Das Bundesarbeitsministerium hält den uneingeschränkten Betrieb der Paternoster für zu gefährlich Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Landeshauptstadt muss sich im Streit um den weiteren Betrieb der drei Paternoster im Rathaus voraussichtlich dem SPD-geführten Bundesarbeitsministerium beugen. Die beliebten Umlaufaufzüge sind demnach für die Öffentlichkeit ab 1. Juni gesperrt.

Stuttgart - Die Fahrt im Paternoster dürfen vom 1. Juni an nur noch die in dessen Benutzung eingewiesenen Beschäftigten antreten. So steht es in einer neuen Bundesverordnung. Die beliebte Tour von Besuchern und Schulklassen in den hölzernen Umlaufkabinen des Rathauses ist demnach künftig tabu. Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) will an diesem Freitag mitteilen, wie die Stadt die Vorschrift in der Arbeitsschutzverordnung handhabt. Eine vorherige Stellungnahme lehnte er ab.

 

Wölfles Anfang Mai geäußerte Zuversicht, die Paternoster für die Öffentlichkeit weiter offen halten zu können, dürfte inzwischen geschwunden sein. Zwar gibt es vielstimmigen Protest gegen das Papier von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), aber es gibt auch Stimmen von Experten, die eindringlich vor einem Bruch der Verordnung warnen. Denn die lasse der für eine Ausnahmegenehmigung zuständigen Gewerbeaufsicht – sie ist im Umweltamt der Stadt angesiedelt – keinerlei Spielraum.

„Die Behörde müsste erst einmal in die Lage versetzt werden, eine Ausnahme zu schaffen“, sagt Frank Lorho, Sprecher des Landesumweltministeriums. „Unsere Fachleute sagen aber, dass der Verordnungstext eindeutig ist. Außer Beschäftigten, die eine Unterweisung erhalten haben, gibt es keine weitere Personengruppe, die mit einem Paternoster fahren dürfte.“ Zunächst müsse der Gesetzgeber Ausnahmevoraussetzungen schaffen. Das habe man vor zehn Tagen bei einem Bund-Länder-Arbeitsgruppentreffen vorgebracht. „Darüber gab es Einigkeit“, so Lorho. Eine Änderung der Verordnung oder zunächst eine Übergangsregelung werde aber dauern. „Behörden müssen sich an Recht und Gesetz halten“, sagt Lorho.

Auch der Tüv Süd, der diverse Paternoster im Blick hat, warnt vor selbst gestrickten Lösungen. „Wir sind sehr, sehr skeptisch, ob ein Hinweisschild ausreichend ist und ob der Betreiber so sicherstellen kann, dass nur der erlaubte Nutzerkreis mit dem Aufzug fährt“, sagt Heidi Atzler vom Tüv. Sie verweist wie Lorho auf die Haftung des Betreibers.

Auf die Schilderlösung setzt die Concipio GmbH, die das Bosch-Areal bewirtschaftet. Dort findet sich im Literaturhaus genauso wie im Rathaus ein öffentlich zugänglicher Paternoster. Vor jeder Kabine glänzt eine neue Metallplakette mit dem Hinweis, dass der Aufzug von nicht berechtigten Personen nicht benutzt werden darf. „Jeder kann das Schild lesen, und wir gehen davon aus, dass jeder Verantwortungsgefühl hat und den Hinweis beachtet“, sagt Objektmanagerin Petra Schneider. Die Regelung sei mit dem Tüv abgestimmt. Das sorgt bei der Überwachungsorganisation in München für Verwirrung. „Meine Kollegen sagen, dass sie nicht glauben, dass ein Schild ausreichend ist“, sagt Atzler. Die Mieter im Literaturhaus will Concipio kommende Woche in der Benutzung des Paternosters schulen.

„Wir hatten überlegt, ob es mit einem Schild geht, aber unsere Gewerbeaufsicht hält das für nicht ausreichend“, sagt Martin Klamt vom Bauordnungsamtes in München. Hauptproblem sei die Haftungsfrage. Der Paternoster im eigenen Haus sei wie in Stuttgart öffentlich zugänglich, es gebe viel Publikumsverkehr, Abschrankungen könne man nicht errichten. „Wir stellen den Betrieb de facto zum 1. Juni ein“, so Klamt.

Zusammen mit München und Berlin arbeite man daran, die Aufzüge offen zu halten, sagt Stuttgarts Stadtsprecher Fabian Schlabach. Man wolle aber „kein Gesetz beugen“. Eine ebenfalls vorläufige Stilllegung der Paternoster im Stuttgarter Rathaus wird damit wahrscheinlich.

Das Bundesarbeitsministerium rät den Betroffenen, die Vorgaben umzusetzen. Wer die Betriebssicherheit missachte, handle ordnungswidrig, warnt Sprecher Dominik Ehrentraut. Eine Änderung der Verordnung, die die öffentliche Rundfahrt wieder zulasse, könne es „optimaler Weise“ bis Ende 2015 geben – dazu müssen die Länder und das Bundeskabinett mit Angela Merkel beschließen.