Die Fans vor der Großleinwand in Schorndorf sind froh, dass der VfB den ersten Schritt zum Klassenverbleib gemacht hat. Foto: Eva Herschmann

Die Anhänger des VfB Stuttgart erleben am Donnerstag echte Glücksgefühle: Christoph Narr vom Fanclub „Leiden.schaf(f)t VfB“ live im Stadion oder Biggi Starker in der Kalaluna-Sportsbar in Schorndorf.

Die Nervosität hat sich bei Christoph Narr früh eingestellt. Lange bevor der 54-Jährige am Nachmittag sein weiß-rotes Fan-Equipment zusammengepackt hat, um sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg in die Mercedes-Benz-Arena nach Bad Cannstatt zu machen, hat es in der Bauchgegend gekribbelt. „Ich schwanke zwischen Optimismus und Skepsis“, sagt der Präsident des Fanclubs „Leiden.schaf(f)t VfB“ aus Kernen-Stetten vor dem Spiel. 90 Minuten hat er dann in der Cannstatter Kurve gesungen, geschrien, gelitten – und drei Tore bejubelt. „Ich bin halt ein emotionaler Typ“, sagte Christoph Narr mit einem Grinsen im Gesicht nach dem 3:0-Sieg der Stuttgarter im ersten Relegationsspiel um den Verbleib in der Bundesliga.

Noch wenige Tage zuvor hatten die Anhänger des VfB Stuttgart gehofft, sie könnten die Nervenanspannung und die Relegation um den Klassenverbleib vermeiden. Bis zum 1:1 im letzten Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim am vergangenen Samstag. Doch sie sind wieder geschlossen hinter ihrem Verein gestanden. „Das Stadion war binnen Stunden ausverkauft“, sagte Christoph Narr, der seit 1984 eine Dauerkarte hat und automatisch sein Ticket für das Hinspiel daheim bekommen hat.

Und was, wenn doch der Abstieg kommt?

Til Dannenmann, 14 Jahre, und sein gleichaltriger Kumpel Silas Mopils, beide aus Schorndorf, sind oft im Stadion. Das Spiel des VfB Stuttgart gegen den Hamburger SV haben sie sich aber mit vielen anderen Fans in der Fußballbar Kalaluna, dem offiziellen VfB-Treff in Schorndorf, angeschaut. Für die Freunde stand schon vor Anpfiff der Partie fest, dass der VfB gewinnt. Allerdings hatten beide dem HSV ein Tor zugetraut. Ihre Tipps lauteten 3:1 und 4:1. „Und falls wir doch absteigen, gehen wir trotzdem weiter ins Stadion“, sagte Til Dannenmann trotzig.

Sie werden vermutlich auch in der nächsten Saison erstklassigen Fußball in Stuttgart erleben. Schon kurz nach Anpfiff konnten die kleinen und großen VfB-Fans jubeln. Im Stadion, am Fernseher daheim und vor der Leinwand im Zelt, neben die der Wirt und Fan Mattthias Kalafatis ein riesiges Banner mit dem Vereinswappen und dem Spruch „Weiss-Rot ist erstklassig“ gehängt hat. Nach 45 Sekunden traf Konstantinos Mavropanos zum 1:0 für die Stuttgarter ins Netz.

Biggi Starker fühlte sich dennoch in ihren Ängsten bestätigt, als Serhou Guirassy erst eine hundertprozentige Chance ausließ und einen Elfmeter vergab. „Ich wusste doch, dass es schwer wird“, stöhnte die Lageristin aus Lorch, die mit Tochter Nicole, Kollege Kevin Bauch und dessen Freund Marcel Hilt das Spiel im Kalaluna verfolgte.

Als der deutliche Sieg feststand, war sie „mega erleichtert“. „Denn wenn wir verlieren, ist mit mir gar nicht gut Kirschen essen. Ich habe meinen Chef vorgewarnt, dass ich besser am Freitag nicht in die Arbeit komme, falls wir es nicht packen“, sagte sie. So aber ist Biggi Starker tags drauf natürlich bestens gelaunt an ihren Arbeitsplatz erschienen.

Hans Hugo Wolf, der ein paar Tische entfernt im Kalaluna das Spiel beobachtete, war die ganze Zeit gelassen. Seinem Verein hält er seit Jahrzehnten die Treue und hat viele Erfolge und Niederlagen erlebt. Schon als junger Mann sei er mit einem Kumpel ins Stadion. „Er fuhr das Moped, und ich saß hinten mit der VfB-Fahne drauf.“ Auch Hans Hugo Wolfs Neffe Wolfgang Schuster und dessen elfjähriger Sohn Matti, der in der E-Jugend des TSV Adelberg in der Abwehr spielt, sind Fans, allerdings waren sie zunächst pessimistischer als ihr Verwandter. „Ich hoffe auf einen 2:0-Sieg für uns, aber ich befürchte, dass es ein Unentschieden wird“, sagte Wolfgang Schuster. „Für Spannung sorgt unser Verein ja immer.“

Die Fahrt nach Hamburg ist nicht vorgesehen

Nach dem 3:0-Sieg hat sich die Stimmung aber nicht nur bei den Fans in Schorndorf entspannt. Auch Christoph Narr ist zumindest zuversichtlicher. „Aber ich bin auch froh, wenn der Montag vorbei ist, und wir drin bleiben.“ Nach Hamburg wird er am Montag dennoch nicht fahren wie zwei andere Mitglieder des Stettener Fanclubs.

Er sei vor drei Jahren in Berlin dabei gewesen, erzählt der Präsident von „Leiden.schaf(f)t VfB“. „Das war gegen den 1. FC Union Berlin, und die lange Heimfahrt nach dem Abstieg war nicht schön.“ Vermutlich könnte er diesmal auf der Rückfahrt aus der Hansestadt den Klassenverbleib der Stuttgarter feiern. Doch die Entscheidung ist gefallen. Narr wird die Partie im Volksparkstadion entweder im Stammlokal, dem TV-Heim in Stetten, oder daheim am Bildschirm verfolgen. Auch dort wird er schreien, singen und – hoffentlich – jubeln.