Das Ensemble von „Verve“ lässt sich vom Premierenpublikum im Friedrichsbau Varieté feiern. Foto: / Alex Klein

Die Show „Verve“ im Friedrichsbau Varieté vereint schräge Unikate und rühmt die Vielfalt. Das Premierenpublikum jubelt euphorisch. Selten ist in diesem Theater so viel gelacht worden.

Das Wort Verve gehört zu den Ausdrücken, die es eher selten in den alltäglichen Sprachgebrauch schaffen. Dabei bräuchte die Welt mehr Verve, findet das Friedrichsbau Varieté und feuert eine Show unter diesem Titel ab, die eine aberwitzige Abfolge von Gute-Laune-Nummern ist.

Wer’s mit Verve macht, macht’s mit Begeisterung und mit Schwung, lehrt der Duden. Bei der Premiere lacht sich das Publikum oft schlapp, weil völlig individuelle Charaktere mit atemberaubendem Tempo die Bühne und den Saal unsicher machen – jede und jeder ist anders. Das Programm ist eine Eloge an die Diversität. Stammgast Merlin Johnson, zum sechsten Mal der Gastgeber dieser Bühne, erklärt es so: „Verve ist die Aufforderung, uns zu zeigen, wie wir sind. Die spannendesten Geschichten entstehen, wenn wir aus der Norm brechen.“

Wahre Schönheit braucht kein Schlankheitsideal

Auf High Heels geht in der Frühlingsshow der liebenswerten Unikate der Franzose Brian Scott Bagley voran. Mit dem Bananenrock ehrt er die große Josephine Baker, die vor 100 Jahren im alten Friedrichsbau beim früheren Bahnhof aufgetreten ist. Irre, wie der Hundert-Kilo-Mann in den Spagat springt, glitzernd zum Publikum hinabsteigt, mit ihm flirtet und seinen Körper liebt, da Schönheit kein Schlankheitsideal braucht. Den „Fat Banana Song“ wählt er aus, weil die Pandemie ihm ein Plus an Pfunden beschert hat.

Gabriele Frenzel, die langjährige Varieté-Chefin, freut sich, dass Brian Scott Bagley, der weltweit wohl größte Fan von Josephine Baker, historische Plakate aufgetan hat. Die beweisen, dass die für die damalige Zeit revolutionäre US-Amerikanerin, die fast nackt mit Bananen tanzte, im Stuttgarter Friedrichsbau gastierte. „Bisher haben wir es vermutet“, sagt Frenzel, „aber in unserem Archiv keine Dokumente dafür gefunden.“

„Sex heißt auf Italienisch amore“

Nicht weniger schräg als die Wuchtbrumme Brian ist der italienische Crazy-Magier Skizzo Davide Nicolosi, der mit hellen Schreien den Wirbelwind gibt. Hin und her wütet er, um sich schließlich auszuziehen. Bitte, das hat nix mit Erotik zu tun. Der Macho will doch nur beweisen, dass in der Kleidung nicht irgendein Hilfsmittel für seine Tricks versteckt ist. „Sex heißt auf Englisch Sex“, sagt er, um die Unterschiede der Nationen zu erklären, „auf Italienisch amore und auf Deutsch Geschlechtsverkehr.“ So ist das!

Jerry Tremblay liefert den Gegenpart zum überdrehten Schnelldurchlauf. Dem Artisten aus Kanada ist die Rolle des Schüchternen auf den Leib geschrieben. Er will cool und verwegen sein, um den Mädels zu imponieren. Das geht daneben – dafür ist er zu gehemmt und zu scheu. Um so besser gelingen ihm die Kunststücke auf dem Fahrrad.

Der Artist aus der Ukraine darf endlich auftreten

Zurückgenommen bei „Verve“ ist das Licht. Regisseur Ralph Sun leuchtet in Zeiten, da Energiekosten hoch sind, nur ein Teil der Bühne aus mit eher schwachen Spots. Dies erweist sich als künstlerischer Glücksgriff, weil so das wild zusammengewürfelte Ensemble, das viele Szenen gemeinsam spielt, umso heller strahlt und sowieso mit einer unfassbaren Energie aufgeladen ist, für die es kein Gas, Strom oder Öl braucht. Die menschliche Hochspannung zündet!

Schon vor einem Jahr sollte Andriy Ruzhylo aus der Ukraine im Friedrichsbau auftreten, doch er musste zum Militär und hat dort Waffen hergestellt. Jetzt hat die Kiewer Regierung seine Ausreise gestattet. Leicht und beschwingt balanciert er auf dem Rola Bola, da freut sich das Publikum mit ihm, da das Leben in seiner Heimat so schwer ist.

Ein Liebeslied auf Stuttgart

Thula Moon aus Hawaii schwebt voller Anmut über dem Boden. Lisa Chudalla aus den Niederlanden schluckt Schwerter, dass beim Zuschauen die Speiseröhre schmerzt. Placido und María aus Spanien verblüffen mit Handstand-Balance. Vivian Spiral aus den USA bringt mit Leuchtröhren und Reifen das Publikum zum Träumen. Und Merlin Johnson aus Berlin singt ein Liebeslied auf Stuttgart, auf seine zweite Heimat, was OB Frank Nopper im Saal besonders gut gefällt.

„Sei eine Stimme, kein Echo!“ Diese Überschrift gibt Regisseur Sun der Show „Verve – show me the energy“. Die Vielfalt sorgt in der Summe dafür, dass sich gemeinsam was bewegen lässt. Die einzelnen Nummern sind stimmig verwoben. Mit bester Laune verlässt man das Varieté, weil es guttut, in harter Zeit richtig lachen zu können.

Info

Karten
Die Show „Verve – show me the energy“ wird im Friedrichsbau donnerstags bis samstags um 20 Uhr, sonntags um 18 Uhr gespielt. Karten unter https://www.friedrichsbau.de/tickets/