Einige Profis sind von diesem Sommer an nicht mehr am Ball – weil sie keinen Verein haben. Foto: Baumann

Am 30. Juni sind nicht nur beim VfB Stuttgart zahlreiche Verträge ausgelaufen – einige Fußballprofis sind damit formal erstmal arbeitslos. Diese Kicker haben wie jeder andere Arbeitnehmer auch ein Recht auf Arbeitslosengeld. Vermittelt werden sie von der Agentur für Arbeit aber nicht.

Stuttgart - Alfred Gislason (59) machte alles richtig. Gewissenhaft hatte er die Abläufe im Kopf, fast so wie gelungene Spielzüge seiner Jungs vom THW Kiel. Der isländische Erfolgscoach wusste schon im Frühjahr, dass seine Karriere nach elf Jahren beim THW und nach 22 Jahren in der Handball-Bundesliga endet – und sein Vertag am 30. Juni ausläuft. Also meldete sich Gislason fristgerecht – sprich drei Monate vor Vertragsende – bei der Arbeitsagentur, um dann auch das Arbeitslosengeld vom Sommer an zu bekommen.

Alles gut also? Mitnichten! Denn Gislason bekam die im Zweifel wenig frohe Kunde, dass er nicht mehr vermittelbar sei auf dem Arbeitsmarkt – und das hörte sich laut dem Isländer in einem Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin der Agentur so an: „Wir können nichts für Sie tun. Wenn Sie aber einen Beratungstermin wahrnehmen wollen, können Sie gerne vorbeikommen.“

Darauf verzichtete Gislason gerne – dafür hat er jetzt einen neuen Plan. Sein Wohnsitz wird fortan, wie zu vergangenen Zeiten beim örtlichen Bundesligisten, wieder Magdeburg sein – wo er dann den nächsten Anlauf nimmt. „Weil ich ja umziehe, muss ich mich ab 1. Juli in Magdeburg arbeitslos melden“, sagte der künftige Ex-Trainer: „Jetzt überlege ich, dort zum Arbeitsamt zu gehen und mich zum Brennmeister fortbilden zu lassen. Das wäre witzig.“

Der naive Ex-Nationalspieler

Ganz lustig findet auch Ulf Baranowsky die Geschichte Gislasons – auch wenn sie, wenn man so will, nicht in sein Ressort fällt. Baranowsky ist Geschäftsführer der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV), die mit ihrem alljährlichen Trainingscamp für arbeitslose und vertragslose Kicker mittlerweile Berühmtheit erlangt hat. Baranowsky kennt sich aus mit Profis oder Trainern, die auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen oder schlicht das Arbeitslosengeld kassieren wollen, er kennt sich aus mit all den Sorgen, mit kleineren und größeren Problemen. Und auch mit lustigen Anekdoten.

Der Profifußballer an sich hat ja direkt nach der Karriere in der Regel nicht die größten finanziellen Sorgen, weshalb man manche Dinge – wie jetzt auch den Fall des Handballtrainers Gislason – mit Humor nehmen kann.

Baranowsky erzählt die Geschichte eines ehemaligen deutschen Nationalspielers, der sich vor ein paar Jahren mal bei ihm erkundigte, wie das denn jetzt nach dem Karriereende so funktioniere mit dem Geld. Der VDV-Chef erklärte ihm die Dinge – die so laufen: Um sofort nach Ablauf des Vertrages das Arbeitslosengeld beziehen zu können, muss man sich drei Monate vorher arbeitslos melden – wenn man das verspätet macht, bekommt man eine Sperrfrist aufgebrummt, die in dem Fall kein Beinbruch ist. Eine Woche muss man dann auf seine Ansprüche verzichten. Die sind bei einem früheren Millionenverdiener gleich hoch wie bei einem mehr oder weniger durchschnittlich verdienenden Drittligakicker, der im Jahr auf knapp 100 000 Euro kam. Denn die so genannte Beitragsbemessungsgrenze, de facto eine Obergrenze, liegt bei einem Brutto-Monatsgehalt von 6700 Euro.

Finanzielle Schwierigkeiten

Der klassische Fußballmillionär also bekommt dann nach der Berechnung, die jeder Bürger auf der Arbeitsagentur-Internetseite auch für sich selbst durchführen kann, am Ende ein monatliches Arbeitslosengeld von 2133,60 Euro. Also, nur mal so als Beispiel: Sollten Christian Gentner, langjähriger Kapitän des VfB Stuttgart, oder der künftige Ex-Clubkollege Dennis Aogo im Sommer keinen neuen Verein finden und sich arbeitslos melden, dann bekämen sie eben jene 2133,60 Euro monatlich. Sollten die Bayern-Legenden Franck Ribéry und Arjen Robben bald Arbeitslosengeld beantragen (was nicht passieren wird), bekämen sie denselben Betrag.

2133,60 Euro. Das sind für einen Ex-Nationalspieler im Normalfall eher kleinere Brötchen, auf die er nicht angewiesen ist – was den einen laut Baranowsky vor ein paar Jahren aber nicht davon abhielt, die Kohle zu beantragen. Der VDV-Chef erklärte ihm dann aber wie die zuständige Arbeitsagentur, dass er wie jeder andere offiziell gemeldete Arbeitslose auch stets verfügbar sein musste, um ihm neue Jobs oder Aufgaben zu erteilen. Obendrein bekam er zu hören, dass er auch noch den Urlaub anmelden und abstimmen musste. All das war dem Kicker dann doch zu viel. Der Ex-Nationalspieler verzichtete dankend auf seine Ansprüche.

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Das ist für den gemeinen ehemaligen Profi mit gängigem Profigehalt finanziell in der Regel zu verschmerzen. Anders verhält es sich bei Spielern, die noch voll im Saft stehen, aber nach Vertragsende keinen neuen Verein finden – oder bei Kickern, die sogar schon länger keinen Club und keinen Vertrag mehr haben. Die also: arbeitslos sind.

VDV fordert Eigenverantwortung

Vor allem Akteure aus der Regionalliga oder der dritten Liga kommen dann schnell mal in finanzielle Schwierigkeiten – auch, weil ihnen manchmal der Eigenantrieb fehlt. „Viele denken, sie trainieren bei uns im VDV-Camp mit und machen die Testspiele, und dann werden sie schon entdeckt von einem Club, und dann gibt es ja auch noch den Berater, der die Dinge regelt, aber so leicht ist es meistens nicht“, sagt Baranowsky, der deshalb betont, wie sehr die VDV die Eigenverantwortung fördere. Auch bei der beruflichen Laufbahn außerhalb des Platzes.

Ein ehemaliger Zweitligaprofi sei laut dem VDV-Chef mal mehr als ein Jahr lang vereinslos gewesen und finanziell in Richtung Hartz-IV-Niveau gerutscht. Die VDV gab alles, besorgte ihm zumindest für den Übergang einen Job als LKW-Fahrer. Doch als es an einem Montagmorgen mit einer Schulung bei der Dekra losgehen sollte, stand nur der LKW da – der Ex-Profi nicht. „Da können wir dann auch nicht mehr helfen“, sagt Baranowsky.

Die Proficlubs übrigens arbeiten in der Regel nicht mit den Arbeitsagenturen zusammen, es gibt keine Annoncen oder irgendwelche Absprachen. Der Profifußball lebt in seiner eigenen Welt – von der es für einige Protagonisten nach der Karriere beruflich ins wahre Leben geht. Verbunden mit der einen oder anderen Tücke.