Donald Trump und die USA seien für die Verbreitung des Coronavirus verantwortlich, behaupten Stimmen aus China, dem Iran und Russland. Foto: dpa/Alex Brandon

China und der Iran sind vom Coronavirus stark betroffen. Das nährt auch die Fantasie von Verschwörungstheoretikern. Sie sehen einen alten Verdächtigen am Werk, der seinen Feinden schaden wolle.

Bagdad/Teheran/Washington - Der tödliche Gegner ist klein und mit bloßem Auge unsichtbar. Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 gibt selbst Fachleuten noch einige Rätsel auf - und bietet sich deswegen geradezu ideal für Verschwörungstheorien an, die in der Welt kursieren, befeuert von Politikern, Fanatikern, vermeintlichen Experten und sozialen Medien. Besonders hoch im Kurs unter Verschwörungstheoretikern steht ein alt-bekanntes Narrativ: Hinter dem Virus stecken angeblich die USA, die ihre Gegner schädigen und ihre Herrschaft über die Welt festigen wollten.

USA-Feinde leiden besonders unter dem Virus

Als vermeintlicher Beweis wird angeführt, dass ausgerechnet die Länder besonders schwer unter dem Virus litten, die mit Washington in einem Konflikt ständen: China und der Iran. Nicht zuletzt die iranische Führung, mit US-Präsident Donald Trump tief verfeindet, spielt mit dieser Sichtweise. So erklärte der Chef der iranischen Revolutionsgarden, Hussein Salami, das Coronavirus könnte ein „biologischer Angriff der USA“ sein. Auch Irans mächtigster Mann, der oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei, übernahm diese Verschwörungstheorie: „Es besteht die Eventualität, dass die Verbreitung des Corona-Virus im Iran ein biologischer Angriff ist.“

Dabei wenden sie einen alt-bekannten rhetorischen Kniff an: Sie sprechen im Konjunktiv und stellen nur die Möglichkeit in den Raum, dass es so sein könnte, ohne sich tatsächlich konkret festzulegen. Doch allein der Verdacht reicht schon aus, um eine solche Erzählung in den Köpfen der Menschen zu verfestigen. Denn das ist das Tückische an Verschwörungstheorien: Sie bleiben konkrete Beweise schuldig, klingen aber irgendwie plausibel und lassen der Fantasie Platz.

Trump als Schuldigen ausgesucht

Im benachbarten Irak machte der einflussreiche schiitische Prediger Muktada al-Sadr, dessen Block der stärkste im dortigen Parlament ist, US-Präsident Donald Trump direkt für die weltweiten Infizierungen verantwortlich: „Trump, du und deinesgleichen werden beschuldigt, diese Krankheit verbreitet zu haben“, schrieb er in der vergangenen Woche auf Twitter und wetterte in Anspielung auf mögliche Impfstoffe: „Welche Behandlung du und deine infizierten Firmen auch immer herausbringen, wir wollen sie nicht.“ Mehr als 11 000 „Gefällt mir“-Reaktionen erhielt er dafür in dem Kurznachrichtendienst.

Al-Sadr, der vor allem unter armen Schiiten im Irak eine große Gefolgschaft hat, instrumentalisiert das Coronavirus in einem Machtkampf. Seit Wochen wird im Irak um eine neue Regierung gerungen. Im Hintergrund versuchen der schiitische Iran und die USA, die noch Truppen im Land haben, Einfluss auf die Regierungsbildung auszuüben.

Aber auch im Konflikt zwischen den USA und China spielt das Virus mittlerweile eine Rolle. Die Spannungen zwischen beiden Seiten eskalierten, nachdem der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, Mitte März auf Twitter eine Theorie ins Spiel gebracht hatte, wonach das US-Militär für den Ausbruch des neuartigen Virus verantwortlich sein könnte. „Wann gab es den Patienten Null in den USA? Wie viele Menschen sind infiziert? Wie heißen die Krankenhäuser? Es könnte die US-Armee sein, die die Epidemie nach Wuhan gebracht hat. Seid transparent! Machen Sie Ihre Daten öffentlich! Die USA schulden uns eine Erklärung!“, schrieb Zhao.

Coronavirus als Bio-Waffe

Der russische Ultranationalist Wladimir Schirinowski ließ in einem Radiointerview ebenfalls wissen, bei Corona handele es sich um eine neue biologische Waffe, die vom Pentagon eingesetzt werde. Das Virus sei über Flugzeuge in China ausgesetzt worden, sagte er. Verdienen würden daran am Ende amerikanische Pharmakonzerne.

China wiederum reagierte mit den indirekten Anschuldigungen auf Verschwörungstheorien, die in den USA kursieren, befeuert vom republikanischen Senator Tom Cotton. Darin wird der Ausbruch mit einem Labor in Wuhan in Verbindung gebracht - jener Stadt in China also, in der die Pandemie ihren Anfang nahm.

Cotton sagte schon im Januar im Senat, er wolle festhalten, dass die Chinesen in jenem Labor „mit den weltweit tödlichsten Erregern - ja, inklusive dem Coronavirus“ hantierten. Eine von Cottons „Hypothesen“ lautet, der Erreger könnte dort durch einen Fehler oder vielleicht auch bewusst freigesetzt worden sein. Er spricht schon seit Wochen von dem „chinesischen Virus“ oder dem „Wuhan-Virus“. Auch hier wieder: Reden im Konjunktiv. In Brasilien löste Präsidenten-Sohn Eduardo Bolsonaro mit seinem Vorwurf, China habe das Coronavirus verheimlicht, gar eine diplomatische Krise aus.

Trump spricht vom „chinesischen Virus“

Inzwischen nutzen auch Trump und US-Außenminister Mike Pompeo diese Begriffe öffentlichkeitswirksam: Der US-Präsident spricht konsequent vom „chinesischen Virus“, Pompeo vom „Wuhan-Virus“. Sie verbreiten damit selbst zwar keine Verschwörungstheorie, bereiten aber den Boden dafür und befördern eine Stigmatisierung Chinas und der dortigen Bevölkerung. Trump will davon nichts wissen - Kritik an seiner Wortwahl weist er zurück. „Das ist überhaupt nicht rassistisch“, entgegnete er. „Es kommt aus China.“ Er wolle nur genau sein.

Ein anderer Erzfeind beschuldigt die USA hingegen nicht, für die Lungenkrankheit verantwortlich zu sein. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sieht in dem Virus vielmehr Gottes Werk: Krankheiten verbreiteten sich nur auf dessen Befehl, heißt es im Propagandamagazin „Al-Nabaa“. Auch in das Weltbild der sunnitischen Extremisten passen China und der Iran als Opfer: China wird demnach bestraft, weil das Land muslimische Uiguren verfolgt, der Iran, weil die dortigen Schiiten angeblich vom wahren Glauben abweichen.