Brände an Bord des angegriffenen Öltankers „Sounion“ im Roten Meer Foto: European Union's Operation Aspid/European Union's Operation Aspid

Der arabische Vermittler Katar will den Iran dafür gewinnen, mäßigend auf die Huthi-Rebellen einzuwirken, und ihn in die Verhandlungen über eine Feuerpause in Gaza einbinden. Die Chancen dafür stehen gut.

Der Iran signalisiert seine Bereitschaft, mäßigend auf seine Verbündeten im Nahen Osten einzuwirken. Teheran brachte jetzt die Huthi-Rebellen im Jemen dazu, der Entsendung von Bergungsteams und Schleppern zu einem beschädigten Öltanker im Roten Meer zuzustimmen. Der arabische Vermittler Katar will den Iran zudem in die Verhandlungen über eine Feuerpause in Gaza einbinden. Der Zeitpunkt für die Initiative ist günstig, denn auch der Iran sucht nach Auswegen aus der Eskalationsspirale in der Region.

Öltanker in Flammen

Die Huthis hatten vorige Woche den griechischen Öltanker „Sounion“ mit Raketen angegriffen und in Brand gesetzt. Wenn die 150 000 Tonnen Öl an Bord des Schiffes auslaufen sollten, droht im Roten Meer eine Umweltkatastrophe. Zunächst hatten die Huthis mit Angriffen auf jeden gedroht, der sich dem Tanker nähern sollte. Jetzt teilte die iranische UN-Botschaft nach einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Irna mit, die Rebellen hätten aus humanitären Gründen und wegen der Gefahr für die Umwelt einer befristeten Waffenruhe in der Region um den Tanker zugestimmt. Die Huthis wollen mit ihren Angriffen auf die Schifffahrt im Roten Meer die Hamas im Gazakrieg gegen Israel unterstützen.

Teheran ist der Hauptunterstützer von Huthis und Hamas. Katar will den Einfluss des Iran auf die Hamas nutzen, um eine Feuerpause in Gaza zu erreichen. Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman bin Dschassim al-Thani sagte bei einem Gespräch mit dem neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian in Teheran, er zähle auf eine „konstruktive Rolle“ des Iran bei den Bemühungen um eine Waffenruhe. Zusammen mit Ägypten und den USA bemüht sich Katar seit Monaten, Hamas und Israel zu einer Feuerpause zu bewegen. Derzeit laufen Gespräche auf Expertenebene.

„Der Besuch steht im Zusammenhang mit einem allgemeinen Trend zur Deeskalation im Nahen Osten“, sagt der Iran-Experte Arman Mahmoudian von der Universität Süd-Florida. Der Iran hat bisher auf einen Vergeltungsschlag gegen Israel nach dem Attentat auf Hamas-Chef Ismail Hanijeh in Teheran verzichtet; am vorigen Wochenende fiel die Rache der iranisch unterstützten Hisbollah-Miliz im Libanon für den Tod eines hochrangigen Kommandeurs bei einem israelischen Luftangriff relativ zurückhaltend aus.

Auch mit dem „Feind“ reden

Bei ihrer Iran-Initiative handeln die Kataris nach Einschätzung von Mahmoudian im Einvernehmen mit den USA. Washington wolle versuchen, mit der neuen iranischen Regierung ins Geschäft zu kommen, sagte der Iran-Experte unserer Zeitung. Enge Kontakte zwischen dem US-Partner Katar und Teheran könnten dabei helfen. Die US-Regierung will mit Teheran eine Neuauflage des Atomabkommens von 2015 aushandeln. Nun seien die USA möglicherweise zu dem Schluss gekommen, dass der Weg zu neuen Atomgesprächen über eine Entspannung im Gazakrieg führe, meint Mahmoudian.

Präsident Peseschkian verspricht den Iranern eine Verbesserung der Wirtschaftslage durch einen Abbau westlicher Sanktionen und ist deshalb an einer Neuaufnahme der Atomverhandlungen mit USA und Europa interessiert. Für diesen Kurs erhielt der Präsident jetzt grünes Licht von Regimechef Ali Khamenei. Dem Westen sei zwar nicht zu trauen, sagte Khamenei. Es schade aber nichts, trotzdem mit dem „Feind“ zu reden.

Eine Waffenruhe in Gaza würde es dem Iran zudem ermöglichen, die angekündigte Rache an Israel für den Tod von Hanijeh auf unbestimmte Zeit zu verschieben oder ganz abzublasen. Teheran hat signalisiert, dass eine Feuerpause zwischen Hamas und Israel die iranische Vergeltung überflüssig machen würde. Ohne militärische Konfrontation könnte sich Peseschkian auf die Wirtschaft konzentrieren. Khamenei befürchtet, ein iranischer Angriff auf Israel könnte massive Gegenschläge von Israel und USA lostreten, die den Fortbestand der Islamischen Republik gefährden würden.

Dieses Eigeninteresse des Iran könnte den Gaza-Verhandlungen neue Impulse geben. Der Iran hat enge Verbindungen zur Hamas-Führung. Teheran habe nach Hanijehs Tod die Beförderung des langjährigen Hamas-Chefs in Gaza, Jahja Sinwar, zum neuen Anführer der Gesamt-Organisation durchgesetzt, berichtete die Zeitung „The National“ aus Abu Dhabi unter Berufung auf arabische Sicherheitskreise. Als Führungsmacht der „Achse des Widerstandes“, eines pro-iranischen Netzwerkes aus Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah, kann der Iran den Partner Sinwar zu mehr Kompromissbereitschaft anhalten.

Ob Sinwar, der den Hamas-Angriff auf Israel organisierte, auf den Iran hören wird, muss sich noch zeigen. Die Hamas ist kein iranischer Vasall: Die iranische Führung wurde nach eigenen Angaben vom Angriff des 7. Oktober genauso überrascht wie der Rest der Welt.