Der Täter – ein ehemaliger Angestellter – hatte das Feuer gelegt, obwohl er wusste, dass sich noch mehrere Menschen im Gebäude befanden. Foto: factum/Simon Granville

Ein 24-Jähriger legte im November 2019 ein Feuer an der Außenfassade eines Lokals. Sein Motiv: Rache an seinem ehemaligen Arbeitgeber. Das Landgericht Stuttgart hat ihn nun verurteilt.

Gerlingen/Stuttgart - Der ehemalige Mitarbeiter ist der Täter. Er habe seinem Arbeitgeber eins auswischen wollen, der ihn kurz zuvor vor die Tür gesetzt hatte. Das stand für das Stuttgarter Landgericht am Ende der mehrtägigen Verhandlung zweifelsfrei fest. Es verurteilte den 24-Jährigen wegen versuchter schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung zu anderthalb Jahren Haft ohne Bewährung. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Genau darauf hob der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung ab.

Der 24-jährige gebürtige Italiener mit tunesischem Pass hatte am 15. November vergangenen Jahres gegen 23 Uhr drei Liter Benzin an einer Tankstelle gekauft, eingefüllt in zwei Wasserflaschen. Er lief von der Stadtbahn-Endhaltestelle in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) zu der Pizzeria, schüttete das Benzin an die Fassade und steckte es mit einem Feuerzeug in Brand – wohl wissend, dass noch Personen im Gebäude waren: Elf Gäste und vier Angestellte im Erdgeschoss und möglicherweise sechs weitere Personen in den darübergelegenen Wohnräumen. Wie viele Menschen sich tatsächlich im Obergeschoss aufhielten, blieb bis zuletzt offen. „Darauf kommt es nicht entscheidend an“, wertete der Vorsitzende Richter der 18. Großen Strafkammer.

Täter litt unter Verfolgungswahn

Der Mann hatte die Tat im Lauf der Verhandlung weitgehend eingeräumt. Für das Gericht kam es daher besonders darauf an, ob er zum Zeitpunkt der Tat vermindert schuldfähig war. Der Mann stand unter Drogen und litt an einer abklingenden Psychose – aber heißt das, dass er für die Tat keine volle Verantwortung übernehmen konnte?

Der 24-Jährige war Anfang 2016 nach Deutschland gekommen, seit 2017 arbeitete er in der Pizzeria in Gerlingen. Nach einem Jahr suchte er sich einen anderen Job, ehe er im Spätsommer 2019 dorthin zurückkehrte. Er lebte in einer Wohngemeinschaft in den Räumen über dem Lokal. Er war drogenabhängig, konsumierte Amphetamine, zunächst 15 Gramm im Monat, am Ende war es zu zweit dieselbe Menge in anderthalb Wochen. Am Tatabend hatte er bei Freunden zudem erstmals Crystal Meth genommen.

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Unklar blieb bei der Urteilsverkündung, ob die psychotische Störung dadurch ausgelöst wurde oder sich verstärkte. Jedenfalls entwickelte der junge Mann einen Verfolgungswahn. Er glaubte, sein Arbeitgeber, der Wirt, habe Gegenstände in seinem Zimmer verstellt, habe ihm nachgestellt und im Badezimmer eine Kamera und im Zimmerboden Sensoren installiert, um ihn zu überwachen. Als Arbeitskraft unzuverlässig gemacht hatte ihn sein Drogenkonsum. Kurz vor der Tat war ihm deshalb gekündigt worden.

„Ich zünde alles an“

Das Schöffengericht würdigte die Gesamtumstände im Urteil, doch hob es auch heraus, dass der Mann am Tatabend sehr wohl auch Herr seiner Sinne gewesen sein musste. Das Gericht war überzeugt, dass er ein zweites Mal Benzin an die Fassade gegossen hatte – auch wenn der Täter das bestritt. Das Gericht schenkte einem Zeugen Glauben und wertete die Aussage des Angeklagten als Schutzbehauptung – zumal er sich auch verbal eindeutig geäußert habe. So hatte er offenbar gerufen: „Ich zünde alles an.“

Das Gericht nahm dem Mann auch nicht ab, dass er den Brand nicht gewollt habe. Er hätte dem Wirt einen Denkzettel verpassen wollen, „aber Sie haben billigend in Kauf genommen, dass das Haus in Folge des Brandgeschehens eine Zeit lang nicht mehr nutzbar sein würde“, so der Richter. An der Fassade entstand ein Schaden von rund 10 000 Euro. Der Täter hatte sich noch am selben Abend der Polizei gestellt.

Keine Bewährung wegen Drogenproblem

Weil er weder festen Wohnsitz noch Arbeit hat, auf keinen festen Freundeskreis zählen kann und ein „unbehandeltes Drogenproblem“ hat, so der Vorsitzende Richter, wurde die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Offen blieb, ob der Mann statt der 18-monatigen Gefängnisstrafe zwei Jahre in Maßregelvollzug geht. Maßregelvollzug ist nicht Strafvollzug und nicht Sicherungsverwahrung. Dort werden grundsätzlich Straftäter untergebracht, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung oder Sucht das Unrecht ihrer Straftat nicht einsehen können. So oder so – der Hinweis des Vorsitzenden Richters war deutlich: „Arbeiten Sie mit“, riet er dem jungen Mann auf der Anklagebank.