Im Hinspiel behielten Simon Terodde (Mitte) und der VfB in Karlsruhe die Oberhand. Foto: Pressefoto Baumann

Seit fünf Spielen hat der VfB Stuttgart nicht mehr gewonnen, seit vier der Karlsruher SC – die Begegnung zwischen den baden-württembergischen Rivalen am Sonntag birgt also auch enorme sportliche Brisanz. Eine Bestandsaufnahme.

Stuttgart - Seit fünf Spielen hat der VfB Stuttgart nicht mehr gewonnen, seit vier der Karlsruher SC – die Begegnung zwischen den baden-württembergischen Rivalen am Sonntag birgt also auch enorme sportliche Brisanz. Eine Bestandsaufnahme.

Was läuft schief in der Mannschaft?

VfB Stuttgart: Das Problem des VfB ist es gerade, dass eine Reihe von wichtigen Spielern nicht in Topverfassung sind. Junge wie alte. Die Mannschaft hängt aus diesem Grund durch. Und auf dem Platz ergibt sich daraus das Phänomen, dass jedes Mal etwas anderes nicht funktioniert. Beim 3:3 gegen Dresden war es anfangs die Defensive. Nur wenige Tage später ließen die Stuttgarter dann beim 1:1 in München zwar lediglich eine Torchance der Gastgeber zu – doch die saß und auf der anderen Seite setzte sich die Offensive nicht entscheidend durch. Beide Begegnungen gingen aber trotz der Rückstände nicht verloren, was für das Team spricht. Doch es zeigt sich auch immer wieder, dass die Qualität des VfB-Kaders nicht so überragend ist, wie sie von den gegnerischen Trainern gerne gemacht wird.

Wie sich die Polizei in Stuttgart auf das Derby vorbereitet, sehen Sie im Video:

Karlsruher SC: Anders als beim VfB fehlt es der Truppe des neuen Trainers Marc-Patrick Meister an Qualität. Zu viel davon ging im vergangenen Sommer verloren und wurde nicht adäquat ersetzt. Jan Mauersberger, Daniel Gordon, um die Stützen in der Defensive zu nennen. Das Ergebnis sind 40 Gegentore und nur 21 selbst erzielte Treffer, weil die Mannschaft auch im Spiel nach vorne arg brav daherkommt. Eine gewisse fußballerische Qualität ist ihr zwar nicht abzusprechen, es fehlt aber an Führungsspielern und Widerstandshärte. Hinzu kam in dieser Saison das volle Gedeck des Erfolglosen: Spielpech, Verletzungen, Sperren. Als ob das nicht genug wäre, droht Verteidiger Jordi Figueras in Spanien jetzt auch noch eine Haftstrafe wegen angeblicher Spielmanipulationen.

Welcher Druck lastet auf den Trainern?

VfB Stuttgart: Zunächst einmal spürt Hannes Wolf den persönlichen Ehrgeiz, den VfB zurück nach oben zu führen. Das ist die Herausforderung, der sich der junge Trainer von Anfang an gestellt hat. Mit all der Energie, die in ihm steckt – und die er versucht, wieder auf die Mannschaft zu übertragen. Doch es wäre falsch zu sagen, dass Wolf den zunehmenden Druck nicht spürt, von außen und innen. Schließlich naht die entscheidende Saisonphase und die Möglichkeiten Niederlagen zu korrigieren, werden von Spiel zu Spiel geringer. Doch es wäre ebenfalls falsch zu sagen, dass sich der 35-Jährige dadurch im Umgang mit dem Team verändert hat. Er ist klar in seinen Ansprachen und Vorgaben. Und wie schon in den Monaten zuvor ringt er mit sich und seinem Co-Trainer Miguel Moreira auch jetzt um die besten taktischen Lösungen.

Karlsruher SC: Das Pflichtspieldebüt des neuen Trainers Marc-Patrick Meister hat es gleich in sich: „Das ist cool, das ist geil“, sagte der 36-Jährige mit Blick auf das Derby. Ein Satz, der auch von Hannes Wolf stammen könnte. Kein Wunder – die beiden sind fast gleich alt und ticken ähnlich. In Dortmund haben sie zwei Jahre im Jugendbereich „gut zusammengearbeitet“, wie Wolf sagt. Meister hat vergleichsweise wenig zu verlieren – in Stuttgart wie in den verbleibenden Spielen. Sportdirektor Oliver Kreuzer hat signalisiert, mit ihm auch in die dritte Liga zu gehen. Auch auf die Gefahr hin, den Bruchsaler zu verbrennen. Den größeren Druck hat Kreuzer: Mit seinem Wunschtrainer Mirko Slomka ist er krachend gescheitert. Er wollte länger an ihm festhalten – scheiterte aber an den Widerständen im Verein.

Was blüht bei Misserfolg?

Wie sorgenvoll blicken die Fans auf das Derby?

VfB Stuttgart: Die VfB-Fans sind gespannt. Auf das Derby, auf die Mannschaft, auf den weiteren Saisonverlauf. Das wird sich am Sonntag im mit 58 000 Zuschauern ausverkauften Stuttgarter Stadion zu einer besonderen Atmosphäre verdichten. Laut und elektrisierend. „Wir haben die Stimmung gegen Dresden schon als außergewöhnlich wahrgenommen“, sagt der Trainer Hannes Wolf, „und das Spiel in München war ein gefühltes Heimspiel. Unglaublich.“ Auf diese bedingungslose Unterstützung von den Rängen kann sich der VfB verlassen. Dennoch begleitet das Team ein hohes Anspruchsdenken. Trotz des Wissens, dass der Weg mit jungen Spielern auch Risiken birgt. An eine Niederlage gegen den KSC will im VfB-Lager aber ohnehin niemand denken, weshalb Wolf sagt: „Wir würden den Fans gerne einen Sieg schenken.“

Karlsruher SC: Wolle Sauer und seine Entourage freuen sich aufs Derby, ganz klar. „Die Stimmung ist angeheizt, und sie ist gut“, sagt der Karlsruher Fanbetreuer. Selbstredend hat der KSC das volle Gästekontingent mit 5700 Tickets ausgeschöpft. Die ganz große Derbystimmung will sich angesichts der prekären sportlichen Situation aber nicht einstellen. In den Fanforen wurde schon mal mehr gehetzt, zu sehr lastet der drohende Abstieg auf der Fanseele. Überhaupt scheinen sich die Karlsruher in der jüngeren Vergangenheit von ihrem Verein ein Stück weit entfremdet zu haben. Zuletzt kamen zu den Heimspielen nur noch um die 12 000 Zuschauer, 4000 weniger als vor Saisonbeginn kalkuliert. „Ich fahre nicht nach Stuttgart“, äußerte ein Fan in Blau-Weiß, „keine Lust, von denen die Hucke voll zu kriegen.“

Was sind die Folgen bei einem Misserfolg?

VfB Stuttgart: Tabellarisch würde sich der VfB nach einer Derbyniederlage wohl plötzlich in der Rolle des Jägers statt des Gejagten wiederfinden. Emotional würde die Unruhe rund um den Wasenclub deutlich zunehmen. Die Zweifel wären zurück, dass die Stuttgarter den Sprung in die Bundesliga doch nicht direkt schaffen. Aber im Verein herrscht weitest gehend Ruhe. Die Führungscrew ist von ihrem Weg der Verjüngung überzeugt und will diesen auch im Falle des Misserfolgs nicht verlassen. Finanziell ist der VfB so aufgestellt, dass er die Lizenz für die zweite Liga erneut ohne Auflagen erhalten würde. Dennoch müsste nicht nur der Personaletat von 25 Millionen Euro reduziert werden – was die Notwendigkeit von frischem Geld im Grunde erhöht. Doch die geplante Ausgliederung der Profi-Abteilung in eine Fußball AG wären dann fraglicher denn je.

Karlsruher SC: Auch bei einer (fast schon einkalkulierten) Niederlage in Stuttgart wäre für den KSC noch nicht aller Tage Abend. Noch blieben genügend Spiele, um sich wenigstens in die Relegation zu retten. Andernfalls sieht es bald zappenduster über dem Wildpark aus. Nach dem letzten Spieltag rollen die Bagger an und beginnen mit dem Umbau in ein Fußball-Arena für 35 000 Fans. Als Drittligist würde das Stadion, über das 20 Jahre lang gestritten wurde, schwer lasten. Das Projekt hat sich im Laufe der Jahre auf 114 Millionen Euro verteuert. Der KSC soll durch Pachtzahlungen den Neubau bis 2030 mit 74,3 Millionen Euro refinanzieren. Die dritte Liga ist im Finanzierungsplan berücksichtigt, allerdings nur für ein Jahr. Der Zeitpunkt für ein neues Fußballstadion in Karlsruhe könnte günstiger sein.

Was macht Hoffnung?

Was macht Hoffnung?

VfB Stuttgart: Allein der Blick auf die Tabelle. Der VfB ist Zweiter – obwohl er seit fünf Spielen nicht mehr gewonnen hat. Das bedeutet, dass es in der Spitze offenbar keine Mannschaft gibt, die sich lässig durch die zweite Liga dribbelt. Das war auch in der vergangenen Saison so, als sich der SC Freiburg und RB Leipzig nach oben durchkämpften. Nun kommt zwar der KSC mit all den Derbybesonderheiten nach Stuttgart, aber eben auch das Schlusslicht mit all seinen sportlichen Schwächen. „Wir sind aber nicht in der Position, um einen Gegner zu unterschätzen“, sagt Hannes Wolf. Ohnehin fordert der VfB-Trainer grundsätzlich eine gesunde Mischung zwischen Respekt vor dem Kontrahenten und Selbstvertrauen. Passt diese, ist Wolfs Team gut genug, um in die Erfolgsspur zurückzukehren.

Karlsruher SC: Der Trainerwechsel von Slomka zu Meister vielleicht. Wie immer, wenn ein Neuer den Besen schwingt, kehren Glaube und Hoffnung zurück. Marc-Patrick Meister nährt sie mit Sätzen wie diesen: „Ich behalte mir vor, in alle Richtungen zu spinnen.“ Das Spiel in Stuttgart wolle er „offensiv angehen“. Nicht mit sechs Stürmern, aber mit einer „offensiven Haltung“. Vielleicht ist die Nichts-mehr-zu-verlieren-Haltung ja die letzte Rettung für den KSC. Schon ein Punktgewinn in Stuttgart würde die Mannschaft und das Karlsruher Umfeld beflügeln. Danach kommen mit dem 1. FC Heidenheim, dem SV Sandhausen und dem 1. FC Kaiserslautern allesamt schlagbare Gegner. Eines hat diese Saison ja bereits gelehrt: In dieser zweiten Liga ist alles möglich.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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