Das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart bietet auch dem 1. FC Nürnberg eine Chance: Ein Sieg wäre nochmals ein Höhepunkt in einer ansonsten desolaten Zweitliga-Saison.
Nürnberg - Jens Keller wäre nicht Jens Keller, wenn er der angeblichen Spaßveranstaltung vor ein paar Tagen im Training nicht etwas Ernsthaftes abgewonnen hätte. Der ehemalige VfB-Profi Keller, der auch als Trainer Pragmatiker und Kämpfer geblieben ist, war vor dem Duell mit seinem Ex-Club an diesem Sonntag (15.30 Uhr) wie gewohnt im nüchternen Kampfmodus. Also sagte der Coach des 1. FC Nürnberg vor dem Zweitligaspiel gegen den VfB Stuttgart am Freitag dies: „Das haben wir nicht zum ersten Mal gemacht im Training – da geht es um Handlungsschnelligkeit, visuelle Wahrnehmung und Konzentrationsfähigkeit.“
All das kann der Tabellen-15. am vorletzten Spieltag gegen den VfB gut gebrauchen – weshalb die Einlagen von Co-Trainer Thomas Stickroth, der im Training kürzlich mit einem Tamburin den Takt vorgab, ehe die Profis synchron den Arm heben oder den Kopf drehen mussten, laut dem Chefcoach eben keine reine Gaudinummer waren. Obwohl alle Spieler dem Vernehmen nach so herzhaft lachten wie schon lange nicht mehr.
Beim Club geht es spaßig zu
Dabei lagen die Gedanken und die Überschriften des Boulevards nach der lustigen Einheit nahe: Der Spaß ist zurück beim Club, so stand es in großen Buchstaben geschrieben. Denn der jüngste 6:0-Sieg beim SV Wehen-Wiesbaden sorgte für einen unerwarteten Stimmungsumschwung rund um den fränkischen Fußballstolz, da passte der lustige Tambourine-Man Stickroth in dieser Woche wunderbar ins Bild.
Vorher aber gab es lange keinen Spaß und Rhythmus beim Club, der in einem Moll-Modus war. Denn vor dem Coup von Wiesbaden hatte Nürnberg 109 Tage auf einen Sieg gewartet, vor dem 6:0 war mit der Derby-Niederlage gegen Greuther Fürth der Tiefpunkt erreicht. Jetzt plötzlich aber kann der Club bei aktuell drei Punkten Vorsprung auf den Tabellen-16. Karlsruher SC womöglich schon an diesem Sonntag den Klassenverbleib perfekt machen und die völlig missratene Saison mit einem blauen Auge beenden.
Keller will „eine gewisse Ekligkeit“
Wie das gehen soll mit dem Dreier gegen den VfB, das betonte Keller in gewohnter Manier am Freitag auf der Pressekonferenz – bei der er so grimmig dreinschaute, als wolle er sich am Sonntag entschlossen selbst aufstellen, um auf dem Platz dazwischen zu fegen: „Der VfB hat eine enorme Qualität, ist sehr spielstark und hat starke Individualisten“, sagte der Coach – und betonte: „Wir müssen eine gewisse Ekligkeit ins Spiel reinbringen, ohne unfair zu sein.“
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So oder so ähnlich stellte Keller (49) seine Jungs sicher auch in den vergangenen Monaten ein – allein: Der Erfolg blieb aus. Nur fünf Siege gelangen Nürnberg unter dem Coach in 19 Partien. Dabei war der FCN im Sommer 2019 als Absteiger aus der Bundesliga mit anderen Ambitionen in die Saison gestartet. Schnell wurde dann erst unter dem Mitte November entlassenen Coach Damir Canadi und später auch unter Nachfolger Keller klar, dass der mit 16 Neuzugängen zusammengestellte Kader nicht aufstiegstauglich ist. Und dass stattdessen der Durchmarsch von der ersten in die dritte Liga droht. Kenner des Clubs wie der ehemalige Torhüter Raphael Schäfer kritisierten den Austausch der nahezu kompletten Abstiegsmannschaft im Sommer, weil die am wenigsten für die Misere gekonnt habe.
Jobgarantie für den Trainer
Jedenfalls brachte erst der Österreicher Canadi keinen Erfolg, dann folgte Keller, der nun einen noch schlechteren Punkteschnitt aufweist als sein Vorgänger. Kein Wunder, dass nach der Niederlage gegen Fürth über eine Entlassung Kellers spekuliert wurde – allein: Der Sportvorstand Robert Palikuca stellte dem gebürtigen Stuttgarter, der im Jahr 2010 ein paar Monate lang VfB-Trainer war, eine Jobgarantie aus. Palikucas Begründung: „Jens ist ein herausragender Trainer und Mensch, der nach wie vor jeden einzelnen Spieler in dieser Mannschaft erreicht. Warum sollte man, wenn man von etwas überzeugt ist, das Gegenteil unternehmen? Aktionismus war im Fußball noch nie ein guter Wegbegleiter.“