Zumindest nach außen meist ein Herz und eine Seele: Heinrich Fiechtner (rechts) und seine drei Fraktionskollegen im Gemeinderat. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Erst kündigte der AfD-Politiker Heinrich Fiechtner seinen Austritt aus der Gemeinderatsfraktion für Mitte Dezember an. Der Parteidissident, der bereits Partei und Landtagsfraktion verlassen hat, will nun aber doch länger an Bord bleiben.

Stuttgart - Raus aus die Kartoffeln, rein in die Kartoffeln: Noch am vergangenen Samstag hatte der Stadtrat und bisherige AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner nach seinem Austritt aus der Landespartei und der Landtagsfraktion angekündigt, auch die Ratsfaktion zum 16. Dezember verlassen zu wollen. Am Montag dann verkündete der Vorsitzende der AfD-Ratsfraktion, Bernd Klingler, Fiechtners Rücktritt vom Austritt: „Wir haben vereinbart, dass Herr Fiechtner der Fraktion auch über die Haushaltsberatungen hinaus angehören wird.“ Dem Vernehmen nach will Fiechtner dann möglicherweise erst im kommenden Jahr seine Ankündigung wahr und danach als Einzelstadtrat weiter machen. An diesem Donnerstag wollen die drei noch verbliebenen AfD-Stadträte mit dem Parteilosen den weiteren Fahrplan konkretisieren.

Klar ist: Sollte Fiechtner wann auch immer die Ratsfraktion der Rechtspopulisten verlassen, droht der AfD ein empfindlicher finanzieller Aderlass und der Verlust an politischem Einfluss. Wie schon die FDP, die nach dem Übertritt Klinglers Anfang 2015zur AfD nur noch aus drei Stadträten besteht und ihren Fraktionsstatus verlor, wäre sie nicht mehr in allen Ausschüssen und Aufsichtsräten vertreten. Das Sitzungsgeld für den derzeitigen Fraktionschef Klingler würde sich halbieren, das Fraktionsbudget würde sich von 121 000 Euro jährlich auf 48 000 Euro reduzieren. Die Grünen bezeichneten Fiechtner in einer Presseerklärung daher bereits als „Steigbügelhalter für den Fraktionsstatus“. Fiechtner selbst könnte profitieren, zumindest was das Rederecht im Plenum anlangt: Er könnte als Einzelstadtrat wie sein Kollege, der Stadtist Ralph Schertlen, zu jedem Tagesordnungspunkt im Gemeinderat das Wort ergreifen.

In der Kreispartei galt Fiechtner schon immer als Außenseiter

Auf seiner Pressekonferenz, in der Fiechtner seinen Schritt mit mafiösen Strukturen in der AfD-Landtagsfraktion im Zusammenhang mit dem Thema Antisemitismus begründet hatte, offenbarte der Onkologe zugleich, dass er mit den „lieb gewordenen Kollegen“ im Gemeinderat keine derartigen Probleme habe. Doch zumindest in der AfD-Kreispartei war Fiechtner schon vor seinem angekündigten Austritt ein Außenseiter. Karl-Friedrich Hotz etwa, neben Fraktionschef Klingler einer von zwei Parteisprechern, war nach Informationen aus Parteikreisen dem Stadtrat in herzlicher Abneigung verbunden.

Während er sich im Landtag mehrfach gegen die offizielle Partei- und Fraktionslinie gestellt hatte und sich dadurch das Image eines Parteirebellen erwarb, galt er im Rathaus als Querulant und Rechtsaußen der Fraktion: Sein Vergleich von Hitlers „Mein Kampf“ mit dem Koran und beleidigende Äußerungen gegenüber OB Fritz Kuhn (Grüne) trugen ihm ein Parteiausschlussverfahren ein, dass aber ohne Konsequenzen blieb. Sein Antrag, vom Kreisverband Göppingen – wo er bei der Landtagswahl 2016 sein Landtagsmandat errang – wieder in die Stuttgarter Parteigliederung wechseln zu wollen, wurde dem Vernehmen nach in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt.

Fraktions- und Parteichef Klingler spricht von Krise

Fraktions- und Parteisprecher Klingler, der dem Kollegen ansonsten nichts Negatives ins Stammbuch schreiben will, spricht von einer „extrem schwierigen Situation“. Er wisse nicht, ob und wie lange das mit dem parteilosen Stadtrat weiter funktioniere. Fiechtner, dem auch in der AfD nachgesagt wird, er sei schon immer eine Art Einzelstadtrat mit hohem Sendungsbewusstsein gewesen, habe ein „extrem breites Spektrum“ an politischer Gesinnung. Freilich gebe es aus der Partei auch Kritik: „Natürlich wird darüber diskutiert, ob wir mit einem Parteiabtrünnigen weiter zusammenarbeiten können“, so Klingler. Der Fraktionschef sprach von einer „echten Krise“, in die Fiechtners Ankündigung Partei und Fraktion gestürzt habe. Fiechtner präzisierte am Montag das Datum für seinen Rückzug aus der AfD-Fraktion. Er werde zum Februar kommenden Jahres auch die Gemeinderatsfraktion verlassen, sagte der Stadtrat auf Anfrage unserer Zeitung.