Verlagsleiterin Luciana Bawidamann und Gründer Andreas Mergenthaler haben ein Gespür für Hits wie „Sin City“. Foto: Simon Granville

Der Ludwigsburger Cross Cult Verlag bringt Werke wie „The Walking Dead“ heraus, nach denen sich Fans die Finger lecken. Und das nächste große Ding ist wohl nicht mehr weit.

Früher hat das Feuilleton die Nase gerümpft über Geschichten, die mit dem Zeichenstift und Sprechblasen erzählt werden. Heute sind Comics eine gerühmte Kunstform, lassen sich mit Superhelden-Verfilmungen Millionen verdienen, erleben speziell Mangas als Subform einen nie dagewesen Boom. So gesehen hat Andreas Mergenthaler mit dem Verlag Cross Cult alles richtig gemacht. Denn er und sein Team bedienen Fans genau jenes Genres, das seit einigen Jahren durch die Decke geht. Doch das war bei der Gründung des Verlags vor mehr als 20 Jahren längst nicht absehbar – und somit der Beschluss, in dieser Branche den Lebensunterhalt verdienen zu wollen, keinesfalls eine sichere Bank.

Der erste große Auftrag

Mergenthaler hatte von Kindesbeinen an ein Faible für Comics, tauchte unter anderem in die Abenteuer von Asterix und Obelix ein. Als Grafik-Designer mit eigenem Studio ergatterte er schließlich mit seinem früheren Kompagnon Hardy Hellstern einen ersten großen Auftrag vom Stuttgarter Dino-Verlag, der seinerzeit zu den Pionieren der Szene gehörte und Leser mit Futter aus dem Superhelden-Kosmos von DC belieferte. „So sind wir mit der Branche auf professioneller Ebene in Kontakt gekommen“, sagt Mergenthaler. Mit der Zeit reifte in dem Ludwigsburger der Gedanke, „dass man es theoretisch selbst versuchen könnte, Comics zu veröffentlichen“.

Gesagt, getan. Das erste Werk, für das er sich eine Lizenz sichern konnte, gilt heute als Klassiker: „Hellboy“. Per Mail hatte Mergenthaler Kontakt mit den Kollegen in den USA aufgenommen, die die Geschichte eines Teufels, der gegen das Böse kämpft, im Portfolio führten. Und erhielt den Zuschlag, sich um die deutsche Ausgabe zu kümmern. Was konkret bedeutet: die Sprechblasen werden übersetzt, ein Lektor sucht nach Fehlern und Unstimmigkeiten, Heft oder Buch werden nach eigenem Gusto layoutet. Cross Cult hat zudem als Lizenznehmer die Freiheit, die Titelseite gegebenenfalls anders zu kreieren und gezielt auf den hiesigen Markt zuzuschneiden und kann das Format selbst bestimmen. „Bei Hellboy sind die Originale zum Beispiel größer und farbig gewesen. Wir wollten aber mal was Neues probieren und haben die schwarz-weiß und das Ganze als Hardcover gemacht“, erinnert sich Mergenthaler. Keine ganz schlechte Idee. Die Ausgabe entwickelte sich zum veritablen Erfolg.

Gespür für Talente

Schon damals hatte der heute 55-Jährige bewiesen, dass er ein Gespür für den richtigen Stoff, für das nächste große Ding hat. Man muss sich seinen Job ein bisschen wie den eines Fußballscouts vorstellen. Mergenthaler versucht, Talente und besondere Geschichten aufzuspüren, die im Jetzt vielleicht noch nicht die ganz großen Nummern sind, aber das Potenzial dazu haben.

Glück gehört auch dazu

Ein Paradebeispiel dafür ist, wie der Verlag sich die Rechte an der deutschen Ausgabe von „The Walking Dead“ sicherte. Die Erzählungen sind in einer apokalyptischen Welt angesiedelt, in der Zombies, aber mehr noch die menschlichen Überlebenden sich untereinander das Leben zur Hölle machen. Die Comics und die gleichnamige Serie wurden zu gigantischen Verkaufsschlagern. Mergenthaler erkannte die Magie der Story von Robert Kirkland schon vor dem nationalen oder gar internationalen Durchbruch. Er schlug mit seinem einstigen Geschäftspartner auf der Comic-Con in San Diego auf, wo ihnen an einem Stand zwei Sammelbände von „The Walking Dead“ ins Auge stachen. „Auf dem Flug nach Hause haben wir sie gelesen und fanden es beide ganz gut“, sagt Mergenthaler. Sie bemühten sich erfolgreich um die Lizenz. „So ein Glück braucht man auch manchmal“, erklärt er.

Zum richtigen Zeitpunkt eingestiegen

Die halbe Miete ist zudem, wenn die Comics verfilmt werden oder an bestimmte Computerspiele anknüpfen. „Das hilft uns bei der Vermarktung und dem Buchhandel gegenüber“, betont Mergenthaler. Davon profitierte auch „Demon Slayer“, der in den Kinos Kasse machte und für den Verlag ein weiterer Megaseller wurde. Und zwar in einem Genre, von dessen Strahlkraft das Team von Cross Cult ebenfalls zeitig überzeugt war: den Mangas. Comics, die in Japan eine große Tradition haben. Vor etwa vier, fünf Jahren sei man in diesen Markt eingestiegen, sagt Verlagsleiterin Luciana Bawidamann. „Also genau zur richtigen Zeit“, wie sie mit Blick auf die immer populärer werdende ostasiatische Erzählkultur hinzufügt.

Es erforderte allerdings ein gehöriges Maß an Anstrengung, in diesem Segment einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Gepflogenheiten in Japan seien speziell, der Umgang eher konservativ, berichtet Mergenthaler. Man komme nicht ins Geschäft, wenn man mit dem Gegenüber nicht von Angesicht zu Angesicht verhandelt habe. Über viele Monate musste der Lizenzabschluss ergo vorbereitet werden.

Den nächsten Hype im Blick

Auf diesem Deal kann sich Mergenthaler freilich nicht ausruhen. „Wenn ein Thema gut läuft, muss man schon das nächste oder übernächste Thema finden“, betont er. Deshalb hat sich der Verlag auch breiter aufgestellt, die Programmpalette zwischenzeitlich um Angebote für Jugendliche und Kinder erweitert – und den nächsten fetten Hype schon im Blick: Manhwas, also Comics aus Südkorea. „Wir denken, dass das das nächste große Thema wird“, sagt Mergenthaler.

Von Umsatzbringern und weiteren Läden

Programm
Der Cross Cult Verlag hat um die Jahrtausendwende klein angefangen in Asperg, zog dann gegen 2005 nach Ludwigsburg um. Die Firmenzentrale ist in der Teinacher Straße. Das Team besteht insgesamt aus rund 35 Mitarbeitern, Tendenz steigend. Thematisch bringt der Verlag vor allem Geschichten aus den Bereichen Horror, Fantasy, Crime und Science-Fiction heraus. Der größte Umsatzbringer sind Mangas, dazu hat man einschlägige Romane, Comics, aber auch Kinder- und Jugendbücher sowie wie Sachbücher, beispielsweise zum Batmobil, im Programm.

Treffpunkt
Im Stuttgarter Milaneo hat Cross Cult nun sogar einen eigenen Laden eröffnet. Im Flagship-Store kann man sich nicht nur mit Lesestoff eindecken, er soll auch Treffpunkt für die Szene sein und Ort für Aktionen sein. Weitere Filialen sind geplant, allerdings nicht in Ludwigsburg selbst – weil die Barockstadt zu nah an der Landeshauptstadt liegt.