Jeanine Hennis-Plasschaert führt seit mehr als einem Jahr die Streitkräfte der Niederlande Foto: dpa

In der niederländischen Armee gilt sie als „der Erste Mann“: Jeanine Hennis-Plasschaert, 40 Jahre alt, blond und seit über einem Jahr Verteidigungsministerin im Kabinett ihres Parteikollegen Mark Rutte von den Rechtsliberalen.

Den Haag - In der niederländischen Armee gilt sie als „der Erste Mann“: Jeanine Hennis-Plasschaert, 40 Jahre alt, blond und seit über einem Jahr Verteidigungsministerin im Kabinett ihres Parteikollegen Mark Rutte von den Rechtsliberalen. Was auf die deutsche Kollegin Ursula von der Leyen (CDU) zukommen wird, hat die seit zehn Jahren verheiratete Politikerin aus Heerlen bereits hinter sich: den Kampf um die Achtung eines nach wie vor von Männern geprägten militärischen Apparates. „Wir erwarten, dass ein Minister die Armee mit dem besten Material ausstattet, das er bekommen kann“, sagte bei ihrer Ernennung Jean Debie, Vorsitzender des Militärverbandes VBM, so etwas wie das niederländische Pendant zum Bundeswehr-Verband.

Seitdem hat sich die frühere Europa-Abgeordnete Hennis-Plasschaert in die Flugfähigkeit der F16 ebenso eingearbeitet wie in die Frage, ob Den Haag Drohnen braucht. Anders als ihr bisheriger Amtskollege Thomas de Maizière (CDU) schaffte sie das Kunststück, ohne politische Skandale vier amerikanische Flugkörper vom Typ Reaper MQ-9 zu bestellen – zunächst unbewaffnet, aber mit dem ausdrücklichen Zusatzvermerk, dass die Geräte auch für bewaffnete Einsätze umrüstbar sind. Eine Frau mit voller Befehlsgewalt? Für die Niederländer inzwischen kein Problem.

Anfangs habe man sich da „noch eingewöhnen“ müssen, sagte Hennis-Plasschaert in einem Interview. So habe ihr Adjutant es „seltsam gefunden, in der Öffentlichkeit die Handtasche der Ministerin tragen zu müssen“. Daraufhin kaufte sie sich einen kleinen Rucksack. „Damit kommen wir beide gut zurecht“, erzählte die Ministerin und riet ihrer neuen deutschen Amtskollegin, sich darauf einzustellen, dass die Medien sie „als Frau viel kritischer beobachten werden als einen Mann“. Aber das könne man eben auch nutzen, um den Streitkräften die Aufmerksamkeit zu verschaffen, „die sie verdient haben, aber nicht bekommen“.

Jan Dijkgraaf, Journalist bei der führenden niederländischen Zeitung „De Tijd“ und ein intimer Kenner des niederländischen Militärs, sagt heute über die Ministerin: „Sie ist eine der wenigen Menschen, denen man blind vertrauen kann.“ Das war schon während ihrer Abgeordnetentätigkeit im Europäischen Parlament so. Dort gehörte sie für die liberale Fraktion unter anderem dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an. Eines der Dossiers, für das sie verantwortlich zeichnete, war das Swift-Abkommen über den Austausch von Bankdaten mit den USA. Dass die Straßburger Abgeordnetenkammer die Vereinbarung im ersten Ablauf 2010 ablehnte, war nicht zuletzt ihr Verdienst.

„Diese Frau kann kämpfen, sie kann lachen, sie ist gesellig, und sie mag Menschen“, erzählt ihr Schwager über sie. In der niederländischen Öffentlichkeit sei sie längst anerkannt. Und so kann sie sich auch Eigenwilligkeiten erlauben, die ihre männlichen Vorgänger nicht gewagt hätten: Bei der Schwulenveranstaltung „Gay Pride Amsterdam“ Mitte dieses Jahres war Jeanine Hennis-Plasschaert mit einem Boot ihres Ministeriums auf den Grachten dabei. Sie wolle damit demonstrieren, dass ihr Haus als Arbeitgeber auf Gleichberechtigung setze.

In Europa war die Skepsis gegenüber Frauen an der Spitze der nationalen Armeen schon abgebaut, als die Niederländerin ins Amt kam. Schließlich stand mit der Französin Michèle Alliot-Marie von 2002 bis 2007 sogar schon zweimal eine Frau an der Spitze des Pariser Verteidigungsministeriums. Die spanische Amtskollegin Carme Chacón flog sogar im siebten Monat schwanger nach Afghanistan. Dass nun auch in Deutschland eine Frau die Streitkräfte führt, sieht man bei der Nato deshalb auch als „nichts Besonderes“. Ein hoher Militärberater sagt offen: „Frauen haben eine andere Art, mit militärischen Fragen umzugehen, die diesem einstigen Männer-Bündnis nur guttun kann.“