Wie VfB-Trainer Tayfun Korkut seine beiden Sorgenkinder Ron-Robert Zieler und Nicolas Gonzalez vor dem Spiel bei Hannover 96 wieder in die Spur bringen will.
Stuttgart - Bundesligatrainer ist ein komplexer Job, das zeigt schon der Blick auf die Inhalte der Fußballlehrer-Ausbildung. Neben der reinen Lehre des Spiels zählen Taktik, Physiologie und Psychologie zu den Kernbereichen des zehnmonatigen Lehrgangs. Die Behauptung ist sicher nicht falsch: Ein guter Trainer muss vor allem ein sehr guter Psychologe sein. Sicher im Umgang mit der Öffentlichkeit und mit sportlichen Krisen. Und einer, der das Wort Menschenführung nicht nur buchstabieren kann.
Als ebensolcher ist Chefcoach Tayfun Korkut vom VfB Stuttgart in dieser Woche gefordert. Als Spielerversteher, der seinen beiden Pechvögeln vom vergangenen Wochenende wieder in die Spur hilft. Als da wären: Nicolás González, der verhinderte Torjäger. Und Torwart Ron-Robert Zieler, der beispiellose Eigentorschütze vom 2:1-Sieg gegen Werder Bremen. Die beiden wurden zu Protagonisten eines verrückten Spiels. Und doch sind ihre Fälle ganz unterschiedlich gelagert.
Zieler hilft die Erfahrung
„Ich kenne Ron schon länger und glaube nicht, dass ich mir da Sorgen machen muss“, bilanzierte Korkut Zielers Trainingseindrücke vor dem nächsten Spiel bei Hannover 96 an diesem Samstag (15.30 Uhr). Der Grund: Nach über 200 Bundesligaspielen kann den 29-Jährigen so schnell nichts schocken – noch nicht einmal ein Eigentor nach einem Einwurf. Auch die Tatsache, dass sich bei dem in der vergangenen Saison fast fehlerlos spielenden Schlussmann zuletzt einige Patzer wie gegen den SC Freiburg (3:3) und RB Leipzig (0:2) eingeschlichen haben, lässt Korkut kein bisschen an seiner Nummer eins zweifeln. Er habe schließlich schon oft gezeigt, dass er mit Fehlern gut umgehen könne.
Tatsächlich folgte auf die drei Gegentore von Freiburg, an denen Zieler allesamt nicht schuldlos war, die Galaleistung gegen Fortuna Düsseldorf (0:0). In Leipzig steigerte er sich nach seinem Patzer zum 0:1 schon während des Spiels – und bewahrte den VfB mit etlichen Paraden vor einer höheren Niederlage. Mit 25 gehaltenen Bällen nach sechs Spieltagen rangiert der frühere Nationaltorwart unter den 18 Bundesligakeepern auf dem ersten Platz.
Ein Experte aus der Fachwelt ist sich sicher: „Als mental starker Spieler kann er auch nach einem solchen Missgeschick wie gegen Bremen sofort wieder auf seine Potenziale zurückgreifen.“ Das Wissen um die eigene Stärke verdrängt in einem solchen Fall die Verunsicherung schnell.
Gonzalez hilft wohl nur ein Tor
Weil einem ja auch nichts anderes übrig bleibt, wie Timo Hildebrand aus eigener Erfahrung als langjähriger letzter Mann weiß: „Du kannst dich ja schlecht auswechseln lassen.“ Mit einer größt anzunehmenden Panne, wie sie Zieler am Samstag widerfahren ist, umzugehen, sei eine „enorme mentale Leistung“, sagt der frühere VfB-Torwart. Die Erfahrung spiele dabei eine entscheidende Rolle. Die spricht in diesem Fall für Zieler, der sich seines Status als Stammkraft obendrein sehr sicher sein kann.
Ganz anders verhält es sich bei Torlos-Stürmer Nicolás González. Der 20-Jährige spielt seine erste Saison fernab der argentinischen Heimat. In der Saisonvorbereitung noch Torschütze vom Dienst für den VfB, hat sein 16-Minuten-Auftritt gegen Werder Bremen mit vier vergebenen Großchancen in der Schlussphase das Potenzial für eine mittlere Sinnkrise. Weshalb Tayfun Korkut bei ihm nach ganz oben in die psychologische Instrumentenkiste griff: Einzelgespräch. Der 44-Jährige sprach seinem Schützling Mut zu, zeigte ihm aber zugleich Defizite auf. Weniger beim Torabschluss, als in der Defensivarbeit.
„Alles andere geht über harte Arbeit. Die vergebenen Torchanchen dürfen ihn nicht zurückwerfen“, sagt Korkut, der bei González nicht alleine als psychologischer Aufbauhelfer gefragt war. Nach dem Ende der Ära von Teampsychologe Philipp Laux „sind auch unsere erfahrenen Spieler wie Mario Gomez für so etwas zuständig. Er hat ein paar Sätze mit ihm gewechselt.“ Nicht zuletzt die Fankurve hätte das ihre getan, González aufzubauen, so Korkut.
Ob das hilft, dem jungen Mann die für einen Torjäger unerlässliche Selbstsicherheit wieder einzuimpfen? Mehr als all das kann nur eines helfen: Das erste Tor.