Die Verlage der Region präsentieren ihre Neuerscheinungen bei den Stuttgarter Buchwochen Foto: Lg/Piechowski

Wie macht man auf Bücher aus der Region für die Region aufmerksam? Die Verleger haben hohe Erwartungen an den Zusammenschluss der Stuttgarter Buchhandlung Wittwer mit Thalia.

Stuttgart - Für die Buchkäufer in Stuttgart ist der Name Thalia neu. Die größte Buchhandelskette im deutschsprachigen Raum hat sich mit der Buchhandlung Wittwer zusammengeschlossen, ist also in absehbarer Zeit präsent in zentraler Lage am Schlossplatz in der Innenstadt. Anders ist es bei den Buchverlagen in Baden-Württemberg. Sie kennen Thalia schon länger als Handelspartner, denn Thalia hat 15 Filialen im Land.

Verleger Hubert Klöpfer vom Tübinger Klöpfer & Meyer-Verlag betrachtet dies zunächst einmal aus der Warte des bisherigen Inhabers Konrad M. Wittwer: „Wir hatten bisher eine sehr gute Zusammenarbeit mit Wittwer, an der sich jetzt hoffentlich nichts ändern wird. Wittwer war uns gegenüber immer sehr nahe, wir haben einige gute große Veranstaltungen gemeinsam organisiert.“ Der Zusammenschluss ist für ihn einsichtig: „Damit die Qualität auch künftig stimmt, muss eine solche Buchhandlung in eine größere Einheit überführt werden. Herr Wittwer musste der Buchhandlung eine Perspektive geben, die über ihn hinausführt. Da hat er strategisch die richtige Entscheidung getroffen. Vor diesem Thema stehen derzeit einige Buchhandlungen im Land, auch Verlage.“

Ein Verlust der Artenvielfalt

Die gr0ßen Handelsketten wie Thalia sieht er ebenfalls in einem Wandel: „Früher bekamen wir schon Probleme damit, dass überhaupt einer unserer Vertreter dort vorstellig werden durfte. Heute können die einzelnen Filialen bei Thalia schon mehr mitbestimmen, was sie anbieten wollen. Aber am Ende läuft freilich dann doch noch alles über den Zentraleinkauf. Sein Fazit: „Für uns als Verlag geht damit halt wieder eine Buchhandlung verloren, die konkret auf uns zukommt, indem sie sich beispielsweise konkret entscheidet: Wir bestellen jetzt 30 Exemplare des neuen Romans von Felix Huby. Da geht nun mal ein Stück Artenvielfalt verloren“.

Allein in Tübingen fallen dem Verleger auf die schnelle fünf Buchhandlungen ein, die in diesem Jahrtausend bereits zumachen mussten: Beneke, Pietzker, Taubla, Frick, Linie 1 und die Buchhandlung in der Gartenstraße. Klöpfer sieht freilich auch, dass sich die komplette Leselandschaft derzeit ändert: „Vor einigen Jahren galt man noch als Intensivleser, wenn man mehr als 20 Bücher im Jahr gelesen hat, heute gilt das schon für mehr als zwölf Bücher jährlich.“ Auch vor diesem Hintergrund hat der Tübinger Verleger für Wittwers Entscheidung „volles Verständnis“. Klöpfer erinnert da gerne an den Satz von Friedrich Schiller: „Die Zerstreuung eines Buches durch die Welt ist fast ein ebenso wichtiges Werk als die Verfertigung desselben“.

Der online-Handel und das stationäre Geschäft

Den großen Umbruch in der Leselandschaft beschäftigt ebenso den Vertriebs- und Marketingleiter Jochen Große Entrup vom Gmeiner Verlag: „Der online-Handel setzt den stationären Handel sehr stark unter Druck. Das ist in allen Städten so, und das betrifft nicht nur die Buchgeschäfte. Und in anderen Städten wie in Düsseldorf wurden Häuser, die mit dem von Wittwer vergleichbar sind, inzwischen zugemacht. Für uns Verlage ist die Sichtbarkeit unserer Produkte ganz wichtig, und dazu müssen wir in den sehr guten Lagen in den Fußgängerzonen präsent sein, um die Laufkundschaft zu erreichen. Doch diese Lagen werden immer teurer, der Buchhandel kann die dort verlangten Mieten kaum noch erwirtschaften. Das gelingt nur noch wenigen international agierenden Konzernen, aber dadurch gleichen sich die Erscheinungsbilder der Einkaufsstraßen immer mehr. Die Folge ist, dass es die Leute immer weniger reizt, dort hin zu gehen. Dabei ist der Einzelhandel aber dringend auf Passanten angewiesen“.

So findet es Große Entrup erst einmal sehr gut, dass mit Thalia das Stuttgarter Buchgeschäft am Schlossplatz erhalten bleibt: „Thalia hat ja nun schon mehrere Buchhandlungen der Kategorie Wittwer übernommen, da hat Thalia viel an Kompetenz dazugewonnen. Ich gehöre nicht zu denen, die gegen Thalia wettern. Man wird in den Buchhandlungen von Thalia gut beraten. Und in Stuttgart kann Thalia auf das hervorragende Personal von Wittwer zurückgreifen.“ Inzwischen ist Große Entrup auch zufrieden mit der Präsentation der Gmeiner-Bücher in den Thalia-Buchhandlungen.

Das war nicht immer so für den Meßkircher Verlag, der sich auf Krimis und kulturelle Titel der verschiedenen Regionen Deutschlands spezialisiert hat: „Mit dem Zentraleinkauf hatten wir lange unsere Probleme. Die wussten genau, welche Filiale wie viele Exemplare eines neuen Krimis von Jussi Adler-Olson verkaufen wird, aber der Autor Manfred Bomm, der vieles aus seiner Heimat, dem Landkreis Göppingen, heraus schreibt, sagte ihnen aber gar nichts.“ Große Entrup: „Das Problem ist inzwischen gelöst. Wir arbeiten mit den reionalen Thalia-Händlern gut zusammen.“

Die Aktion „Lass den Klick in der Stadt

Dem Geschäft am Schlossplatz sagt Große Entrup aber dennoch erst mal unruhige Zeiten voraus: „In technischer Hinsicht hat Thalia auf jeden Fall sehr viel vor. Da wird es in der Übergangszeit wahrscheinlich schon mal rumpeln. Aber in anderen Städten hat die Übernahme letztlich auch ganz gut funktioniert. Es verschiebt sich eben viel durch den Internet-Handel. Aktionen wie „Lass den Klick in der Stadt“ finde ich deshalb sehr wichtig. Es ist ja auch schon einiges geholfen, wenn online in dem Wittwer-Haus bestellt wird.“ Große Entrup hat noch einen interessanten Gradmesser dafür, was eine lebendige und interessante Innenstadt ausmacht: „Gibt es da noch einen Buchladen, einen Hutmacher, ein Schirmgeschäft? – Gerade der kleinteilige, nicht filialisierte Einzelhandel gibt die notwendigen Inspirationen“.

Gute Erfahrungen mit Thalia

Titus Häussermann, der 1085 den Silberburg Verlag gründete und bis Mitte 2017 leitete, berichtet ebenfalls über positive Erfahrungen mit Thalia: „Wir haben keine schlechte Erfahrungen gemacht, auch nicht mit dem von vielen gefürchteten Zentraleinkauf. Wir konnten unsere Halbjahresprogramme immer in den verschiedenen Thalia-Buchhandlungen vorstellen und bekamen auch von dort Bestellungen.

Über regionale Themen muss nun mal vor Ort entschieden werden, was man davon einkaufen und den Kunden vorstellen möchte“. Das liegt für Häussermann auch an der Unternehmensstruktur: „Thalia gehört ja mehrheitlich Manuel Herder, der auch den traditionsreichen Familienverlag Herder in Freiburg führt. Manuel Herder ist sehr gut drin im Buchgeschäft, während die Vorbesitzer von Thalia reine Finanzinvestoren waren. Herder kann sehr viel mit Büchern anfangen. Ich kenne ihn persönlich, wage deshalb zu sagen: Herder brennt für Bücher.“ Dass dies in diesem großen Rahmen nicht immer einfach ist, erkennt auch Häussermann. Allerdings: „Das sind doch erst mal gute Voraussetzungen.

Und im Falle Wittwer muss man auch mal die Frage stellen: Was wäre die Alternative zu Thalia gewesen? Ein Seiteneinsteiger? Dazu ist Wittwer zu groß, da ist schon ein kapitalkräftiger Partner vonnöten.“ Denn Häussermann sieht ebenfalls den großen wirtschaftlichen Druck, der auf Buchgeschäften lastet. Umso bemerkenswerter findet er, was sich sonst noch so alles tut in Sachen Buch in Stuttgart: „Da gibt es noch Limacher am Kleinen Schlossplatz mit den Themen Architektur, Kunst und Design. Oder Müller & Gräff in der Calwer Straße. Das ist vor allem ein Antiquariat, aber dort gibt es auch immer wieder neue Bücher aus dem Bereich Landeskunde. Oder die Buchhandlungen im Kunstmuseum oder im Literaturhaus. Sie pflegen nur kleine Ausschnitte aus dem gesamten Buchmarkt, und das funktioniert in Stuttgart immer noch.“

Regionalität bleibt wichtig

Auch Rüdiger Müller, der heute den Silberburg-Verlag leitet, setzt auf Thalia: „Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit Thalia-Buchhandlungen gemacht, etwa mit der in Ludwigsburg. Regionalität war bei Wittwer immer sehr wichtig, die Lage des Hauses am Schlossplatz ist ein Publikumsmagnet auch in dieser Hinsicht und Regionales ist generell ein Wachstumsfaktor, auch größere Verlage werden darauf zunehmend aufmerksam. Thalia wird in Stuttgart ganz sicher auf diesen sehr kraftvollen Zug draufspringen und wird nicht danebenstehen. Wir sind da ganz optimistisch, in der Vergangenheit haben wir ja auch sehr eng und sehr gut mit Wittwer zusammengearbeitet.“