Bei der Suche nach Vermissten setzt die Polizei häufig auf ihre Hubschrauberstaffel. Sechs Airbus H 145 stehen am Stuttgarter Flughafen bereit. Foto: dpa-Zentralbild

Wenn Menschen verschwinden, hilft oft ein Blick aus der Vogelperspektive. Diese Aufgabe übernehmen die Beamten der Hubschrauberstaffel der Polizei. Sie sind häufig über der Stadt im Einsatz – auch in der Nacht.

Stuttgart - Im Seniorenzentrum Haus am Sommerrain ist das Personal etwas ratlos: Seit Wochen wird ein Bewohner vermisst. „Dabei sind wir direkt mit 20 Leuten losgezogen und haben ihn gesucht“, sagt Rada Dinkelacker-Strika, die Leiterin des Hauses vom Deutschen Roten Kreuz. Das sei noch nie geschehen. Am Schmidener Feld verliert sich die Spur des 81-Jährigen. „Wir verstehen das nicht. Da sind so viele Spaziergänger und Radfahrer unterwegs, irgendwer muss doch was gesehen haben“, sagt Dinkelacker-Strika. Auch eineFahndung der Polizei mit dem Hubschrauberbrachte kein Ergebnis.

Die Zahl der Vermissten, die von der Polizei von der Luft aus gesucht werden, ist in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen. Und das, obwohl die Gesellschaft immer älter wird und damit auch die Zahl der dementen Menschen zunimmt, die aus ihrer Wohnung oder ihrem Pflegeheim weglaufen. „Den Einsätzen sind Grenzen gesetzt“, sagt ein Sprecher des für die Hubschrauberstaffel zuständigen Polizeipräsidiums Einsatz in Göppingen.

Sechs Hubschrauber stehen zur Verfügung, die von 27 Pilotinnen und Piloten geflogen werden. Seit der Umstellung der Hubschrauberstaffel im Jahr 2016 auf das von Airbus gebaute Modell H 145 kann auch nachts geflogen werden. Die Maschinen verfügen über Infrarotkameras und die Piloten können mit Brillen fliegen, die das Restlich verstärken. „Dennoch gehen die nachts nur in die Luft, wenn es unbedingt sein muss – also wenn ein Mensch in Gefahr ist oder ein Straftäter auf der Flucht“, sagt der Polizeisprecher.

Die meisten Vermissten sind Jugendliche

Bei der Fahndung erfahren die Ermittler immer wieder Unterstützung von der Hubschrauberstaffel. Hauptsächlich rücken die Hubschrauber zu zwei Zwecken aus: Entweder sie suchen nach Vermissten Personen, oder sie helfen bei der Fahndung nach Straftätern und Fahrzeugen. Beides geschieht häufig nachts, sodass die Stille überm Stuttgarter Kessel das Geknatter besser wahrnehmen lässt als im geschäftigen Rauschen des Alltags. Auf Beschwerden reagiert die Polizei gelassen: „Jeder, den das Geräusch stört, soll sich fragen, wie er reagieren würde, wenn seine Angehörigen gesucht werden müssen“, sagt der Sprecher des Göppinger Präsidiums.

Hubschrauber ergänzen die Arbeit der Polizei am Boden

Die Hubschrauberstaffel kann bei ihren Einsätzen eine Reihe von Erfolgen vorweisen: Im Jahr 2016 waren die Beamten zu 873 Einsätzen bei Vermisstensuchen in der Luft. In 58 Fällen wurden die Vermissten aus der Vogelperspektive wahrgenommen. 25 dieser Einsätze zur Vermisstensuche flog die Hubschrauberstaffel im vergangenen Jahr für das Stuttgarter Polizeipräsidium. 476 Fälle registrierte das in Göppingen ansässige Polizeipräsidium Einsatz, zu dem die Hubschrauberstaffel gehört, als sonstige Fahndungen nach Straftätern oder Fahrzeugen. Bei diesen Einsätzen meldeten die Beamten 23 Sucherfolge, teilt der Polizeisprecher mit. Im Jahr zuvor waren bei 942 Einsätzen zur Suche von Vermissten 68 Personen von der Luft aus aufgespürt worden. 25 von 558 sonstigen Fahndungen wurden durch die Mitwirkung der Hubschrauberstaffel erfolgreich abgeschlossen. Die Zahlen aus den Jahren davor bewegen sich in einem ähnlichen Bereich. Wenngleich sie in Relation zu der Zahl der Einsätze niedrig klingen, wertet die Polizei sie dennoch als Erfolg: „Es heißt ja nicht, dass die Personen verschwunden oder die Straftäter unentdeckt geblieben sind, wenn die Hubschrauberstaffel sie nicht gesehen hat“, sagt der Polizeisprecher. Schließlich seien viele Fälle auch am Boden geklärt worden, „da sind ja auch Einsatzkräfte unterwegs, die Hubschrauberbesatzung arbeitet nicht alleine“.

In Stuttgart waren im vergangenen Jahr 3504 Vermisstenfälle gemeldet. Die Statistik unterscheidet zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Kinder waren es 311, 162 Buben und 149 Mädchen. Bei den Jugendlichen hatten die Jungs mit 1588 den ganz klar größeren Anteil an den insgesamt 2387 Vermissten im Alter von 14 bis 18 Jahren. Dabei müsse man berücksichtigen, dass dazu auch unbegleitete minderjährige Asylsuchende zählen würden, sagt der Polizeisprecher Rainer Struensee. „Wenn die sich in Stuttgart melden und dann doch in eine andere Stadt weiterziehen, muss Stuttgart sie als vermisst melden“, erläutert er. Erwachsene Männer wurden 497 vermisst, Frauen 309. Die Polizei hat trotz der hohen Zahl eine gute Nachricht: Die Aufklärungsquote liege fast bei 100 Prozent, sagt Rainer Struensee.

Auch im Haus Sommerrain hofft die Heimleitung noch, dass der Vermisste zurückkommt – trotz der Hitze und der langen Zeit. „Es ist manchmal erstaunlich, was die Leute leisten, wenn sie sich auf den Weg machen“, sagt die Heimleiterin.