Deutsche und Schweizer Behörden versuchen den Vermisstenfall einer Stuttgarterin zu klären. Foto: dpa

Wochenlang rätselte die Polizei im Kanton Graubünden über ein menschliches Bein auf einer Weide. Nun wissen die Ermittler etwas mehr: Das Körperteil gehört zu einer vermissten Stuttgarterin.

Stuttgart - Eine 39-jährige Stuttgarterin, die seit einem Jahr vermisst wird, ist wohl nicht mehr am Leben. Die Schweizer Polizei fand bei Chur einen verwesten menschlichen Unterschenkel – und konnte das Körperteil nun per genetischem Fingerabdruck der Frau zuordnen. Dies teilte die Kantonspolizei Graubünden am Montag mit. Ein Verbrechen gilt aber als weniger wahrscheinlich.

Der Fall hatte in Untervaz, 15 Kilometer nördlich von Chur, für reichlich Aufsehen gesorgt. Im Gebiet Halbmil, nicht weit von der Autobahn 13 entfernt, lag am 21. Juli auf einer Weide der verweste Teil eines Beins samt Turnschuh der Größe 38. Außer dem Unterschenkel gab es weit und breit nichts: Ein Leichenspürhund suchte das Gebiet rund um die Fundstelle großräumig ab – ohne Ergebnis. „In drei bis vier Kilometer Umkreis gab es keine weiteren Leichenteile“, sagt Roman Rüegg, Sprecher der Kantonspolizei Graubünden. Wie aber gelangte das einzelne Bein so weit entfernt von der mutmaßlichen Leiche an diese Stelle? Und vor allem: Wessen Überreste waren das? Klar war nur, dass es sich um eine 1,68 Meter große Frau gehandelt haben musste.

Eine DNA-Spur bringt den Durchbruch

Nachdem Vermisstenfälle in Graubünden ausgeschlossen werden konnten, erstellten Rechtsmediziner in Sankt Gallen eine genetische Information, mit der in der Folgezeit auch die europäischen DNA-Datenbanken abgeglichen wurden. Schließlich gab es einen Treffer.

Die Spur reicht knapp ein Jahr zurück – und führt nach Stuttgart-Vaihingen: Im August 2017 war eine 39-jährige Frau in einem offenbar psychisch verwirrten Zustand verschwunden. Ihr Umfeld befürchtete das Schlimmste – und erstattete Vermisstenanzeige bei der Polizei. Die Beamten der Kripo klapperten ihre möglichen Hinwendungsorte ab, versuchten in ihrem Umfeld Hinweise auf ihren Aufenthaltsort zu erlangen. Alles blieb erfolglos. Die 39-Jährige wurde zu einem der jährlich 3500 Vermisstenfälle.

Wie kam das Bein nach Untervaz?

Nun scheint klar, dass die 39-Jährige bis in den Südosten der Schweiz gelangt sein dürfte. Die Autobahn 13 führt an Chur vorbei ins Tessin, die Fundstelle des Beins in Untervaz ist nicht weit von der Anschlussstelle Zizers entfernt. Die Kantonspolizei ermittelt nun mit Staatsanwaltschaft und deutschen Behörden die Umstände, die zum Fund des Körperteils führten. Bisher spricht offenbar wenig dafür, dass die 39-Jährige das Opfer eines Kapitalverbrechens geworden sein könnte.

Sollte tatsächlich ein Täter Leichenteile verteilt haben, dann dürfte das Bein nicht fast ein Jahr auf der Weide unentdeckt geblieben sein. Vielmehr spricht manches dafür, dass erst kürzlich ein oder mehrere Wildtiere das Bein dorthin transportiert und zurückgelassen hatten. Dass die 39-Jährige vor Monaten irgendwo in großer Entfernung ihrem Leben ein Ende gesetzt haben könnte, gilt bei den Ermittlern als wahrscheinliche Variante. Doch Polizeisprecher Rüegg will sich an Spekulationen nicht beteiligen: „Wir müssen nun die weiteren Ermittlungsergebnisse abwarten.“