Herbert Notz am Züricher Paradeplatz: Die Banken, die dort angesiedelt sind, sind für den Vermögensjäger von ganz besonderem Interesse Foto: Bock

Geld kann einfach verschwinden. Zum Beispiel auf versteckten Konten in der Schweiz und an anderen Finanzplätzen. Dann fragen sich Erben, aber auch der Staat, wo es wohl geblieben ist. Ein Allgäuer hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Millionen aufzuspüren.

Zürich - Der Ort hat Symbolcharakter. Der Paradeplatz mitten in Zürich gilt als das Herz der Schweizer Finanzwelt. Wer sich dort einmal im Kreis dreht, erblickt nicht nur das noble Hotel Savoy, in dem traditionell die besonderen Gäste absteigen, sondern auch eine ganze Reihe der wichtigsten Banken des Landes. Die Crédit Suisse sitzt dort, gleich nebenan die UBS und weitere Kreditinstitute.

Herbert Notz hat sein Büro nur wenige Schritte entfernt. Jeden Tag, wenn der gebürtige Allgäuer hinauffährt in den vierten Stock, ist das große Geld zum Greifen nah. Und doch unendlich weit entfernt. Zumindest für die Kunden, die zu Notz kommen. Der 59-Jährige ist der Jäger des verlorenen Schatzes. Wenn sich Geld irgendwo in den Weiten der Finanzwelt in Luft aufgelöst zu haben scheint, tritt er auf den Plan.

Den Weg zu seinem Schreibtisch finden Erben, die sich darüber wundern, warum das Vermögen des jüngst verstorbenen Vaters nicht mehr da ist. Vielleicht lagert es ja irgendwo in den Tresoren einer Bank. Auch uneheliche Kinder gehören zu den Klienten. Solche, die das Gefühl haben, die Geschwister wollen sie bei der Erbschaft über den Tisch ziehen. Deutsche Insolvenzverwalter melden sich, die glauben, es gebe im aktuellen Fall ein Gschmäckle. Auch mit dem Landesfiskus verschiedener Bundesländer arbeitet Notz zusammen. Die Steuerfahnder, sagt er, hätten nicht immer ein ausgeprägtes Interesse daran, komplizierte Fälle anzugehen. Dann kommt er ins Spiel.

Der Übergang zu unseriösen Angeboten ist fließend

Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Panama – das ist die Spielwiese. „In den Tresoren liegen Millionen, die von den tatsächlichen Anspruchsinhabern nie gefunden werden“, ist Notz überzeugt. Auf die Banken ist er nicht gut zu sprechen: „Die Arroganz der Macht ist einfach unbeschreiblich.“ Und nicht nur er fragt sich, was wohl mit dem Geld passiert, wenn der Inhaber eines Nummernkontos verstirbt und sich keine Erben melden, weil sie davon nichts wissen. „Forscht man nach, hört man von den Kreditinstituten die tollsten Räuberpistolen als Erklärung“, erzählt Notz. Auch Geschichten von Kunden, die regelmäßig mit Plastiktüten voller Scheine gekommen seien, die man aber schon lange nicht mehr gesehen habe. Von deren Tod man selbstverständlich nichts wisse. Dabei sind die dortigen Geldinstitute verpflichtet, Kunden einmal im Jahr persönlich zu treffen.

„Ich habe immer noch Spaß daran, mich mit den Schweizer Banken anzulegen“, sagt Notz und lächelt verschmitzt. Das Vergnügen freilich ist recht einseitiger Natur. Notz macht sich nicht überall Freunde mit seinen Recherchen. Seit 2001 gräbt er mit seiner Firma Internationale Vermögensrecherche GmbH an Stellen, die daran kein Interesse haben. Der frühere Unternehmensberater verbindet dabei die Kenntnisse eines Wirtschaftsingenieurs mit der Fahndungsarbeit eines Detektivs. Leute wie ihn gibt es nur ganz wenige. Der Übergang zu unseriösen Angeboten ist fließend.

Notz hat beste Kontakte in der Finanzbranche. Er weiß, welche Daten er woher bekommt. Und was das kostet. Dabei wird die Menge der verfügbaren Daten immer größer, deren Qualität zugleich schlechter. „Kunden brauchen Geduld und eine gut gefüllte Kriegskasse“, sagt der Vermögensjäger. Doch genau das ist oftmals das Problem. Leute, die nicht erben, weil etwa eine clevere Lebensgefährtin bereits alles abgegriffen hat, können häufig die aufwendigen Recherchen nicht finanzieren. „Das führt oft zu schreiender Ungerechtigkeit: Der eigentliche Erbe lebt von Hartz IV, sein Halbbruder vergnügt sich in Marbella“, sagt Notz.

Lehrgeld im Haifischbecken

Der Allgäuer ist einstmals über den Erbschaftsfall eines Bekannten auf die Geschäftsidee gekommen. Damals half er privat. Am Ende dauerte der Fall eineinhalb Jahre, Notz hatte Kontakte geknüpft und Erfahrungen gemacht, die er nutzen wollte. Auch wenn er anfangs „viel Lehrgeld im Haifischbecken bezahlen“ musste, hat sich der Einstieg in die Vermögensjägerbranche gelohnt. Etwa die Hälfte seiner Fälle kann er heute mithilfe verschiedener Partner zu einem in der Regel außergerichtlichen Abschluss bringen.

Dabei werden die Aufträge immer komplizierter. „Oft hat man am Ende 27 Beteiligte und die unterschiedlichsten Interessen“, erzählt Notz. Mit dem Vermögen früherer Diskothekenbesitzer hat er zu tun oder mit dem Nachlass eines gerissenen Unternehmers. Und mit verletzten Eitelkeiten unter Geschwistern. „Bei manchen Geschichten geht es am Ende nur darum, einen anderen zu beschädigen“, sagt er.

Die Summen, um die es sich dreht, sind nach oben offen. Da ist etwa der Fall eines Händlers, der seine Läden an einen großen Konkurrenten verkauft hat. Rund 60 Millionen Mark hat das damals gebracht. Nach dem Tod des Familienoberhaupts fragen sich die Erben, wo das ganze Geld geblieben ist. Die Spur führt nach Liechtenstein.

Mancher Fall geht Notz jahrelang nach. Wie die spektakuläre Geschichte eines verstorbenen Unternehmers aus Baden-Württemberg. Dessen unehelicher Sohn versucht verzweifelt, ein Stückchen vom großen Kuchen abzubekommen. Die Spuren zu dem Geld, die Namen der beteiligten Banker und die Verflechtungen von Konten, Banken und Stiftungen füllen ein ganzes Regal. Die Erfolgsaussichten sind dennoch gering.

Zwar können auch Miterben und Mitwisser gerichtlich zur Auskunftserteilung verpflichtet werden – doch die Realität sieht anders aus: „Trotz einer Verurteilung zahlen die lieber eine kleine Geldstrafe an eine gemeinnützige Einrichtung, als Hinweise zu liefern“, sagt Notz. Das große Geld bleibt verschleiert, der Suchende ruiniert sich und sein Leben. „Manchmal muss man den Leuten leider dazu raten, mit der Geschichte abzuschließen und weitere Nachforschungen im Sinne des Selbstschutzes bleiben zu lassen“, sagt Notz.

Die Finanzwelt ändert sich ständig, und mit ihr auch die Kundschaft des Millionenjägers. Neuerdings kämpft er mit seiner zweiten Firma, der De iure AG, auch für ehemalige Schwarzgeldkunden der Schweizer Banken. „Die wurden regelrecht über den Tisch gezogen“, versichert der 59-Jährige: So seien über die Jahre für verschiedene Geldanlagen Vertriebsprovisionen kassiert und viel zu hohe Gebühren berechnet worden. Hat ein Betroffener mit einer Selbstanzeige reinen Tisch gemacht, kann er jetzt, nach einem Urteil des Schweizer Bundesgerichts, unter bestimmten Umständen die Rückerstattung dieser sogenannten Retrozessionen verlangen. Auch dabei geht es für manche um Hunderttausende Euro.

Eingefordert wird das Geld allerdings in den seltensten Fällen. „Die Leute wollen mit diesem Kapitel nichts mehr zu tun haben und damit abschließen“, weiß Notz, „außerdem klagen sie ungern gegen die eigene Bank.“ Notz lässt sich von den Betroffenen deshalb die Ansprüche und damit auch das Risiko abtreten. Sollte er erfolgreich sein, bekommen sie die Hälfte des zurückerstatteten Geldes. Noch sammelt er die Fälle. Bis Jahresende will er 350 Ansprüche beisammen haben, weitere Gerichtsurteile abwarten und dann gegen die Banken vorgehen.

Im Erfolgsfall dürfte denen das richtig weh tun. Ein Grund mehr, auf Herbert Notz nicht gut zu sprechen zu sein. Bisher, sagt er, werden die tatsächlichen Erstattungsansprüche verschleiert oder Kunden, die Retrozessionen zurückwollen, mit dem Hinweis auf Verjährung oder einen fehlenden Vermögensverwaltungsvertrag abgewimmelt. Die Antwortschreiben der Banken stapeln sich auf Notz’ Tisch. Die meisten sind in seinen Augen nichtssagend. „Von derartigen Brieffreundschaften halte ich nichts“ sagt er und lächelt.

Am Paradeplatz dreht sich die Finanzwelt derweil weiter. Eine der Banken äußert sich auf Anfrage allgemein zum Streitpunkt Retrozessionen: „Bei Bedarf erörtern wir das Thema fallweise vor dem Hintergrund der Gesamtbeziehung mit den Kunden“, sagt ein Sprecher der UBS. Man trage dem erhöhten Bedürfnis nach Transparenz bereits seit mehreren Jahren Rechnung, habe den Umgang mit Vertriebsentschädigungen in den Reglements und Verträgen mit aufgenommen. Man weise die Summen zudem regelmäßig aus. Seit 2014 verwende man bei Vermögensverwaltungsmandaten keine Investmentprodukte mit Retrozessionen mehr. Von nächstem Januar an soll das auch für Beratungsmandate mit schriftlichem Vertrag gelten.

Der Vermögensjäger wird das mit großem Interesse verfolgen. Und vielleicht den einen oder anderen verlorenen Schatz heben.

Info

Nachlassermittlung

Wenn ein Mensch stirbt, wissen die Erben nicht immer, welche Werte überhaupt vorhanden sind – oder sie geraten darüber in Streit. Nicht selten gibt es Konten oder Geldanlagen, über die keine Unterlagen vorhanden sind.

Innerhalb Deutschlands ist die Suche danach relativ unkompliziert. Es ist möglich, einen Nachforschungsantrag beim Bundesverband Deutscher Banken zu stellen, dem gut 200 Privatbanken angeschlossen sind. Auch die Verbände der Volks- und Raiffeisenbanken, der Spar- und Girokassen sowie der öffentlichen Banken bieten entsprechende Verfahren an. Schwieriger wird die Suche im Ausland. Dabei kann ein Nachlassexperte helfen.

Notwendig ist in jedem Fall eine schriftliche Berechtigung, also ein Erbschein oder ein Testament mit gerichtlichem Eröffnungsvermerk. Außerdem sollten die Erben zügig handeln, damit keine Fristen ablaufen und die Recherche möglichst chancenreich ist. (jbo)