Schweizer Fußballfans während der Euro 2024 in Deutschland. Foto: /Xiao Yijiu

Am Mittwoch empfängt der VfB Stuttgart in der Champions League den amtierenden Schweizer Meister aus Bern. Dessen sportliche Krise spiegelt die Probleme des gesamten Fußballlandes.

Von außen betrachtet war im Sommer noch alles in Ordnung. Bei der Europameisterschaft mauserten sich die Schweizer spätestens nach dem 2:0 im Achtelfinale gegen Italien zu einem der Geheimfavoriten. Die Stimmung im Stuttgarter Basislager war rund um das Turnier meist bestens, daran konnte letztlich auch das knappe Viertelfinal-Aus im Elfmeterschießen gegen England nichts ändern.

 

Das kleine Land hatte sich auf großer Bühne mal wieder achtbar geschlagen. So zumindest der letzte bleibende Eindruck vom Sommer. Ein halbes Jahr später sind dunkle Wolken über der Fußballnation in den Alpen aufgezogen. Im deutschen Nachbarland herrscht Alarmstufe Rot-Weiß. Von Krise ist die Rede, von Krise allerorten. Bei der Nati – die seit der EM plötzlich nicht mehr gewinnt –, im Nachwuchs, im Vereinsfußball. Auch beim amtierenden Meister aus Bern, der an diesem Mittwoch (21 Uhr) zum Champions-League-Duell beim VfB Stuttgart antritt, läuft es überhaupt nicht rund.

„Der Schweizer Vereinsfußball ist international nicht konkurrenzfähig“

„Der Schweizer Vereinsfußball“, urteilt Zdravko Kuzmanovic, „ist im Moment nicht konkurrenzfähig.“ Als langjähriger Profi beim VfB sowie etlichen eidgenössischen Clubs (u. a. YB Bern) ist der Serbo-Schweizer noch immer nah am fußballerischen Geschehen in seinem Heimatland dran. „Kuz“ zieht die sportlichen Probleme der Schweiz an den Young Boys auf. „Du kannst nicht als Meister in eine Saison starten und bist nach 17 Spieltagen Neunter (von zwölf Teams insgesamt; d. Red.). Das geht nicht.“

Für Cheikh Niasse und die Young Boys Bern läuft es überhaupt nicht rund. Foto: imago

Für den 37-Jährigen spiegelt der Absturz des Meisters von 2023 und 2024 die Schwäche der Super League wider. „In der Liga kann jeder jeden schlagen. Das ist Harakiri“, sagt Kuzmanovic. Aktuell wird das Klassement vom FC Lugano angeführt. Die Tessiner verzeichnen international als einziges Schweizer Team Erfolge. Wenn auch nur in der drittklassigen Conference League. In der Europa League ist kein Team vertreten, in der Champions League zieren die Young Boys mit null Punkten das Tabellenende. „Ungenügend“, urteilte Kapitän Loris Benito nach der 1:3-Niederlage am vergangenen Wochenende in der Liga gegen Sion.

Größere Erfolge auf internationaler Bühne liegen schon länger zurück. Zuletzt schieden die Young Boys regelmäßig in der Gruppenphase der Königsklasse aus. „Die Schweiz hat gute Fußballer. Aber die spielen alle im Ausland“, lautet Kuzmanovics These zur schwächelnden Liga. Er vergleicht die Super League mit der zweiten Liga in Deutschland. „Das ist die Realität.“

Was zu den Ursachen des Ist-Zustands führt. Wo man beim Thema Nachwuchs landet. Beim eigenen wie beim zugekauften aus dem Ausland. Die Kernthese vieler Experten in der Schweiz lautet: „Die Jungen sind nicht mehr hungrig genug und haben zu viele Möglichkeiten“, urteilt Ex-Nationalspieler Blerim Dzemaili. Einer Studie zufolge haben andere vergleichbare Fußballnationen wie Dänemark, Österreich oder Belgien in den vergangenen Jahren weit mehr Talente hervorgebracht als die Schweiz. Es scheint so, als hätte man sich auf den Erfolgen der Nati ausgeruht. Beziehungsweise sich von ihnen blenden lassen. Auch die Vergleiche schweizerischer U-Auswahlteams fielen zuletzt eher bescheiden aus.

Wo sind die Talente hin?

Zugleich würden viele ausländische Spieler die Super League überschwemmen, lautet ein weiterer, häufig vorgebrachter Einwand. Oftmals mit dem Ziel der Vereine, sie billig ein- und teuer weiterzuverkaufen. Doch auch dieser Plan ging bei vielen Clubs nicht immer auf. Auch beim kommenden VfB-Gegner aus Bern.

Dass man nun auch noch erkannt hat, dass das Aushängeschild – die Nati – ihren Alterszenit erreicht zu haben scheint, hat die Aufregung nur noch größer werden lassen. Eine Taskforce soll die Lösung sein. „Der Schweizer Weg ist in Gefahr“, sagt Patrick Bruggmann, Direktor Fußballentwicklung beim Schweizer Verband SFV.

So oder so ähnlich hat man all das in der Vergangenheit auch schon aus Deutschland gehört. Für die Schweiz sind viele der Probleme neu.