waldhof Mannheim, 1. FC Saarbrücken, SV Elversberg oder Kickers Offenbach sind eine gute Schule für die jungen Spieler.
VfB-Sportvorstand Michael Reschke war anderer Meinung. Er wollte ursprünglich auf die zweite Mannschaft verzichten.
Michael Reschke wollte einen Prozess anstoßen, um die Nachwuchsarbeit den veränderten Rahmenbedingungen im Profifußball anzupassen. Nach intensiven Gesprächen wurde gemeinsam entschieden, es so zu machen, wie wir es aktuell tun.
Aus der U 23 wurde eine U 21.
Wir haben nun ein noch jüngeres Team und einen auf 18,19 Spieler reduzierten Kader.
Geht es denn ganz ohne erfahrene Säulen im Team?
Wir haben in Lukas Kiefer mit seinen 25 Jahren einen erfahrenen Leitwolf im Team, der im zentralen Mittelfeld in Sachen Einsatzwille und Laufbereitschaft ein absolutes Vorbild darstellt.
Wird der 32-jährige Profi Tobias Werner noch dazu kommen?
Er wird beim Trainingsstart an diesem Mittwoch dabei sein.
Wie sieht es mit Offensivmann Nicolas Sessa aus?
Er hat einen Vertrag, und ich würde mich sehr freuen, wenn er bleibt und auch meiner Mannschaft helfen könnte.
Wie lautet das Saisonziel?
Wir müssen erst einmal gut in die Saison reinkommen. Viele Spieler haben noch nicht den Nachweis erbringen können, in der Regionalliga zu bestehen. Es wird auf jeden Fall spannend. In ein, zwei Monaten lässt sich das Ganze besser einschätzen.
Wird beim VfB II auch wieder ein Aufstieg in die dritte Liga angepeilt?
Im Moment ist das nicht das Ziel. Was die Zukunft bringt, muss man sehen. Wir müssen uns immer wieder selbst überprüfen.
Aber in der Oberliga würde eine zweite Mannschaft des VfB wenig Sinn mehr ergeben?
Das sehe ich auch so.
Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihr ehemaliger Verein Stuttgarter Kickers inzwischen in der Fünftklassigkeit gelandet ist?
Das ist schon schade, wir hätten gerne diese Stuttgarter Stadtderbys in der Regionalliga gehabt. Vor nicht allzu langer Zeit standen die Blauen noch an der Schwelle zur zweiten Liga. Sie müssen sich nun neu sortieren und auf einen mühsamen Weg zurück einstellen.
Was wird die deutsche Nationalmannschaft in Russland noch erreichen?
Das Halbfinale ist immer noch drin.
Und was trauen Sie dem VfB in der neuen Bundesligasaison zu?
Ich bin überzeugt, dass er eine stabile Runde spielen wird.