Foto: dpa

Der Verwaltungsrechtler Christian Koch spricht im Interview über Beamte, Alimentation und Sparpläne.

Die grün-rote Landesregierung will bei den Beamten sparen. Stellen sollen abgebaut werden, außerdem sind Einschnitte bei der Besoldung geplant. Verwaltungswissenschaftler Christian Koch aus Speyer meint, Tarifabschlüsse müssten nicht immer auf die Beamten übertragen werden.

Herr Professor Koch, warum brauchen wir Beamte?
Beamte nehmen hoheitliche Aufgaben wahr, sie müssen Gesetzesbefehle umsetzen, die letztlich wir alle durch Wahlen zu den Parlamenten auf den Weg gebracht haben. Es bedarf eines Personals, das in der Lage und willens ist, den staatlichen Vollzugsauftrag umzusetzen, auch wenn es unangenehm wird. Das kann man nur eingebettet in ein Vertrauensverhältnis zuverlässig leisten. Das Grundgesetz spricht hier von einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Beamte sind auf Lebenszeit ihrem Dienstherrn verpflichtet und richten sich in ihrer gesamten beruflichen Existenz auf diese Aufgabe ein. Dafür werden sie von ihm unter anderem alimentiert. Das erleichtert es ihnen, sich mit vollem persönlichem Einsatz ihren Aufgaben zu widmen. Wer so gesichert ist, kann leichter Weisungen, die er für fachlich verfehlt oder gar für rechtswidrig hält, widerstehen und entsprechende Konflikte aushalten. Das sehen Politiker, die eine anpassungsfähige Verwaltung wollen, nicht unbedingt gern.


Beamte stehen nicht gerade im Ruf, besonders aufmüpfig zu sein.
Manchmal wird das nicht so deutlich, weil bei Stellenbesetzungen gerade in höheren Führungsebenen wohl doch auch Wert auf politische Anpassungsfähigkeit gelegt wird. Der rechtliche Rahmen kann Beamte in ihrer intelektuellen, fachlichen und persönlichen Unabhängigkeit nur stärken.

Welche Aufgaben sind denn hoheitlich?
Es gibt einen Kernbereich hoheitlicher Eingriffsbefugnisse. Im Übrigen muss man diese Aufgabenkreise und Befugnisse festlegen. Im Beamtengesetz von Rheinland-Pfalz ist verankert, dass Lehrer Beamte sein sollen. Ihre Beteiligung an Verwaltungsakten, an Aufgaben wie der Versetzung oder Nichtversetzung, aber auch ihr fachlicher und pädagogischer Auftrag mögen hier maßgebliche Argumente sein. Andere Länder legen hier den Schwerpunkt auf Tarifbeschäftigte. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine gewisse Akzentverschiebung aufgetreten, was die Sicht auf das spezifisch Hoheitliche einer (Staats-) Aufgabe betrifft und die Notwendigkeit, diese durch Beamte wahrnehmen zu lassen.

Welche hoheitlichen Aufgaben sind aus Ihrer Sicht unverzichtbar?
Überall dort, wo staatliches Funktionspersonal an der Gestaltung von Verwaltungsakten beteiligt ist, wo ein unmittelbarer Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre des Bürgers angeordnet wird, muss letztlich ein Beamter die Verantwortung übernehmen. Manche sagen, bei der Polizei müsste nur ein Kern von Eingriffsbefugnissen von Beamten wahrgenommen werden, und verweisen etwa auf das private Sicherheitsgewerbe. Hier litten aber nicht zuletzt Teamgeist und Einsatzfähigkeit. Damit ein Staat als Hoheitsträger wahrgenommen wird und auch in der Durchsetzung belastender Entscheidungen präsent ist, braucht er einen zuverlässigen Beamtenapparat. Aber Diskussionen über das Beamtentum sind wichtig für die Selbstvergewisserung und tragen dazu bei, immer wieder das spezifische Beamtenethos auf den Prüfstand zu heben. Denken Sie nur an die bei uns sehr gering gehaltenen Gefahren der Korruption.

Vor allem Eltern und Schulleiter kritisieren, dass ungeeignete Lehrer unkündbar sind.
Die mangelnde Eignung ist ein Problem, das bei der Einstellung eines jungen Beamten nicht in jedem Fall absehbar ist. In solchen Fällen geht es auch um mangelnde Leistungen, die sich vielleicht erst im Laufe eines langen Berufslebens einstellen. Bei Beamten bietet hier das Disziplinarrecht differenzierte erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten. Tarifbeschäftigte wären zwar leichter kündbar, oft aber sicher nur um den Preis arbeitsgerichtlicher Konflikte. Ob man dem Problem mit einem Statuswechsel beikäme, ist fraglich. Lehrer sind nach vielen Seiten hin Konflikten ausgesetzt: gegenüber Schülern, Eltern, Kollegen, Schulleitung. Um das auszuhalten, brauchen sie einen stabilen Rahmen, den der Beamtenstatus bietet.

Zieht umfassende Absicherung nicht vor allem die an, denen Sicherheit am wichtigsten ist?
Das Alimentationsprinzip hat natürlich eine bestimmte Attraktivität. Man kann niemandem verdenken, wenn er diesen Aspekt einbezieht. Auf eine solche materielle Absicherung gründet sich möglicherweise auch ein zusätzliches Moment der Loyalität. Man kann das Absicherungsargument relativieren, indem man Beamte stärker an der Vorsorge für den Krankheitsfall beteiligt oder noch mehr leistungsbezogene Gehaltsanteile definiert. Aber im Kern soll die Besoldung dem Amt angemessen sein, und durch gewisse Versorgungselemente muss der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nachkommen. Schließlich hat er die Beamten auf Lebenszeit verpflichtet und damit zumeist auch zum Verzicht auf berufliche Alternativen.

Die grün-rote Landesregierung will bei den Beamten sparen. Wie viel Spielraum hat sie?
Das Versorgungskonzept darf entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst werden. Das Bundesverfassungsgericht sagt, Anpassungen sind möglich – wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte dürfen einbezogen werden; auch der Beamte soll angemessen teilhaben am wirtschaftlichen Erfolg und am sozialen Fortschritt. Rein fiskalische Argumente, etwa die Finanznot des Staates, allein, reichen als Argument für Gehaltskürzungen nicht.

Ist eine Nullrunde oder Deckelung vertretbar?
In der derzeitigen Situation kann man eine Deckelung durchaus vertreten. Es gibt im Übrigen keinen Automatismus, dass Tarifabschlüsse immer auf die Beamten übertragen werden. Der Gesetzgeber, der über die Beamtenbesoldung entscheidet, orientiert sich indessen regelmäßig an den Ergebnissen der Tarifverhandlungen. Hinter jeder Deckelung und Streichung stehen ein parlamentarischer Prozess und eine parlamentsgesetzliche Entscheidung. Der Dienstherr kann überdies seinen Beamten auch nicht einfach sagen, ihr seid zu viele, und deshalb müsst ihr euch bescheiden. Das haben nicht die Beamten zu verantworten, es ist Folge politischer Entscheidungen. Wenn man den Beamten die Lasten entgegenhält, die sie auslösen, dann muss man sagen: Hier hat die Politik seit Jahrzehnten versäumt, entsprechend Vorsorge zu treffen. Inzwischen werden die Beamtenversorgungslasten zumindest ansatzweise auch durch Pensionsfonds abgesichert – das kommt aber alles viel zu spät. Das ist ein Politikversagen, das nur in Grenzen auf die Beamten zurückfallen darf.