US-Soldaten haben in einem Basiscamp in Südafghanistan auf ein Pappschild gemalt, wo sie die Kämpfer der Taliban vermuten: In allen Himmelsrichtungen. Foto: dpa

Aus dem Camp für Attentäter nach Esslingen: 35-Jähriger Afghane als Flüchtling anerkannt. 

Stuttgart - Für die einen ist er ein ausgebildeter Selbstmordattentäter, für die anderen ein Verräter der radikalislamischen Taliban - für das Verwaltungsgericht Stuttgart aber ist der 35-jährige Afghane ein Flüchtling, der in der Bundesrepublik ein Anrecht auf Asyl hat.

Wie das Gericht am Montag mitteilte, wurde der Klage des Betroffenen gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stattgegeben. Es sei glaubhaft, dass er von Taliban in ein Lager in Pakistan verschleppt und später aus dem Camp in den Bergen geflohen sei. Nun werde er sowohl von der afghanischen Regierung als vermeintlicher Taliban-Kämpfer als auch von den Taliban als Verräter verfolgt.

Hochburg der Taliban

Der heute 35-Jährige war im Juli 2010 nach Deutschland eingereist, hatte nach Informationen unserer Zeitung im Landkreis Esslingen Unterschlupf gefunden. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Februar 2011 ab. Das hätte für den Betroffenen die Abschiebung nach Afghanistan bedeutet, wogegen er Klage beim Verwaltungsgericht einreichte - schließlich erfolgreich.

Der Mann gab an, dass er von den Taliban verschleppt worden sei, weil diese gemeint hätten, er arbeite für die US-Amerikaner und die afghanische Regierung. Aus Angst habe er sich als gläubiger Moslem ausgegeben, der die Ungläubigen nicht möge. Dies brachte ihn in ein Ausbildungscamp nach Miranshah, eine Stadt an der afghanisch-pakistanischen Grenze, die als Hochburg der Taliban gilt. Dort sei er ideologisch geschult und in die Methoden von Selbstmordattentätern eingewiesen worden. Er habe aber nicht töten wollen und das Spiel so lange mitgemacht, bis ihm schließlich die Flucht gelungen sei.

Frist läuft noch einen Monat

Dabei hatte man ihm das Paradies versprochen. Der 35-Jährige schilderte bei der Verhandlung vor der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts, dass er bei der Ausbildung eine Weste ohne Ärmel unter einem Umhang habe anziehen müssen. Dann habe man ihm erklärt, wo er drücken müsse, um "sofort das Paradies zu erlangen". Sein Schicksal als lebende Bombe habe ihm aber nicht zugesagt. Die Flucht in seine Heimat sei aber unmöglich gewesen, weil die Regierung ihn bereits als angeblichen Taliban-Kämpfer gesucht habe. Seine Mutter hatte entsprechenden Besuch bekommen. "Die Angaben waren detailreich, einleuchtend und widerspruchsfrei", sagt Ulrike Zeitler, Sprecherin des Verwaltungsgerichts.

Nun liegt es am Bundesamt, ob das Urteil rechtskräftig wird. Die zuständige Außenstelle Eningen bei Reutlingen müsste hierzu die Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof beantragen. Die Frist läuft noch einen Monat.