Ein Gericht erklärt das Versammlungsverbot des Landratsamts Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für unzulässig. Ein Willkommensfest kann stattfinden – aber vermutlich auch rechte Demos. Auf dem Fest wird Sachsens Innenminister nicht eben freundlich empfangen.
Stuttgart - Das umstrittene Versammlungsverbot für Heidenau ist von der Justiz wieder gekippt worden. Damit darf in der sächsischen Kleinstadt, wo es vor einer Woche gewalttätige Proteste gegen Flüchtlinge gegeben hatte, an diesem Wochenende demonstriert werden. Neben einer Willkommensfeier für Asylbewerber, die am Freitagnachmittag begann, sind neue Aufmärsche von rechten Gruppen geplant. Trotz der bundesweiten Appelle zur Unterstützung von Flüchtlingen gab es erneut einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim. Dabei wurde in Salzhemmendorf bei Hameln (Niedersachsen) niemand verletzt.
Das Verwaltungsgericht Dresden hob das geplante Versammlungsverbot, das nach dem Willen der Behörden für das gesamte Wochenende gelten sollte, am Freitag in einer Eilentscheidung auf. Die Richter entschieden, dass der „polizeiliche Notstand“, mit dem es der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge begründet hatte, nicht hinreichend belegt worden sei. Die Verfügung, mit der alle Veranstaltungen unter freiem Himmel untersagt werden sollten, sei „offensichtlich rechtswidrig“.
Özdemir auf Willkommensfest
Die Richter gaben damit dem Eilantrag eines Bürgers statt, der an einer vom Bündnis Dresden Nazifrei angemeldeten Kundgebung teilnehmen wollte. An der Willkommensfeier in der Nähe des Flüchtlingsheims - einem ehemaligen Baumarkt - nahmen am Nachmittag mehr als 200 Menschen teil. Das Versammlungsverbot, das nicht nur für rechte Gruppen geholten hätte, hatte bundesweit für Empörung gesorgt.
Auch Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zeigte sich auf dem Willkommensfest. Er begrüßte die Entscheidung des Gerichts: „Es kann keinen Zentimeter in dieser Republik geben, wo Rechtsradikale bestimmen, wo es langgeht.“
Ulbig muss von Feier flüchten
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) musste die Feier vorzeitig verlassen: Er war am Freitag gerade angekommen, als sich ein Pulk von rund 30 zumeist linken Demonstranten um ihn bildete und „Hau ab“ skandierte. Auch einige Flüchtlinge kritisierten den Minister.
Er könne die Kritik nur teilweise verstehen, sagte Ulbig. „Weil ich mit dafür gesorgt habe, dass diese Veranstaltung hier stattfinden kann.“ Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen wurde Ulbig von den Demonstranten verfolgt. Seine Sicherheitsleute konnten sie nur mit Mühe zurückhalten.
Neue Krawalle befürchtet
Befürchtet wird, dass es in Heidenau neue Krawalle gibt. Die Polizei war wie schon in den vergangenen Tagen mit mehreren Hundertschaften im Einsatz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach, der Bund werde „alles tun, um in dem Maße, wie er helfen kann, die sächsische Polizei zu unterstützen“. Merkel hatte sich am Mittwoch in Heidenau selbst ein Bild von der Lage gemacht. Dabei wurde sie übel beschimpft. Auf einem YouTube-Video schreit eine Frau „Volksverräterin“ und „blöde Schlampe“. Die sächsische Polizei ermittelt inzwischen.
Im niedersächsischen Salzhemmendorf warfen unbekannte Täter einen Molotowcocktail auf eine Asylbewerber-Unterkunft, in der mehr als 30 Flüchtlinge leben. Der Brandsatz flog in eine Wohnung, in der eine Frau aus Simbabwe und deren drei kleine Kinder aus Simbabwe schliefen. Sie blieben unverletzt. Auch im sächsischen Aue brannte es in einem Asylbewerberheim. Die Polizei hielt einen Brandanschlag aus rechtsextremen Motiven für unwahrscheinlich und hat einen 24-jährigen Bewohner im Verdacht.
Schleppern den Kampf ansagen
Die Bundesregierung versprach nach dem Flüchtlingsdrama mit 71 Toten in Österreich zusätzliche Anstrengungen gegen Schlepper. Mit einem neuen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise will Merkel aber noch warten. Bei einem Treffen mit Dänemarks Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen verwies die Kanzlerin auf laufende Gespräche der EU-Innenminister. „Ein Gipfel muss auch gewisse Entscheidungen treffen können.“ Dazu seien noch „Vorarbeiten durch die Innenminister“ erforderlich. Zugleich forderte sie erneut, Asylbewerber innerhalb Europas „fair“ zu verteilen.
Die SPD bezeichnete die jüngsten Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zur Flüchtlingsfrage als unzureichend. Mit einem Papier der SPD-Bundesministerien, das dem Magazin „Der Spiegel“ und der dpa vorliegt, setzen die Sozialdemokraten einen eigenen Maßnahmenkatalog dagegen. In jedem Fall müsse sichergestellt werden, dass das Ziel schnell erreicht werde, die Asylverfahren innerhalb von drei Monaten abzuschließen.