Die Not nach dem verheerenden Taifun "Haiyan" treibt die Menschen auf den Philippinen zu Verzweiflungstaten. Foto: dpa

Es sind Bilder, die an die verheerende Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 erinnern: Zerstörte Häuser und Überlebende, die in den Trümmern nach Essen und Trinkwasser suchen. Die so dringend benötigte Hilfe kommt nur langsam an.

Es sind Bilder, die an die verheerende Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 erinnern: Zerstörte Häuser und Überlebende, die in den Trümmern nach Essen und Trinkwasser suchen. Die so dringend benötigte Hilfe kommt nur langsam an.

Manila - Trotz Hilfsangeboten aus aller Welt kämpfen Hunderttausende Opfer des verheerenden Taifuns „Haiyan“ auf den Philippinen ums nackte Überleben. Die Zerstörungen erreichen ein apokalyptisches Ausmaß. Die Versorgung mit dem Nötigsten kommt kaum voran, auf vielen Straßen türmt sich Schutt meterhoch. In der schwer betroffenen Stadt Tacloban wurden 40 Tonnen Hilfsgüter verteilt - angesichts der Verwüstungen war das wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Überall liegen Leichen, die Seuchengefahr wächst. Auch auf der UN-Klimakonferenz in Warschau war „Haiyan“ Thema.

Taifun „Haiyan“ hat gewütet wie ein Tornado, nur auf einer viele hundert Mal größeren Fläche. Nur die Verwüstung nach dem Tsunami 2004 in Indonesien und auf Sri Lanka ist mit den jetzigen Zerstörungen zu vergleichen.

„Help! SOS!“ hat ein Verzweifelter in Tacloban auf eine gelbe Containerwand gepinselt, vielleicht in der Hoffnung, dass Carepakete aus Flugzeugen abgeworfen werden können. Ein Junge stakt barfuß durch den Haufen aus Holz, Metall und Gestein davor.

Millionen sind betroffen

Millionen Menschen sind betroffen. Wie viele umgekommen sind, war weiter unklar. Auf Schätzungen von mehr als 10.000 Toten geht die philippinische Regierung nicht ein. Sie erklärte die Region zum Katastrophengebiet. „Ich versichere allen: die Hilfe kommt in den nächsten Tagen schneller an. Ich appelliere an alle: bleibt ruhig, betet und helft einander. Nur so können wir diese Tragödie meistern“, beschwor Präsident Benigno Aquino seine Landsleute, aber für viele ist das kein Trost.

Geschäfte sind geplündert, ein Hilfskonvoi wurde nach Angaben des Roten Kreuzes ausgeraubt. „Die Sicherheitslage wird eine immer größere Herausforderung“, schrieb Greg Barrow, Sprecher des UN-Ernährungsprogramms, auf Twitter. „Die Bevölkerung bewegt sich vom Land in die Stadt auf der Suche nach Wasser, Essen, Hilfsmitteln.“ Polizeisprecher Reuben Sindac sagte im Fernsehen: „Die Leute sagen, die Situation zwingt die Menschen zu Verzweiflungstaten. Wir haben Verständnis, aber wir können keine Anarchie akzeptieren.“

Die Versorgungslage ist auch deswegen so prekär, weil der Flughafen von Tacloban schwer beschädigt ist. Die ganz großen Maschinen können dort nicht landen. An Bord der ersten Flugzeuge waren Bagger und Kräne, dann kam medizinisches Personal. Im Fernsehen war im fast eingestürzten Flughafengebäude eine Notklinik zu sehen.

In den Straßen liegen Leichen

Überall in den Straßen liegen Leichen. Nach drei Tagen in der schwülen Hitze sei der Verwesungsgeruch überwältigend, sagte Gilda Malinao im Radio: „Der Gestank ist entsetzlich, die Kinder halten es nicht mehr aus.“ Die Lokalbehörden bereiteten Massengräber vor, aber angesichts des Elends der Überlebenden gibt es nicht genügend Helfer für alle Aufgaben. Tausende Soldaten sind im Einsatz, auch die US-Armee ist vor Ort.

Reporter erreichten mit Mopeds den Ort Guiuan gut 100 Kilometer südöstlich von Tacloban, wo der Taifun am Freitagmorgen über die Küste hereinbrach. Dort lebten vorher 50 000 Menschen. Sie zeigten auf dem Nachrichtensender ANC Bilder unglaublicher Verwüstung: Der Rest eines Kirchturms ragt in die Luft. Tonnenschwere Gesteinsbrocken sind meterweit verstreut. Fast alle Häuser und Hütten sind zerstört. Panik scheint es nicht zu geben - vielmehr laufen die Menschen wie betäubt durch die Straßen. Einige suchen in den Trümmern, die kilometerlang die Küste bedecken, nach Brauchbarem.

50 Kilometer weiter nördlich landet in Hernani erstmals ein Militärhubschrauber. Fotografen sind an Bord und zeigen mit den ersten Luftaufnahmen das Ausmaß der Verwüstung. Kilometerweit sind an den Stränden nur noch Trümmerteile zu sehen. Einige Verletzte nimmt das Militär auf dem Rückweg mit nach Tacloban.

Deutschland leistet Soforthilfe

Viele Länder sind zu Hilfen für die Philippinen bereit. „Deutschland will sich in dieser schweren Zeit als ein guter Partner der Philippinen zeigen. Das Land soll wissen, dass Deutschland an seiner Seite steht, auch über längere Zeit“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Als ersten Schritt hatte Deutschland eine Soforthilfe von 500.000 Euro angekündigt.

Andris Piebalgs, EU-Entwicklungskommissar, war zufällig auf den Philippinen. „Wir sind entschlossen sicherzustellen, dass die EU-Hilfe die verletzlichsten Menschen so schnell wie möglich erreicht“, teilte er mit. Am Wochenende gab die Kommission drei Millionen Euro Nothilfe frei. Auch US-Präsident Barack Obama hatte sich zuvor bestürzt über das Ausmaß der Katastrophe geäußert und den Philippinen zusätzliche Hilfe der USA angeboten.

Auf der UN-Klimakonferenz in der polnischen Hauptstadt Warschau spielte die Katastrophe ebenfalls eine Rolle. „Wir alle spüren die Auswirkungen des Klimawandels“, sagte der polnische Umweltminister und Konferenzpräsident Marcin Korolec mit Blick auf den Taifun. Die Unwetterkatastrophe sei der Beweis, dass eine Niederlage im „ungleichen Kampf zwischen Mensch und Natur“ drohe. Stefan Rahmstorf, Ozeanologe am Potsdamer-Institut für Klimafolgenforschung, sagte: „Der Taifun Haiyan war wahrscheinlich der stärkste Tropensturm, der seit Beginn der Beobachtungen auf Land traf.“

Am Montag traf der Taifun in Vietnam auf die Küste und zog weiter über die chinesische Provinz Hainan. Er hatte sich deutlich abgeschwächt.