Die Malteser Migranten Medizin kümmert sich um Patienten, die aus dem Raster fallen Foto: dpa

Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hat, oder im EU-Herkunftsland keine Krankenversicherung besitzt, kann nicht ärztlich versorgt werden. Die Malteser Migranten Medizin in Stuttgart kümmert sich um solche Fälle.

Stuttgart - Shani Kadenge (Name geändert) wirkt etwas angespannt. Sie blättert in einer der Zeitschriften, die im Wartezimmer der Arztpraxis auf dem Tisch liegen. Es ist ruhig an diesem Tag: Nur drei Leute sitzen in dem kleinen Raum in der Böheimstraße. Ab und an ist leises Naseschniefen zu hören – Shani Kadenge ist erkältet. Doch das ist nicht der Grund, warum die junge Kenianerin an diesem Tag in die Sprechstunde der Malteser Migranten Medizin gekommen ist: Sie ist im sechsten Monat schwanger. Und weil sie im Moment keinen Aufenthaltstitel und keine Krankenversicherung hat, ist es ihre erste Schwangerschaftsvorsorge.

Jeden Mittwoch bieten die Malteser in der Praxis gegenüber des Marienhospitals eine medizinische Sprechstunde für all jene an, die sonst nirgendwo versorgt werden. Migranten, die keinen geregelten Aufenthaltsstatus haben zum Beispiel, oder Menschen, die im Rahmen der EU-Freizügigkeit hierherkamen, die aber in ihren Herkunftsländern keine oder nur eine unzulängliche Krankenversicherung haben. Oder Menschen, die nach der Selbstständigkeit arbeitslos wurden und nun die privaten Versicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen können.

„Viele Menschen glauben, solche Fälle gibt es in Deutschland nicht“, sagt Regine Martis-Cisic, die hauptamtlich bei den Maltesern arbeitet und die Sprechstunde organisiert. „Aber es gibt sie eben auch hier, und nicht immer ist die Situation selbst verschuldet“, sagt Martis-Cisic. Seit sieben Jahren kümmern sich Ärzte im Ruhestand bei der Malteser Migranten Medizin unentgeltlich um diese Fälle.

Die Malteser stehen den Patienten auch beratend zur Seite

Zum Beispiel um Shani Kadenge. Vor nicht ganz vier Jahren kam die 26-Jährige aus Kenia nach Deutschland, arbeitete zunächst als Au Pair und begann später eine Ausbildung zur Heilerzieherin. „Irgendwann wurde es alles ein bisschen kompliziert“, sagt sie. Was kompliziert genau bedeutet, erklärt sie nicht. Kadenge unterbrach ihre Ausbildung, verlor ihren Aufenthaltstitel, wurde schwanger und zog von Mannheim nach Stuttgart. Weil der Kindsvater – ein Deutscher – bislang nichts von der Schwangerschaft weiß, muss sie nun selbst alles in die Hand nehmen. Ohne gültigen Aufenthaltstitel und damit auch ohne Krankenversicherung. Über einen Freund hörte sie von den Maltesern und der Schwangerschaftsvorsorge, die es dort gibt.

„Bei manchen Menschen ist die Lebenssituation so verfahren und tragisch, dass sie lieber wie in Schockstarre verharren und sich um nichts mehr kümmern“, sagt Regine Martis-Cisic. Deshalb übernehmen die Helfer bei den Maltesern nicht nur die gesundheitliche Grundversorgung, sondern stehen auch beratend zur Seite. Sie zeigen dabei mögliche Wege aus dem Teufelskreis auf. „Wir schicken die Leute weiter zur Migrationsberatung, wenn es um bürokratische Dinge wie den Aufenthaltstitel geht“, sagt Martis-Cisic. Oder zum Sozialamt der Stadt.

Die Malteser stoßen oft an die Grenzen ihrer Arbeit

Dort ist man sich durchaus darüber im Klaren, dass es immer wieder Fälle gibt, die einfach aus dem Raster fallen. „Wie viele das in Stuttgart sind, wissen wir nicht“, sagt Susanne Lechler vom Sozialamt. „Es gibt Menschen, die sich bewusst dem System entziehen. Die illegal hier sind oder als EU-Bürger nicht ihrer Versicherungspflicht nachkommen. Aber es gibt auch Fälle, da werden Menschen in die Situation gezwungen“, so Lechler. Fälle von Zwangsprostitution zum Beispiel, oder Fälle von Schwarzarbeit und Ausbeutung. „Es ist daher gut und wichtig, was die Malteser tun – wir als Stadt unterstützen das auch finanziell.“

Und dennoch ist es immer wieder gerade die finanzielle Situation, die den Maltesern Grenzen ihrer Arbeit aufzeigt. „Wir haben teils sehr schwere Fälle, die wir nicht versorgen können. Damit sind wir finanziell überfordert“, sagt Regine Martis-Cisic von den Maltesern. Weil eine Notfallversorgung in Deutschland aber garantiert wird, landen dringende und schwere Fälle oft bei den Krankenhäusern in der Stadt. Immer wieder kooperiert die Malteser Migranten Medizin daher mit dem Marienhospital gegenüber. Die stellen die Praxisräume zur Verfügung, übernehmen Notoperationen und stationäre Krankenhausaufenthalte.

Das Marienhospital bleibt auf den Kosten oft sitzen

„Für uns ist das ein Dilemma“, sagt Heiner Spangenberg vom Patientenmanagement des Marienhospitals. „Selbstverständlich helfen wir jedem, der in Not ist. Aber auf den Kosten bleiben wir oft sitzen, und die Zahl derer, die bei uns landen, steigt.“ 40 stationäre Fälle waren es bereits in diesem Jahr – je Patient bedeutet das für das Krankenhaus etwa 3000 Euro. „Viele Fälle müssen wir ablehnen – wir können nicht jeden behandeln“, so Spangenberg. Vor allem dann, wenn es keine Notfälle sind, oder wenn Menschen aus dem europäischen Ausland kommen, um sich behandeln zu lassen.

Einen Weg zurück ins System soll nun Shani Kadenge finden. „Sie braucht einen Schritt-für-Schritt-Plan“, sagt Regine Martis-Cisic. Das heißt: Sie muss sich um ihren Aufenthaltstitel kümmern und den Kindsvater kontaktieren. Damit sie auch ohne die Hilfe der Malteser zum Arzt gehen kann.