In einer Filmszene behandelt Eberhard Gmelin (1894–1939) Kinder in Palästina Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart

Ein verschollen geglaubter Film aus dem Jahr 1929 dokumentiert die Arbeit kirchlicher Werke in Palästina. Nun wird er in Stuttgart aufgeführt.

Stuttgart - Die Jaffa-Orange gab es schon vor 100 Jahren an der Mittelmeerküste Palästinas. Gepflückt von einheimischen Arbeitern, transportiert von Beduinen-Frauen in Körben auf ihren Köpfen, einzeln verpackt in bedrucktes Papier, verschifft auf europäischen Frachtern. Diesen Weg illustriert ein verschollen geglaubter Stummfilm aus dem Jahr 1929, den das Landeskirchliche Archiv der württembergischen Evangelischen Landeskirche wiederentdeckt hat. An diesem Mittwoch wird er im Stuttgarter Hospitalhof (Büchsenstraße 33) erstmals seit 1934 wieder der Öffentlichkeit präsentiert. Beginn ist um 19 Uhr.

Gedreht hat den Streifen der Stuttgarter Fotograf Paul Hommel (1880 – 1957). Er wollte damit eigentlich Kirchen und Missionen, die im Heiligen Land aktiv waren, für ihre Öffentlichkeitsarbeit ansprechendes Material besorgen. So besuchte er das Syrische Waisenhaus, das auf Johann Ludwig Schneller (1820–1896) von der Schwäbischen Alb zurückging, die Hospitäler und Schulen der Kaiserswerther Diakonissen, die sozialen Einrichtungen der Schorndorfer Karmel-Mission. Doch Hommel hatte einen weiten Blick. Er interessierte sich auch für die Katholische Kirche, etwa deren Hospiz in Tabgha am See Genezareth. Und auch Land und Leute wollte er zeigen, sein Streifzug ging im Norden bis nach Beirut und Baalbek und im Süden bis ans Rote Meer.

Als Hommel 1929 nach seiner Heimkehr den Missionen seinen Film zeigte, waren alle unzufrieden. Denn in dem 40-Minuten-Streifen kam jede Einrichtung nur vergleichsweise kurz vor. Deshalb machte sich Hommel zwei Jahre später noch einmal auf, um seinen Film mit Auftragsdrehs in Schulen, Hospitälern und Waisenhäusern zu erweitern.

Schreibunterricht, Krankenhausalltag, Handwerk

Diese erweiterte Fassung ging verloren. Für damalige Verhältnisse sind die Filmschnitte eher schnell. Der Kameramann verharrt nicht in langatmigen Totalen, sondern zeigt Details aus dem Schreibunterricht, dem Krankenhausalltag und dem Handwerk. In Damaskus schlägt ein Arbeiter Wolle über eine Schnur, in Amman bekämpfen die Menschen mit Flammenwerfern einfallende Wanderheuschrecken.

Dazwischen gibt es Szenen bäuerlicher Arbeit sowie Aufnahmen von historischen Städten, römischen Tempeln, faszinierenden Landschaften. In jenen Wochen flog auch ein Zeppelin aus Deutschland das Heilige Land an. An Bord war der Zentrums-Politiker und spätere Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten Eugen Bolz. Die Szenen zeigen den Zeppelin über der Jerusalemer Altstadt und über dem riesigen jüdischen Friedhof auf dem Ölberg.

Der Film „Die Deutschen Gemeinden in Palästina“ konnte nur fünf Jahre lang gezeigt werden. 1935 verboten die Nationalsozialisten die Aufführung. Die Gründe dafür sind unklar, sagt Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv. Der jüdische Historiker vermutet, dass nicht so sehr antisemitische Motive die Zensoren auf den Plan riefen, sondern die starke religiöse Prägung des Films. Der Streifen, der in Kinos und Gemeindehäusern gezeigt wurde, hatte bereits in den ersten drei Jahren 20 000 Reichsmark eingespielt, womit die Produktionskosten gedeckt waren.

Auf dem Flohmarkt erstanden

Die Historiker gingen davon aus, dass das Werk 1944 beim Bombenangriff auf Stuttgart verbrannte. Im vergangenen Jahr wurde dann aber im Nachlass eines Mannes aus Bremen eine Kopie entdeckt. Er hatte das Material auf einem Flohmarkt erstanden und zwanzig Jahre lang auf einem Schrank liegen lassen. Erst nach seinem Tod führte sein Sohn es dem Landeskirchlichen Archiv zu.

Historiker Eisler ist von den Aufnahmen fasziniert. Beispielsweise dokumentiert der Film den Besuch des Großmuftis von Jerusalem und berüchtigten Antisemiten Mohammed Amin al-Husseini bei einem Katholikenpater in Emmaus, der dort eine kleine Landwirtschaft für Bedürftige aufgebaut hatte. Eindrücklich sind für Eisler auch die Szenen aus den Städten. Das jordanische Amman – heute eine Zwei-Millionen-Stadt – sieht im Film aus wie ein großes Dorf.

In den Sozialeinrichtungen der Missionen waren viele Europäer beschäftigt. Bei der Arbeit zu sehen ist etwa der Arzt Eberhard Gmelin (1894–1939), ein Onkel der SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin. Der Streifen endet in typischer Filmsprache mit einem Sonnenuntergang über dem Golf von Aqaba.