Ministerpräsident Kretschmann mahnt jetzt schon zum zweiten Mal die Einberufung des Vermittlungsausschusses an. Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Bund und Länder streiten ums Geld für den Rechtsanspruch auf Ganztagsgrundschule. Winfried Kretschmann macht erneut Druck in Berlin. Kommt jetzt die Wende zur Einigung?

Stuttgart - Nicht einmal mehr drei Wochen bleiben, um den Bund-Länder-Streit über die Finanzierung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsgrundschule vor dem Ende der Legislaturperiode zu entschärfen, der ab 2026 in ganz Deutschland eingeführt werden soll. Das ist nicht viel Zeit, um das Programm, das die Bundesregierung 2017 im Koalitionsvertrag vereinbart und das der Bundestag im Juni erst beschlossen hat, mit einer Milliardenspritze aus dem Bundeshaushalt zu retten. Und um Rettung muss es gehen, weil das Ende der Legislaturperiode naht und der Bundesrat wegen der aus Ländersicht ungenügenden Finanzierung den Vermittlungsausschuss angerufen hat.

 

Kein Millimeter Fortschritt

Das war am 25. Juni, und vorangekommen ist man seither keinen Millimeter. Das löst bei der Stuttgarter Landesregierung, allen voran Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), inzwischen merkliches Stirnrunzeln aus. Weder hat der Bundesratsbeschluss selbst zur Einleitung des Vermittlungsverfahrens geführt. Noch hat das erste Mahnschreiben aus Stuttgart, das Kretschmann an die damalige Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, seine Schweriner Kollegin Manuela Schwesig (SPD), gerichtet hat, bisher auch nur irgendeine Wirkung erzielt.

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Deshalb hat der Stuttgarter Regierungschef jetzt dem seit August amtierenden neuen Chef des Vermittlungsausschusses Hermann Gröhe (CDU) wieder geschrieben. In dem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, bittet er „erneut“ und „eindringlich“ darum, „nunmehr zügig den Einladungsprozess in Gang zu setzen“.

Er gehe davon aus, „dass es mit etwas gutem Willen aller Beteiligten noch in dieser Legislaturperiode möglich ist, die bislang unzureichende Beteiligung des Bundes an den mit einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter verbundenen Kosten zügig und einvernehmlich neu zu regeln“, schreibt Kretschmann.

Der gute Wille wird von vielen Seiten bezweifelt

Der gute Wille, den Kretschmann beschwört, wird inzwischen aber von vielen Seiten bezweifelt. So hat Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) nach dem ersten Brief aus Stuttgart in einem Interview mit unserer Zeitung den guten Willen der Länder angemahnt. Sie verwies darauf, dass der Bund die Investitionsmittel für die Ganztagsgrundschulen schon von zwei auf 3,5 Milliarden Euro aufgestockt hat und sich ab 2030 mit jährlich einer Milliarde Euro an den Betriebskosten beteiligen will.

Zugleich löst es nicht nur in Stuttgart, sondern auch in der CDU-Bundestagsfraktion mindestens Verwunderung, wenn nicht Befremden aus, dass Manuela Schwesig Kretschmanns Brief vom 22. Juli unbeantwortet liegen gelassen hat, bis sie nicht mehr Chefin des Vermittlungsausschusses war. So gehe man eigentlich nicht mit Verfassungsorganen um, heißt es von verschiedenen Seiten. Dass Schwesig sich dem Vernehmen nach jetzt an ihren CDU-Nachfolger Gröhe gewandt und brieflich auf rasche Verhandlungen im Vermittlungsausschuss gedrungen hat, wird in der Union als ungehörig und wahltaktisch motiviert empfunden.

Lösung oder Schwarzer Peter?

Da die Union und die SPD im Bundestag während der ganzen Legislaturperiode über den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler gestritten haben, verwundert es kaum, dass hinter vorgehaltener Hand auch gegenüber CDU/CSU Blockadevorwürfe erhoben werden. Leicht wird es nicht, sich jetzt, wo der Wahlkampf in die heiße Phase eintritt, noch zu einigen. Die Lösung muss vor dem 7. September gefunden sein, weil der Bundestag dann regulär zum letzten Mal vor der Wahl zusammentritt und die veränderte Ganztagsförderung neu beschließen muss.

Ob der Streit geschlichtet oder am Ende nur der Schwarze Peter hin und her geschoben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. Doch nachdem der wochenlange Stillstand die Fronten verhärtet hat, gibt es jetzt Signale aus allen Lagern, dass man eine Verständigung doch noch probieren will. „Erste Sondierungsgespräche zur Kompromissfindung könnten bereits kommende Woche im Rahmen einer informellen Arbeitsgruppe geführt werden“, schreibt Winfried Kretschmann in seinem Brief an Gröhe. Dafür haben sich dem Vernehmen nach hinter den Kulissen auch Vertreter von SPD und Union starkgemacht.