Aufsichtsratschef Joachim Schmidt (li., mit VfB-Präsident Bernd Wahler) Foto: dpa

Der VfB Stuttgart muss sich verstärken. Aufsichtsratschef Joachim Schmidt relativiert: „Der Verein steckt finanziell in engen Zwängen. Im Winter kommt sicher nicht der ganz große Name.“

- Herr Schmidt, vervollständigen Sie doch bitte den folgenden Satz: Für den VfB war 2014 . . .
. . .  ein sehr schwieriges und turbulentes Jahr. Wir haben nahezu ständig gegen den Abstieg gespielt und sind noch dazu auch im DFB-Pokal ausgeschieden.
Dazu kamen 2014 drei Trainerwechsel und die Entlassung von Sportdirektor Fredi Bobic.
Das alles hat nicht die positive Aufbruchstimmung gefördert, die wir alle gemeinsam angestrebt haben. Aber ich muss diese kurzfristige Betrachtung auch etwas relativieren. Der VfB hat in den vergangenen zwölf Jahren neunmal international gespielt, davon dreimal in der Champions League, und ist zweimal im Pokalfinale gestanden.
In den Köpfen aller bleibt aber der ständige Kampf gegen den Abstieg hängen.
(Schmunzelt) Ich frage manchmal im Freundeskreis: Wer war 2013 im Pokal-Endspiel? Keiner sagt: Der VfB. Und auf meine Frage, wie der VfB 2012 abgeschnitten hat, höre ich häufig: Da ging es gegen den Abstieg. Dabei waren wir Sechster.
Schön und gut, aber das hilft jetzt alles nichts.
Ich will auch überhaupt nichts schönreden. Aber Fakt ist auch, dass der Verein in diesem Zeitraum mit dem Stadion, dem Nachwuchsleistungszentrum und dem gesamten Trainingsgelände eine hervorragende Infrastruktur aufgebaut hat. Und er ist im Marketing sehr gut aufgestellt. Nach wie vor liegen alle Rechte in unserer Hand. Damit will ich sagen: Die Randfaktoren stimmen, aber die sportliche Situation ist nicht befriedigend.
Auf die kommt es aber vor allem an. Der Imageschaden ist bereits immens.
Die sportliche Lage macht das ganze Umfeld nervös. Der VfB prägt die gesamte Region. Deshalb müssen und werden wir wieder bessere Zeiten erleben.
Was macht Sie zuversichtlich?
Als Aufsichtsratsvorsitzender ist es meine Aufgabe, zusammen mit meinen Kollegen die Vereinsführung zu kontrollieren. Und ich sage: Die Kaderplanung ist die Königsdisziplin, daran hängt so vieles, nicht nur im sportlichen Bereich – da müssen und werden wir uns verbessern.
Warum lief da zuletzt so viel falsch?
Der verantwortliche Mann für die Kaderplanung ist der Sportvorstand. Deshalb hat der Verein beschlossen, sich von Fredi Bobic zu trennen. Man darf aber nicht vergessen, dass er zunächst den Spieleretat deutlich reduzieren musste. Deshalb haben wir die ersten Jahre mit ihm auch anders bewertet.
Und dann hat sich der Wind gedreht?
Ich bin der Meinung: Auch mit unserem jetzigen Etat muss ein einstelliger Tabellenplatz möglich sein. Das ist uns in den letzten zweieinhalb Jahren aber nicht gelungen.
Stattdessen ist der VfB im sportlichen Bereich ein Getriebener, der stets reagieren muss, ohne selbst gestalten zu können.
Jeder Verein ohne sportlichen Erfolg ist ein Getriebener. Mut machen uns Vereine wie Borussia Mönchengladbach oder auch die TSG Hoffenheim, die in einer ähnlichen Lage waren und sich aus dem Schlamassel gezogen haben. Die Voraussetzung dafür ist aber eine gute Kaderplanung. Das ist, ich wiederhole das gerne, die Königsdisziplin.
Dafür ist jetzt Jochen Schneider zuständig – mittelfristig auch?
Nach der Trennung von Fredi Bobic waren wir uns einig, dass er die sportliche Seite abdecken kann – dennoch müssen wir auch andere Möglichkeiten durchdenken.
Das klingt nicht nach großem Vertrauen.
Durch Jochen Schneider ist auf dieser Position kein Vakuum entstanden. Aktuell sehen wir keine Notwendigkeit, überstürzt zu handeln. Wir lassen uns nicht treiben.
Wie viel Zeit geben Sie sich?
Der künftige Sportdirektor muss allerspätestens im Amt sein, um die nächste Saison planen zu können. Wir werden das also in nicht allzu ferner Zeit entscheiden.
Welche Kriterien sind ausschlaggebend?
Wir schauen uns genau an, wie Jochen Schneider seine Aufgaben erfüllt. Wir prüfen auch externe Kandidaten, die viel Erfahrung im sportlichen Bereich mitbringen.
Wie viele Kandidaten sind aktuell im Rennen?
Mehrere.
Wie wir wissen, auch Robin Dutt. Ihr Eindruck?
Auf einzelne Namen gehe ich nicht ein. Wir sind mit mehreren Kandidaten in Gesprächen.
Das bedeutet im Endeffekt: Wenn Sie sich für Schneider entscheiden, muss er sich wie die dritt- oder viertbeste Lösung vorkommen.
Wir haben mit ihm auch besprochen, dass es die Möglichkeit gibt, dass er es nicht wird. In diesem Fall würde ich mir aber sehr wünschen, dass er dem VfB in verantwortlicher Funktion erhalten bleibt.
Schneider muss die Mannschaft verstärken. Wie groß ist sein finanzieller Spielraum?
Der VfB kann keine Weihnachtsgeschenke erwarten, und wir stecken wirtschaftlich in engen Zwängen. Im Sommer hatten wir große Ausgaben im Transferbereich ohne die entsprechenden Einnahmen.
Konkret: Was ist möglich?
Wir sind gehalten, kleine Schritte zu machen. Im Winter kommt sicher nicht der ganz große Name.
Es sei denn, Sie verkaufen einen Spieler wie Antonio Rüdiger, der richtig Geld einbringt.
Das kann ich mir nicht vorstellen.
Weil Sie zuvor dazwischengrätschen würden?
Ich kann es mir nicht vorstellen. Belassen wir es dabei. Aber es gibt ja auch gute Spieler, die kleine Summen kosten.
Darauf hätte der Verein viel früher kommen können – und nicht Filip Kostic für sechs Millionen Euro kaufen dürfen.
Filip Kostic ist auch als Investition in die Zukunft zu betrachten. Wir glauben an ihn. Ich räume aber ein, dass in manchen Fällen nicht alles optimal gelaufen ist. Deshalb müssen wir unseren Scoutingbereich stärken. Ich wünsche mir künftig eine engere Verzahnung zwischen der sportlichen Führung und unserer Scoutingabteilung, enger als bisher auf jeden Fall.
Wie eng stehen die Sponsoren noch zum VfB nach zweieinhalb Jahren Dauerkrise?
Natürlich erwarten unsere Partner, dass der VfB sich berappelt. Auf der Vereinsführung lastet ganz klar der Druck, den Verein zu stabilisieren. Andernfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Sponsor über kurz oder lang sein Engagement überdenken könnte. Andererseits haben wir gerade mit unserem Ausrüster Puma und der Brauerei Krombacher verlängert.
Zu reduzierten Bezügen?
Nein. Mit dem Abschluss sind beide Seiten zufrieden. Aber ich sage Ihnen auch eines: Noch wichtiger ist, dass der VfB auf dem Platz wieder für gute Nachrichten sorgt.
Was nichts an der angestrebten Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung ändert. Bleibt es dabei, die Mitglieder im Frühjahr darüber abstimmen zu lassen?
Der Verein hat bisher keinen konkreten Termin genannt, wann es so weit sein wird.
Bisher war immer vom Frühjahr die Rede.
Das haben Sie von unserem Präsidenten Bernd Wahler und auch von mir nie gehört. Wir haben immer gesagt, dass wir erst gewisse Voraussetzungen prüfen müssen – juristische, strukturelle und personelle.
Sind Sie so defensiv, weil Sie ahnen, dass die Mitglieder Ihnen die notwendige Stimmenmehrheit von 75 Prozent verweigern werden?
Auch dieses Kriterium müssen wir abwägen.
Womöglich fehlen auch noch Investoren?
Wenn es eine Ausgliederung gibt, dann nur in Form einer Aktiengesellschaft mit wenigen Partnern, die möglichst aus der Region kommen. Wir sind nach wie vor sehr zuversichtlich, diese Partner zu finden.
Vervollständigen Sie doch bitte noch einen Satz: Für den VfB wird 2015 . . .
. . . ein stabileres Jahr als 2014 – hoffentlich in allen Bereichen./