Von wegen pünktlich. In diesem Punkt hat die Deutsche Bahn großen Nachholbedarf – im Fern- und Regionalverkehr. Foto: dpa

Jeder vierte Fernzug kam 2018 erheblich verspätet an. Das kostet den Staatskonzern viel Geld und Renommee. Die Regierung fordert von DB-Chef Lutz rasche Lösungen.

Berlin - Einen kleinen Trost gab es für geplagte Bahnkunden zum Jahresende. Denn trotz des Warnstreiks der Gewerkschaft EVG am 9. Dezember waren die Fernzüge der Deutschen Bahn etwas pünktlicher unterwegs. Auch das Chaos rund um die Feiertage blieb dank relativ milden Wetters aus. So schaffte die DB im Dezember mit 76,9 Prozent und einer deutlichen Steigerung um 6,5 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat immerhin die höchste Pünktlichkeit der ICE- und Intercity-Züge seit Februar. Das ändert allerdings wenig an den Defiziten im deutschen Schienenverkehr. Jeder vierte Fernzug der DB erreicht sein Ziel erst mit sechs Minuten Verspätung und oft deutlich mehr. Nach der jetzt veröffentlichten Jahresbilanz des Konzerns waren nur 74,9 Prozent der ICE, Intercity und Eurocity-Züge halbwegs pünktlich unterwegs. Dabei ist die Statistik geschönt: Zugausfälle werden ebenso wenig erfasst wie Verspätungen bis sechs Minuten.

Obwohl die Lage im konkurrierenden Flugverkehr kaum besser ist, sind das für DB-Chef Richard Lutz enttäuschende Zahlen. Man bleibe hinter den Qualitäts- und Kundenzielen zurück, heißt es selbstkritisch in der internen „Agenda für eine bessere Bahn“ des Konzernvorstands, die unserer Redaktion in Auszügen vorliegt. Die dortige Grafik zeigt als Pünktlichkeitsziel für 2018 die Marke von 82 Prozent, die im Fernverkehr also um mehr als sieben Punkte verfehlt wurde.

Und das nicht zum ersten Mal. Schon 2017 kamen nur 78,5 Prozent der Fernzüge halbwegs pünktlich, das Ziel lag bei 81 Prozent. 2016 waren 80 Prozent das Ziel, tatsächlich geschafft wurden 78,9 Prozent. Die Grafik zeigt auch: Schon seit 2012 wurden in keinem Jahr wenigstens 80 Prozent Pünktlichkeit erreicht. Unter Ex-Bahnchef Rüdiger Grube fuhr der Fernverkehr sogar zeitweise mit noch mehr Verspätung. Der Tiefpunkt wurde 2013 mit nur noch 73,9 Prozent erreicht.

1,7 Millionen Reisende fordern Entschädigungen

Den größten Staatskonzern kosten die Verspätungen viel Geld. Allein im Fernverkehr verlangen jedes Jahr bis zu 1,7 Millionen Reisende Entschädigungen wegen großer Verspätungen. Ab 60 Minuten muss ein Viertel des Fahrpreises rückerstattet werden, ab 120 Minuten die Hälfte. 2018 musste die DB deshalb nach Informationen unserer Redaktion eine mittlere zweistellige Millionensumme zahlen.

Viel teurer werden Verspätungen im Regionalverkehr (meist bis 50 km), den die Bundesländer aus Steuergeld finanzieren. Die Verträge sehen vor, dass Bahnen bei schlechter Leistung Strafen zahlen müssen oder weniger Zuschüsse erhalten. Von 2017 bis 2023 rechnet die Bahn – wie berichtet – laut den internen Strategiepapieren mit Strafzahlungen von fast 1,2 Milliarden Euro. Allein 2017 und 2018 wurden fast 500 Millionen Euro fällig.

Im Regionalverkehr sank die Pünktlichkeit 2018 leicht von 94,4 auf 94 Prozent. Auch hier wurde das Ziel einer Verbesserung verfehlt. Wichtigste Ursachen waren wie im Fernverkehr die seit Jahren anhaltenden Engpässe im Schienennetz, beim Personal und den Fahrzeugen. Wegen der kürzeren Strecken und enger Zug-Takte sind im Regionalverkehr auch die Verspätungen geringer, sie betreffen aber viel mehr Fahrgäste, da die meisten Bahnfahrer als Pendler in den Metropolregionen unterwegs sind.

Experten halten Bahnreform für überfällig

Auch wenn man Fern- und Regionalverkehr zusammen nimmt, erreichte die DB mit 93,5 Prozent bei der durchschnittlichen Pünktlichkeit aller Züge nicht das Vorjahresniveau von 94 Prozent. DB-Chef Lutz soll am 15. Januar der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket präsentieren, wie die Bahn zuverlässiger werden kann. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fordert rasche Verbesserungen.

Allerdings steht die Politik selbst in der Pflicht. Viele Experten halten angesichts der hohen Milliardenzuschüsse für die Schiene eine durchgreifende Bahnreform für überfällig. Der Bundesrechnungshof, der kürzlich bereits krasse Fehlentwicklungen beim bundeseigenen Bahnnetz kritisiert hat, will demnächst dem Bundestag ein weiteres Gutachten mit Handlungsempfehlungen für die Regierung vorlegen.