Tonnen an totem Fisch in einem Container. Foto: dpa

Tausende Fische sind in der Jagst verendet. Nun wälzt sich die Giftblase mit 400 Metern pro Stunde weiter. Im Hohenlohischen kam sie jetzt an, mit noch unabsehbaren Folgen.

Künzelsau - Das mit Ammonium kontaminierte Wasser in der Jagst hat den Hohenlohekreis mittlerweile erreicht, wie eine Sprecherin des dortigen Landratsamts sagte. Genaue Messwerte lägen aber noch nicht vor.

Das mit Ammonium kontaminierte Wasser hat im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Schwäbisch Hall schon Tausenden Fischen das Leben gekostet. Ärger gibt es wegen der Gegenmaßnahmen der Behörden.

Jagst auf 120 Kilometer belastet?

Das mit Ammonium kontaminierte Wasser könnte die Jagst nach Einschätzung eines Experten auf einer Strecke von rund 120 Kilometern belasten. Es könne Jahre dauern, bis der Ausgangszustand an dem Fluss wieder erreicht werde, sagte der Referatsleiter Gewässerschutz bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW), Kurt Kreimes, am Mittwoch in Karlsruhe. Das Schadensausmaß sei bislang nicht absehbar. Das Gift in der Jagst sei farblos und im Wasser nicht sichtbar, sagte Kreimes. Es werde wie ein Schiff im Wasser mitgetrieben, dabei aber langsam auseinandergezogen, weil die Strömung nicht an allen Stellen gleich schnell sei. Die Experten sprechen daher von einer Gift- oder Schadstofffahne.

In etwa drei bis sieben Tagen werde das verunreinigte Löschwasser den Neckar erreichen, sagte Kreimes. „In welcher Konzentration kann man aber noch nicht sagen.“

Ein echtes Naturjuwel

Nicht nur Fische wurden getötet, sondern auch das Makrozoobenthos - also die Gesamtheit aller lebenden Organismen wie Insektenlarven, Würmern oder kleinen Krebsen - seien in dem Fluss betroffen, sagte der Sprecher des Naturschutzbundes (Nabu) in Baden-Württemberg, Hannes Huber. „Wir müssen davon ausgehen, dass ein Großteil abgestorben ist. Das ist natürlich für die betroffenen Arten fatal - aber auch für die Arten, die darauf als Nahrungsgrundlage angewiesen sind. Das ist ein Gesamtproblem für das Ökosystem.“ So lebe beispielsweise auch der relativ seltene Eisvogel an der Jagst. „Er frisst kleinere Fische“, sagte Huber. „In den nächsten Jahren wird er dort kaum etwas finden und muss ausweichen.“ Zudem sei die Jagst einer der besonders naturnahen Flüsse im Südwesten. „Das ist ein echter Schlag ins Kontor. Das ist nicht irgendein Kanal, sondern ein echtes Naturjuwel.“

Jagst soll belüftet werden

Im Hohenlohekreis soll die Jagst laut Sprecherin belüftet werden, damit die Schadstoffe im Fluss abgebaut werden können. Dafür stünden die Freiwilligen Feuerwehren mit Wasserpumpen bereit. Das war auch schon im Kreis Schwäbisch Hall gemacht worden. Der Hohenlohekreis habe Wasserkraftwerke aufgefordert, Turbinen abzuschalten, damit über die Wehre das Wasser zusätzlich belüftet werden kann. Umliegende Fischereivereine seien informiert, teilte die Sprecherin in Künzelsau mit. Oberste Priorität habe auch der Schutz der Biotope.

Bei dem Großbrand eines Mühlenbetriebs in der Nacht zum Sonntag in Kirchberg an der Jagst (Kreis Schwäbisch Hall) war auch ein Gebäude betroffen, in dem größere Mengen Düngemittel lagerten. Darin ist Ammonium enthalten. Trotz Vorsichtsmaßnahmen der Feuerwehr gelangte verunreinigtes Löschwasser in die Jagst. Das Landratsamt Schwäbisch Hall sprach von einer ökologischen Katastrophe. Die Naturschutzreferentin beim BUND sagte dem SWR: „Es ist die größte Flusswasservergiftung in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten, wahrscheinlich seit dem Chemieunfall 1986 bei Sandoz bei Basel, als im Rhein auf 400 Kilometern der Aalbestand ausgelöscht wurde.“

Kritik am Krisenmanagement

Kritik am Krisenmanagement der Behörden, vor allem dem Landratsamt Schwäbisch Hall, kam unter anderem vom Angelsportverein Jagst Langenburg. Der erste Vorsitzende Achim Thoma hatte die Maßnahmen als unzureichend und zu spät bemängelt. Landrat Gerhard Bauer (parteilos) sagte laut „Hohenloher Tagblatt“ (Mittwoch), dass es keine Vorbilder für eine Reaktion in einem „solchen einmaligen Fall“ gebe: „Wir haben getan, was wir konnten.“ Der erste Landesbeamte Michael Knaus sagte dem Bericht zufolge zwar, er könne die Verärgerung gut verstehen. Man könne aber erst informieren, wenn man selbst etwas weiß. Erst dann könne man eine Lage und die Abwehrmittel einschätzen.

Die Landratsämter in Künzelsau und Heilbronn warnen vorsorglich vorm Baden in der Jagst. Mit Blick auf die Trinkwasserversorgung teilte die Sprecherin in Künzelsau mit, die Brunnen entlang der Jagst seien weitgehend abgeschaltet. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass Flusswasser in die Tiefbrunnen eintritt.“