Medikamente gibt es nicht im Überfluss – immer wieder kommt es in Deutschland zu Lieferengpässen. Foto: dpa

In der Debatte um Lieferengpässe bei Medikamenten wächst der Druck auf die Pharma-Industrie: Insider kritisieren deren Geschäftsgebahren.

Berlin - In der Debatte um die regelmäßig vorkommenden Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimittel wächst nun der Druck auf die Pharma-Industrie. Zwar hatte sich die große Koalition im jüngst verabschiedeten Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz unter anderem auf eine Meldepflicht der Pharmahersteller an die Krankenhäuser verständigt. Zudem haben Krankenhaus-Apotheken nun die Möglichkeit, bei Lieferschwierigkeiten Medikamente auch im Ausland aufzukaufen. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis, macht nun aber im Gespräch mit unserer Zeitung klar, dass weitere Schritte folgen könnten. „Wir können uns vorstellen, die Pharmahersteller noch stärker in die Pflicht zu nehmen, indem zum Beispiel Meldepflichten ausgeweitet werden und die Unternehmen Medikamente länger vorrätig halten müssen.“

 

Südwest-AOK für Verpflichtung der Hersteller zur Lagerhaltung

Mit ähnlicher Stoßrichtung hat sich nun auch die AOK Baden-Württemberg in die Debatte eingeschaltet. Deren Vorsitzender Christopher Hermann sagte unserer Zeitung, durch „nachhaltbare Mindest-Lagerhaltung für Hersteller“ könne eine Regelungslücke geschlossen werden. Hermann: „Apotheken, Krankenhaus-Apotheken und pharmazeutische Großhandlungen wird seit vielen Jahren eine Mindest-Lagerhaltung vorgeschrieben. Denjenigen gegenüber, die all diese Gruppen beliefern müssen, damit diese die Maßgaben überhaupt erfüllen können, den Herstellern also, gibt es derzeit keinerlei vergleichbare Verpflichtung.“

Hermann beklagt, dass es derzeit keine „Transparenz über die verfügbaren Arzneimittelmengen“ gebe. Der Chef der Südwest-AOK befürwortet „ein bürokratiearmes Meldeverfahren“, das eine elektronische Meldung „von Apotheken, Großhandlungen und Herstellern an eine zentrale Meldestelle“ vorsieht. Als diese zentrale Meldestelle böte sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an, das heute schon eine Liste führt, die auf freiwilligen Meldungen der Industrie beruht, und auf der aktuell 40 Arzneimittel (ohne Impfstoffe) geführt werden, für die ein Lieferengpass besteht. In der vergangenen Woche hat der Fall des knapp werdenden Narkosemittel Remifentanil für Aufsehen gesorgt.

„Dass es zu Kontingentierungen kommt, ist ein Fakt“

Die Debatte hatte jüngst aber auch noch einen anderen Zungenschlag bekommen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich hatte in ungewöhnlich scharfer Form Teilen der Pharma-Industrie vorgeworfen, Medikamente aus Gründen der Preispolitik bewusst künstlich zu verknappen. Ein Vorwurf, der nun auch vom Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels ausdrücklich gestützt wird. Dessen Vorsitzender Thomas Trümper sagte unserer Zeitung: „Dass es immer wieder zu solchen Kontingentierung seitens der Industrie kommt, ist ein Fakt.“ Das beträfe zwar von den rund 50 000 rezeptpflichtigen Medikamenten nur eine Gruppe von „rund 200 Medikamenten“. Das aber schaffe bei den Mitgliedsfirmen „regelmäßig riesige Probleme“. Aus der Branche gibt es immer wieder Stimmen, die einigen Pharmafirmen vorwerfen, durch knappe Liefermengen für den deutschen Markt einen begrenzten Abverkauf seitens des Großhandels oder der Apotheken ins Ausland zu verhindern, um sich auf den betreffenden Auslandsmärkten die Gewinnspanen nicht zu verderben.